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“Den Menschen fehlt die Kultur”

Während österreichweit die Kinosäle, Theater und Museen leer stehen, und mit 17. November 2020 auch die Galerien und Bibliotheken ihre Tore schließen müssen, trotzt ein kleiner Kulturverein in der Salzburger Gemeinde Radstadt dem Lockdown: Von den ehemaligen Schießluken und Fenstern des historischen Radstädter Wehrturms baumeln seit Anfang November bunte Fahnen. Sie sind das Ergebnis von zusammengefügten Werken der Strickgruppe „Woll-Lust“, die es sich auch zu Zeiten Coronas nicht nehmen ließ, ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine kleine Freude zu bereiten.

Der Kulturkreis “Das Zentrum” lässt sich nicht kleinkriegen: Auch in düsteren Zeiten wird in Radstadt gestrickt. ©Das Zentrum
Der Kulturkreis “Das Zentrum” lässt sich nicht kleinkriegen: Auch in düsteren Zeiten wird in Radstadt gestrickt. ©Das Zentrum

In schwierigen Zeiten ist Kreativität gefragt

Die Kunstinstallation, die den Teichturm, Teile der historischen Stadtmauer und die Fassade des Zeughaus Radstadt schmückt, ist Ausdruck des Jubiläums von „Woll-Lust“. Elisabeth Schneider, Geschäftsführerin des Kulturvereins „Das Zentrum“ in Radstadt hat die Strickgruppe vor zehn Jahren ins Leben gerufen. Inspiriert vom Trend aus Großstädten brachte sie den Ansatz, Stricken nicht als häusliche Pflicht, sondern als kreative Handwerkskunst zu betreiben, in die ländliche Region. Seither wird in Radstadt regelmäßig gemeinsam gestrickt. „Es sind 15 bis 25 Frauen aus neun Gemeinden, die sich treffen.“

Das Zeughaus am Turm ist Treffpunkt des Kulturvereins “Das Zentrum”. Heute schmücken bunte gestrickte Fahnen die Fassade. ©Das Zentrum
Das Zeughaus am Turm ist Treffpunkt des Kulturvereins “Das Zentrum”. Heute schmücken bunte gestrickte Fahnen die Fassade. ©Das Zentrum

Von der Pandemie ließen sich die fleißigen Strickerinnen nicht beirren und setzten das bereits im März vereinbarte Projekt kurzerhand individuell zu Hause um. Die bunten Fahnen sollen gleichzeitig Mut und Freude in einer schwierigen Zeit symbolisieren. „Wir versuchen weiterhin auf kreative Weise die Menschen zu erreichen“, bestätigt die Initiatorin und nennt neben dem „Woll-Lust“ Projekt das Video-On-Demand-Angebot des Radstädter Kulturvereins. „Das digitale Angebot ist aber kein Ersatz”, ist Schneider überzeugt.

Kunst und Kultur sind ein Gemeinschaftserlebnis

Der Radstädter Teich-Turm erstrahlt in neuem Gewand: Die “Woll-Lust” Strickgruppe Radstadt feiert ihr zehnjähriges Jubiläum. ©Das Zentrum
Der Radstädter Teich-Turm erstrahlt in neuem Gewand: Die “Woll-Lust” Strickgruppe Radstadt feiert ihr zehnjähriges Jubiläum. ©Das Zentrum

„Grundsätzlich tragen wir natürlich alle Maßnahmen mit, und hoffen, dass dieser Kraftakt in Form eines neuen harten Lockdowns auch etwas bringt“, erklärt Elisabeth Schneider. „Doch diese Lösung ist nicht langfristig.“ Unter dem Fehlen der Kultur leiden nicht nur die Künstlerinnen und Künstler, so Schneider. „Es geht um weit mehr – Kunst und Kultur ist Bildungsarbeit, ein Tor in die Welt“.

Außerdem fehle den Menschen die Kultur, so die Vereinsleiterin. „Es wird uns das Gemeinschaftserlebnis genommen“, bekräftigt sie mit Hinblick auf das alljährliche Radstädter Filmfestival, das nach bereits zweimaligem Aufschub weiterhin in der Luft hängt. Auch die wöchentlichen Kinovorführungen, Ausstellungen und zahlreiche andere Veranstaltungen und Projekte wurden verschoben oder abgesagt.

Es sei so, als wäre man seit März in der Warteschleife, seufzt die Kultur-Managerin. Und die Zukunft des kulturellen Lebens in den Gemeinden bleibt weiterhin unklar: „Viele Menschen sind zutiefst verunsichert.“ Schneider sieht zudem ein Stadt-Land-Gefälle in der Kunst- und Kulturbranche, das sich schon in den Sommermonaten gezeigt hat. „Bei uns am Land wird nicht zwischen verschiedenen Arten der Veranstaltungen unterschieden.“ Das macht es umso schwieriger, nach dem Lockdown in ländlichen Gemeinden wieder kulturelle Angebote zuzulassen, da die Behörden im Zweifelsfall lieber nichts riskieren wollen. Dabei ist „die Kultur so wichtig für das soziale Leben in der Gemeinde“, ist sich Elisabeth Schneider sicher.

(Quelle: SN, Das Zentrum)

Eva Schubert

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