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Dreipunkteplan gegen Plastikmüll präsentiert

Um Strafzahlungen an die EU zu vermeiden, schlägt das Umweltministerium Maßnahmen zur Verringerung von Plastikabfall vor. Der am Montag präsentierte Dreipunkteplan erntet nicht nur Lob – kritische Stimmen sehen vor allem im Plastikpfand einen heiklen Punkt.

Umweltministerin Leonore Gewessler stellte am Montag einen Dreipunkteplan gegen Plastikmüll vor: Dieser sieht eine verbindliche Quote für Mehrwegflaschen im Handel und eine Abgabe für die Erstellung und den Import von Kunststoffen vor. Teil ihres Plan ist auch das umstrittene Pfand auf Einwegplastikflaschen.

Streitpunkt Plastikpfand

Die Meinungen zum Pfandsystem gehen weit auseinander. Alternativlos sagen die einen, unverhältnismäßig die anderen. Beide Standpunkte haben etwas für sich und lassen sich anhand von Zielen und Zahlen durchaus rechtfertigen. Fraglich dabei bleibt nur, welche Argumente gewichtiger sind.

Ihren Ausgang nahm die Diskussion rund um die Einführung eines Pfandes auf Einwegkunststoffflaschen in Bildern von schmutzigen Stränden, Müllinseln in Meeren und gestrandeten Walen, die an verschluckten Plastikteilen elendig zugrunde gegangen sind. Einweg-Plastik ist schlecht – so lautete die weit verbreitete Devise.

Was verlangt die SUP-Richtlinie?

Dem medialen Druck beugend und der Tatsache zum Trotz, dass es sich bei der Meeresverschmutzung in erster Linie um Fischereiutensilien handelt und diese Verschmutzung mit Einweg-Plastik wenig zu tun hat, hat die EU-Kommission in Windeseile und ohne wissenschaftliche Grundlagen die SUP-Richtlinie (Single-Use-Plastic-Direction) auf den Weg gebracht.

Diese sieht neben dem Verbot von bestimmten Einwegkunststoffartikeln, einer erweiterten Herstellerverantwortung für bestimmte Abfälle bei „Littering“ und einem Mindestrezyklatanteil bei PET-Flaschen auch eine getrennte Erfassungsquote für Einweg-Kunststoffgetränkeflaschen vor.

EU gibt Ziele vor

Demnach müssen 77 Gewichtsprozent der in Verkehr gesetzten Kunststoffgetränkegebinde bis zum Jahr 2025 und 90 Prozent bis zum Jahr 2029 getrennt gesammelt werden. Um diese Quote zu erreichen, gibt es mehrere Lösungsansätze, wobei die SUP-Richtlinie in erster Linie Pfandsysteme im Blick hat („um dieses Ziel zu erreichen, können die Mitgliedsstaaten unter anderem Pfandsysteme einführen“, so die Richtlinie).

Hat man nur dieses eine Ziel vor Augen, erscheint auf den ersten Blick die Einführung eines Pfandes auf Einweggetränkeflaschen zur Zielerreichung am geeignetsten. Einer Studie zufolge könnten durch das Pfand 95 Prozent aller Kunststoffgetränkeflaschen und damit die Vorgabe der EU sogar übertroffen werden.

Was bringt die getrennte Sammlung von Einweggetränkeflaschen?

Bringt man hingegen die Mengen, um die es beim Thema Einweggetränkegebinde geht (gesamt 49.000 Tonnen), in Relation etwa zur Gesamtmenge an Kunststoffverpackungen (300.000 Tonnen) und blickt man auf andere EU-Abfallwirtschaftsziele, so wird die Bedeutung der getrennten Sammlung von Einweggetränkeflaschen, hinsichtlich derer lediglich 9.900 Tonnen zur Erreichung des 90-Prozent-Ziels fehlen, deutlich in den Hintergrund gedrängt.

Verkannt wird nicht selten, dass die eigentliche – ökologisch weit bedeutendere – Herausforderung die Erreichung der Recyclingquote bei Kunststoffverpackungen ist. Letztlich beträgt diese derzeit etwa 25 Prozent und muss bereits im Jahr 2025 bei 50 Prozent und im Jahr 2030 bei 55 Prozent liegen. Um überhaupt eine derart hohe Recyclingquote (Output) erfüllen zu können, müssten mindestens 80 Prozent der Kunststoffverpackungen (zumindest 240.000 Tonnen) gesammelt und einem Aufbereitungsprozess zugeführt werden.

Noch deutlicher wird es, wenn man sich die Vorgabe der EU ansieht, wonach bis zum Jahr 2030 60 Prozent und bis zum Jahr 2035 65 Prozent des gesamten Siedlungsabfalls (rund 5.000.000 Tonnen), worunter im Übrigen auch Getränkeflaschen und Kunststoffverpackungen fallen, recycelt werden müssen.

Wenn man dann auch noch den ökologischen Beitrag eines Einwegpfandes bzw. dessen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in Relation setzt, dann müsste man eigentlich die Frage stellen, weshalb überhaupt über die Einführung eines Pfandes diskutiert und nicht das große Ganze in den Mittelpunkt gerückt wird.

EU-Kommission empfiehlt Pfandsystem

All diesen Umständen zum Trotz besteht die EU-Kommission offensichtlich auf die Einführung eines Pfandsystems: Im Wege eines delegierten Rechtsaktes der EU-Kommission soll nämlich die Möglichkeit unterbunden werden, Getränkeflaschen, die aus dem Restmüll aussortiert werden, auf die getrennte Erfassungsquote anzurechnen. Da mittels getrennter Sammlung (gelber Sack, gelbe Tonne, Flaschensammlung) das 90-Prozent-Ziel nicht erreichbar sein wird, würde ohne Anrechnungsmöglichkeit (der aussortierten Flaschen aus dem Restmüll) kaum ein Weg an der Einführung eines Pfandes vorbeiführen.

Viele Fragen ungeklärt

Abgesehen davon, dass eine Aussortierung aus dem Restmüll ohnedies zur Erreichung der Recyclingquote bei Kunststoffverpackungen notwendig sein wird (warum daher nicht auch gleich Kunststoffflaschen und andere Wertstoffe aussortieren), stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit derartiger Festlegungen durch die EU-Kommission.

Denn weder die SUP-Richtlinie noch die Abfallrahmenrichtlinie treffen Vorgaben, ob gemeinsam mit anderen Abfällen gesammelte und unmittelbar danach aussortierte Kunststoffgetränkeflaschen der getrennten Sammelquote angerechnet werden können. Und: In der SUP-Richtlinie wird die EU-Kommission lediglich ermächtigt, einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung der Methode für die Berechnung und Überprüfung der Ziele für die getrennte Sammlung zu erlassen.

Tatsächlich sollen aber in diesem delegierten Rechtsakt nicht nur Festlegungen der Methode für die Berechnung der Ziele getroffen werden (wie ist zu berechnen), sondern darüber hinaus auch Festlegungen, welche Materialien überhaupt in die Berechnung aufgenommen werden dürfen (was ist zu berechnen). Damit ginge der delegierte Rechtsakt über den Regelungsrahmen der SUP-Richtlinie und über die darin erteilte Ermächtigung hinaus.

Regelung ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar

Zudem wäre eine derartige Festlegung mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar: Die EU hat den Mitgliedsstaaten die Ziele (einschließlich Berechnungsmethoden, Meldepflichten und Kontrollmechanismen), nicht aber auch den Weg zur Zielerreichung vorzugeben.

Den Mitgliedsstaaten würde ansonsten gerade in der Abfallwirtschaft und damit in einem Bereich, der europaweit durch höchst unterschiedliche Systeme und Ausgangslagen geprägt ist, jeglicher Handlungsspielraum genommen, individuell auf ihre jeweilige Situation (Abfallsystem, Ausgangslage) abgestimmte Vorgehensweisen für die Erreichung der von der EU vorgegebenen Ziele zu wählen.