Die Fach- und Bildungsreise des Österreichischen Gemeindebundes führte eine Delegation von Bundesvorstandsmitgliedern nach Finnland. Im Fokus stand der Austausch mit dem finnischen Gemeindebund und kommunalen Vertretern in der Hauptstadt Helsinki. Abgerundet wurde die Bürgermeisterreise durch eine Besichtigung der Festungsinsel Suomenlinna und der Stadt Porvoo.
Der österreichische Gemeindebund besucht seit dem Jahr 2007 das jeweils vorsitzführende EU-Land, um dort in Gesprächen mit kommunalen Kollegen einen Blick über den Tellerrand zu werfen und die kommunalen Herausforderungen in anderen Ländern näher kennenzulernen. Dieses Mal ging es von 16. bis 19. Oktober 2019 rund 1.800 Kilometer in den Norden nach Finnland, das so wie Österreich seit dem Jahr 1995 Mitglied der Europäischen Union ist.
Erste Eindrücke
Finnland ist ein zweisprachiges Land, was sich schon bei der Ankunft am Flughafen mit zweisprachigen Hinweisschildern zeigte. In Finnland existieren Finnisch und Schwedisch als gleichberechtigte Sprachen nebeneinander. Alle Straßen- und Verkehrsschilder, öffentliche Gebäude und Unternehmen führen die finnische und schwedische Bezeichnung. Auch eine dritte Amtssprache gibt es im Lande und zwar das Samische, das im hohen Norden – in Lappland – gesprochen wird.
In Finnland leben rund fünfeinhalb Millionen Menschen auf rund 340.000 Quadratkilometern, wobei in der Hauptstadtregion um Helsinki alleine etwa 1,5 Millionen Bürger angesiedelt sind. Helsinki ist grundsätzlich eine sehr junge Stadt. Da früher viel aus Holz gebaut wurde, hat man in den letzten hundert Jahren fast alles neu errichtet. Aus der Zeit um 1900 gibt es einige Jugendstilgebäude. Die Mehrzahl stammt aus den 60ern und 70ern des 20. Jahrhunderts. Helsinki selbst ist eine Stadt mit mehr als 600.000 Einwohnern, 300 Inseln und 120 Kilometern Ostsee-Strand.
Zur Kommunalpolitik in Finnland
In Finnland gibt es aktuell 311 Gemeinden, die alle eng in 18 Provinzen zusammenarbeiten. 44 Prozent der Kommunen haben weniger als 5.000 Einwohner. Die Gemeindeverordneten- versammlung – bei uns vergleichbar mit dem Gemeindevorstand oder Stadtrat – ist das oberste Entscheidungsgremium der Gemeinden. In Finnland gibt es etwa 9.000 Verordnete. Der Bürgermeister ist in Finnland gleichzeitig Amtsleiter und als Verwaltungsmitarbeiter direkt dem Stadtrat unterstellt. Der Vorsitzende des Stadtrates hat dabei eine ähnliche politische Koordinierungsfunktion, wie der Bürgermeister in Österreich.
Auf die Gemeinden wurde in den letzten Jahren starker politischer Druck zu Zusammenschlüssen ausgeübt. Ein Gesetz aus dem Jahr 2007 schreibt eine Mindestgröße von 20.000 Einwohnern vor, oder verpflichtet zur engen Zusammenarbeit in Verbänden. Bemerkenswert ist auch, dass derzeit in Finnland über die Einführung von politischen Provinz-Verwaltungsebenen – ähnlich unseren Bundesländern mit den Landtagen – diskutiert wird.
Starke Selbstverwaltung und unzählige Aufgaben
Die Gemeinden haben eine starke Selbstverwaltung mit zahlreichen Aufgaben, die in Österreich teilweise Bund oder Länder übernehmen. Sie sind für Schulen, Gesundheit, öffentlichen Verkehr, Kinderbetreuung, Pflege und die klassische Infrastruktur direkt zuständig – insgesamt haben die Gemeinden 500 obligatorische Aufgaben zu erfüllen. Sie müssen sich aber selbst um die Finanzierung, sprich Steuereinhebung kümmern. Die Kommunen geben etwa zwei Drittel der staatlichen Ausgaben für ihre Aufgaben aus. An Einnahmen haben sie die direkten Steuern auf Arbeit, Immobilien und einen Anteil an der Körperschaftssteuer. Die geringen staatlichen Transfers dienen dem Ausgleich von strukturellen Unterschieden. In allen Gemeinden arbeiten insgesamt mehr als 500.000 Finnen.
Klima- und Umweltschutz wichtiges Thema
Die meisten Gemeinden in Finnland – wie auch Helsinki – wollen bis 2030 CO²-neutral werden. Der Staat plant den Kohleausstieg bis zum Jahr 2025. Die vier aktiven Atomkraftwerke spielen bei der finnischen Energiewende auch in Zukunft eine große Rolle. Für die Hauptstadt ergibt sich bei den Emissionen folgendes Bild: 57 Prozent der Emissionen verursacht das Heizen, 23 Prozent der Verkehr und 16 Prozent der Strombedarf. 93 Prozent aller Wohnungen in Helsinki sind an das Fernwärmenetz angeschlossen, wobei der Großteil der Wärme durch fossile Energien wie Kohle und Gas erzeugt wird. Da die politisch Verantwortlichen in der Stadt noch nicht genau wissen, wie sie den Wärmebedarf in Zukunft ohne Kohle und Gas gewährleisten können, wurde ein Wettbewerb mit einem Hauptpreis von einer Million Euro ausgeschrieben.
Bildung und Innovation gehen Hand in Hand
In Finnland hat Bildung einen sehr hohen Stellenwert und ist omnipräsent: Unzählige öffentliche und kostenlose Bibliotheken laden zum Lesen und sinnvollen Zeitvertreib ein. Finnland hat das dichteste Bibliotheksnetz der Welt und bei der Besichtigung der neu errichteten Zentralbibliothek Oodi direkt gegenüber dem Parlamentsgebäude zeigte sich deutlich das breite Bildungsverständnis. Neben tausenden Büchern finden sich gratis nutzbare Sitzungsräume, Co-Working-Spaces, 3D-Drucker, Tonstudios, Computer, Tablets usw.
Innovation ist in der Hauptstadtregion ein wichtiges und zentrales Thema. Außerdem gibt es für alle Kinder, die nach der Schulreife weiter in die Schule (auch später Universität) gehen, monatliche finanzielle Unterstützung. Kinderbetreuung ist in Finnland generell kostenlos und wird auch teilweise rund um die Uhr angeboten, vor allem für Eltern, die Nachtdienste haben. Bei unter Dreijährigen gibt es auch eine finanzielle Unterstützung für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen.
In der Aalto-Universität in der Nachbarstadt Espoo – der zweitgrößten Stadt Finnlands – zeigte sich der Wandel Finnlands vom Agrarland der 1950er und 1960er Jahre zum Innovationszentrum. Allein in der Region um Helsinki und Espoo werden in den nächsten Jahren fünf Milliarden Euro in die Infrastrukturen investiert.
Ländliche Räume bleiben erhalten – Glasfaser als Chance
Während in den Innovations-Hot-Spots die Wirtschaft brummt, haben es andere Regionen nicht immer leicht. Die Menschen streben in die Städte, obwohl das Leben am Land weitaus billiger wäre. Klar ist aber, alle Regionen sollen erhalten bleiben. Auch hundert Kilometer nördlich des Polarkreises werden Einfamilienhäuser an das Glasfasernetz angeschlossen. Selbst dann, wenn auf zehn Quadratkilometern nur 50 Häuser stehen. Glasfaser wird im ländlichen Raum vom Staat finanziert und die Familien müssen eine einmalige Anschlussgebühr zwischen 1.000 und 2.000 Euro zahlen. Mit dieser staatlichen Garantie für die Glasfaseranbindung will Finnland auch den Regionen innovative Chancen ermöglichen.
Empfang in der österreichischen Botschaft
Im Rahmen der Bürgermeisterreise wurden die Teilnehmer auch dieses Mal vom österreichischen Botschafter empfangen. Botschafter Maximilian Hennig betonte dabei vor allem die Gastfreundschaft der Finnen und lud die österreichischen Gemeinden ein, Städtepartnerschaften mit den Kommunen in Finnland zu suchen.
Landschaftliche und touristische Highlights
Abseits des inhaltlichen Austauschs in Helsinki blieb auch ausreichend Gelegenheit, die Stadt und das Umland zu erkunden. Bei einem Ausflug auf die Festungsinsel „Suomenlinna“ (Gibraltar des Nordens) oder in die Stadt Porvoo konnten die Teilnehmer die landschaftliche und historische Vielfalt Finnlands entdecken.