AG Finanzausgleich Kernthemen
Obwohl die Zuständigkeit für die mannigfachen Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung klar beim Bund liegt, wurde das BMF in den bisherigen Finanzausgleichsverhandlungen nicht müde zu betonen, dass der mit Abstand größte Teil der Hilfsleistungen aus Bundesmitteln stammte. Die Auszahlungen aus dem Bundeshaushalt zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie summierten sich bis Ende Dezember 2022 auf mehr als 43 Milliarden Euro. Ähnliches gilt für die bereits umgesetzten legistischen Maßnahmen des Bundes gegen die Teuerung und die Energiekrise.
Laut seinem Forderungspapier belaufen sich die aufsummierten Maßnahmen des Bundes für die Jahre 2022 bis 2026 auf rund 50 Milliarden Euro. Dass die darin enthaltenen 23 Milliarden Euro an steuerlichen Maßnahmen (vor allem für die Abschaffung der kalten Progression) auch von den Ländern und Gemeinden über Mindereinnahmen an Ertragsanteilen (rund 4,65 bzw. 2,27 Milliarden Euro bis 2026) mitfinanziert werden und der Bund diese Maßnahmen ohne Einbindung der subnationalen Ebenen im Alleingang durchgeführt hat, wird weniger prominent angeführt.
Aus diesem vergangenheitsorientierten Blickwinkel folgert der Bund, dass die Forderung der Länder und Gemeinden nach zusätzlichen Mitteln aus dem Finanzausgleich abzulehnen ist, und fordert gleichzeitig einen abenteuerlich hohen „Solidarbeitrag der Länder und Gemeinden an den Bund“. Aktuell gewinnt man den Eindruck, dass das Finanzministerium verkennt, dass der Bund die Maßnahmen des Bundesgesetzgebers zu vertreten hat und nicht Teile davon im Nachhinein auf Länder und Gemeinden abwälzen kann.
Weitere aktuelle Positionen und Forderungen des Bundes, die für großes Unverständnis von kommunaler Seite sorgen, sind unter anderem eine Beteiligung der Gemeinden in Höhe von 11,849 Prozent an allfälligen Klima-Zertifikat-Käufen bzw. Strafzahlungen aus Vertragsverletzungsverfahren im Fall eines nicht unwahrscheinlichen Verfehlens von EU-Klimazielen (bisher 80 Prozent Bund und 20 Prozent Länder) oder auch der ab 2024 geplante Totalrückzug des Bundes aus der Finanzierung neuer Förderzusagen in der Siedlungswasserwirtschaft. Letzteres hätte wohl teils deutliche Gebührenerhöhungen für die Haushalte – vor allem im ländlichen Raum – zur Folge.
Ausgabendynamik trifft Länder und Gemeinden besonders
Die höchste Ausgabendynamik findet sich im Bereich Pflege, gefolgt vom Gesundheitsbereich. Erst deutlich danach folgen die von Bundesseite gerne ins Treffen geführten Ausgabensteigerungen bei den Pensionen (Bundesbeamte sowie Zuschuss des Bundes zur gesetzlichen Pensionsversicherung).
Abseits der hoffentlich diskretionären Ereignisse der Pandemie und der Energie- und Teuerungskrise sind somit die Länder und Gemeinden mit deutlich höheren Ausgabendynamiken konfrontiert als der Bund, was sich in einem zukunftsorientierten FAG-Paktum auch in einer Erhöhung des Anteils an der vertikalen Verteilung ab 2024 niederschlagen müsste.
Wohl auch um der Forderung der Länder und Gemeinden nach einer Erhöhung ihres einheitlichen Abgabenschlüssels (derzeit 67,934/20,217/11,849 Prozent für Bund/Länder/Gemeinden) entgegenzutreten, hat der Bund den oben angeführten „Solidarbeitrag“ angedroht.
Aus kommunaler Sicht ist es wichtig, sich zukunftsorientiert mit den erwarteten Dynamiken (Demografie, Teuerung, Personalknappheit, Klimaschutz, Bildung und auch Digitalisierung) in den kommenden vier bis fünf Jahren auseinanderzusetzen und nicht damit, wie man Geld von der linken (Länder und Gemeinden) in die rechte (Bund) Hosentasche bekommt.
AG Pflege und AG Gesundheit
Eine besonders unfreundliche Forderung des Bundes wird in allen seinen drei Positionspapieren postuliert – nämlich jene nach der Nicht-Verlängerung des § 24 FAG. Diese jährlichen 300 Millionen Euro, die im November 2016 das FAG-Paktum erst ermöglicht hatten und einen Teil der Kostensteigerungen unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales der Länder und Gemeinden abdecken, speisen nämlich auch die jährlichen 60 Millionen Euro an Strukturfonds-Mitteln.
Die Liste solcher Forderungen des Bundes (BMF und BMSGPK) lässt sich aktuell leider auch noch deutlich verlängern: So möchte der Bund zwar eine Ausweitung der derzeit zur Gänze aus EU-Mitteln geförderten Community Nurses, eine Finanzierungsbeteiligung lehnt er jedoch ab. Im Bereich der mittlerweile völlig unterfinanzierten 24-Stunden-Betreung ist der Bund nicht bereit, zusätzliche Fördermittel in die Hand zu nehmen – somit wird sich der Drang in stationäre Einrichtungen auch aus dieser Personengruppe verstärken.
Auch will sich der Bund aus der Finanzierung der 2022 befristet eingeführten Unterstützungen für die Entgelterhöhung und Pflegeausbildung zurückziehen und somit die vollen Kosten auf Länder und Gemeinden überwälzen.
Dass derartige Positionen und Forderungen weder das Verhandlungsklima noch die Reformfreudigkeit der Finanzausgleichspartner verbessern, liegt auf der Hand.
Es ist zu hoffen, dass der Bund rasch wieder zu konstruktiven Gesprächen mit Ländern und Gemeinden zurückfindet, damit sowohl eine nachhaltige Finanzierung sichergestellt werden kann als auch die notwendigen Reformen (etwa in der effektiveren Planung und Steuerung des Gesundheits- und Pflegebereichs) gemeinsam angegangen werden können.
Über den Autor: Konrad Gschwandtner ist Fachreferent der Abteilung Recht und Internationales beim Österreichischen Gemeindebund.