23.7.2015 – Unter dem Titel „Können wir uns den ländlichen Raum noch leisten?“ sprach Bernhard Felderer, Fiskalratsvorsitzender und ehemaliger Chef des Insituts für Höhere Studien, vor den Teilnehmern der zehnten Kommunalen Sommergespräche. Ein sehr diskursiv formulierter Titel, wie Felderer selbst anmerkte. „Von allen Ebenen waren die Gemeinden in den letzten acht Jahren die mit Abstand diszipliniertesten“, räumt der Fiskalrats-Vorsitzende ein. Aber trotzdem sieht er noch Sparpotenzial. „Es geht darum, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und trotz gesteigerter Aufgaben handlungs- und gestaltungsfähig zu bleiben“, so Felderer.
Kooperation statt Fusion
Dieses Sparpotenzial soll nicht durch weitere Fusionen gehoben werden, sondern durch regionale Kooperationen. Felderer betont: „Es ist wichtig, dass trotz aller Sparmaßnahmen die Identität erhalten bleibt.“ Auszubauen wären beispielsweise Kooperationen im Personalbereich: „Der Gemeindesekretär könnte für mehrere Gemeinden zuständig sein. Damit könnte man die Gemeindeverwaltung richtig professionalisieren.“ Bei der Abwasserversorgung oder bei Maschinenparks ortet er bereits weitgehend gute Zusammenarbeit.
Abwanderung durch periphäre Betriebsansiedelungen verringern
Sein größter Kritikpunkt sind aber die fehlenden Investitionen. „In Baden-Württemberg konnte man die Abwanderung nicht stoppen, aber zumindest kontrollieren. Dort haben die Gemeinden mehr Einwohner als vor 40 bis 50 Jahren. Dort wurde aber auch in die Infrastruktur und die Wirtschaft investiert.“ Felderer plädiert dafür, dass die Gemeinden finanziell handlungsfähig bleiben, um die Projekte finanzieren zu können, die für die Zukunft jeder Gemeinde individuell dringend notwendig sind. „Da braucht es wieder mehr Freiheit für die Gemeinden“, so Felderer.
Wesentlich, um die Abwanderung zu stoppen, ist die Ansiedlung von Betrieben. Das können nicht irgendwelche übergeordneten Einheiten, sondern da muss der Bürgermeister schauen, appelliert der Wirtschaftsforscher:“Wenn es einem Bürgermeister gelingt, dass sich ein großer Industriebtrieb ansiedelt, dann ist die Schlacht schon gewonnen. Das setzt aber voraus, dass Bürgermeister sehr aktiv werden.“
Mödlhammer: Groß ist nicht automatisch billiger
In der an seinen Vortrag anschließenden Diskussion plädierte Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer dafür, bei den Sparmaßnahmen auch an die anderen Einheiten zu denken. „Ich sage nicht dass bei uns alles perfekt ist, aber es kommen aus ganz Europa kommunale Delegationen zu uns, um sich unser System erklären zu lassen. Die politische Vertretung in den kleinen Einheiten genießt das höchste Vertrauen. Das bestätigen alle Umfragen.“ Dass größer nicht gleich billiger heißt, beweist der Blick auf die Anzahl der Gemeindebediensteten pro 1.000 Einwohner. In Gemeinden unter 5.000 Einwohner liegt diese durchschnittlich bei sieben Mitarbeitern, darüber bereits bei 15.