Mit dem Mitte Juli veröffentlichten Fit for 55-Paket aus 12 Legislativvorschlägen konkretisiert die EU-Kommission die europäischen Klimaschutzambitionen. Die Gemeinden werden v.a. bei der Energieeffizienz in die Pflicht genommen.
Konkrete Vorgaben für EU-Klimaziele
Grüner Deal, Klimagesetz und jetzt Fit for 55 – es mangelt nicht an Ambition, Klimaschutz ernst zu nehmen. Das aus 12 Legislativvorschlägen bestehende Fit for 55-Paket soll die bereits beschlossenen Vorgaben des EU-Klimagesetzes (Emissionsreduktion von mindestens 55 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050) in konkrete Bahnen lenken. Dafür ist die Zusammenarbeit vieler Sektoren nötig, mehr Energieeffizienz, mehr erneuerbare Energieträger, weniger CO2-Ausstoß in den Sektoren Gebäude, Verkehr, Industrie.
Emissionshandel wird ausgebaut
Geplant sind ein eigenes Emissionshandelssystem für Raumwärme und Verkehr, neue Emissionsstandards für PKW und leichte Nutzfahrzeuge, ein Ausrollen alternativer Ladeinfrastrukturen, die Einbeziehung der Schifffahrt in den bestehenden Emissionshandel, Quoten für alternative Kraftstoffe in Luft- und Schifffahrt u.v.m.
Natürlich betreffen fast alle Vorschläge auch die Gemeinden, sei es über vergaberechtliche Verpflichtungen, sei es bei Genehmigungsverfahren oder weil Berichtspflichten eingeführt werden sollen. Am konkretesten ist allerdings der Richtlinienvorschlag zur Revision der Energieeffizienzrichtlinie. Die Energieeffizienzrichtlinie stammt aus 2012, die letzte Revision aus 2018 wurde in Österreich erst kürzlich umgesetzt.
Kommunen müssen Gebäude sanieren
Während bisher immer dagegen argumentiert werden konnte, die kommunale Ebene mit Renovierungsquoten zu belegen, griff die Kommission die Idee einer jährlichen 3-Prozent-Quote für alle öffentlichen Gebäude wieder auf. Was bisher schon für Bundesgebäude galt, soll nun also auch Länder und Gemeinden treffen: Das bedeutet, dass jährlich rund 3 Prozent der öffentlichen Gebäude von den Kommunen energieeffizient saniert werden sollten. Alternative Lösungen wie Förderprogramme für den privaten Wohnbau, dem der Großteil aller Gebäude in Österreich zuzurechnen ist, sind auf diese Quote nicht mehr anrechenbar. Das Ziel ist klar: Die öffentliche Hand soll sichtbar Vorreiter sein.
Die Kommission fordert daher von allen Mitgliedstaaten Statistiken und Berichte über den öffentlichen Gebäudebestand, welche einmal jährlich aktualisiert werden müssen. Für Gemeinden bedeutet das, dass nicht nur alle beheizten/gekühlten Gebäude über einer Nutzfläche von 250m² in diese Statistik einfließen müssen, sondern dass auch jede Renovierung zu melden ist, wobei nur solche zum 3-Prozent-Ziel beitragen, die auf einen Umbau zu Niedrigenergiestandard hinwirken.
Dekarbonisierungspläne und energieeffiziente Ausschreibungen kommen auf die Gemeinden zu
Die Gemeinden müssen aber auch insgesamt zu einem jährlichen Energiesparziel von 1,7 Prozent beitragen, welches für die ganze öffentliche Hand gilt. Wer wieviel leistet, wird vom Bund festgelegt, die Gemeinden müssen aber jedenfalls lokale Dekarbonisierungspläne vorlegen um ihre Beiträge zu planen und zu dokumentieren.
Drittens sollen die Gemeinden im Vergaberecht das Prinzip Energieeffizienz zuerst umsetzen. Alle öffentlichen Ausschreibungen und Konzessionsvergaben über den EU-Schwellenwerten, d.h. Dienstleistungen, Produkte, Gebäude oder Bauleistungen müssen auf Beschaffungen mit hoher Energieeffizienz abstellen. Die Kriterien richten sich nach der Energiekennzeichnungsverordnung oder der Reifenkennzeichnungsverordnung bzw. nach dem Grundsatz Energieeffizienz zuerst, wenn sich im Anhang der Richtlinie keine spezifischen Anforderungen finden.
Sind die Vorgaben für Gemeinden realistisch und tragbar?
Die Diskussionen auf europäischer Ebene stehen am Anfang. Klar ist, dass es zur Umsetzung des Klimagesetzes konkreter Vorgaben bedarf und alle Sektoren umdenken müssen. Aus Gemeindesicht ist es daher wichtig, sich mit den aktuellen Vorschlägen im Detail auseinander zu setzen und aufzuzeigen, was machbar ist und welche Auswirkungen eine strikte Umsetzung auf die Finanzen und/oder die Sicherstellung der Pflichtaufgaben hätte.
Welche Arbeit kommt auf die Gemeinden zu und gibt es Alternativen?
Auch die Praktikabilität und der zu erwartende Verwaltungsaufwand sind zu thematisieren. Gibt es in den Gemeinden bereits eine flächenmäßige Erfassung aller Gebäude und wenn nein, wer wird für Erhebung und Aktualisierung verantwortlich sein? Die pure Ablehnung einzelner Vorschläge ohne das Aufzeigen alternativer Lösungen dürfte dieses Mal nicht durchgehen. Österreichs Gemeinden können aber auf eine lange Klimaschutztradition hinweisen und sicher anhand zahlreicher best-practices optimale und effiziente kommunale Beiträge dokumentieren und Alternativen in die Diskussion einbringen.
Zur Autorin: Daniela Fraiß ist Leiterin des Brüsseler Büros des Österreichischen Gemeindebundes.