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Bürgermeister sollen über Sperrstunde entscheiden – juristisch fragwürdig?

Durch die jüngste Änderung der COVID-19-Maßnahmengesetzes wurde in § 7 ein neuer Abs. 3a eingefügt, der vorsieht, dass – unter bestimmten Voraussetzungen – Verordnungen nach § 3 Abs. 1 Z 1 COVID-19 Maßnahmengesetz hinsichtlich der “Festlegung von Zeiten für das Betreten” vom Bürgermeister erlassen werden können. Diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung der Bezirksverwaltungsbehörde. Bei den zitierten Verordnungen des § 3 Abs 1 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetzes geht es um das Verbot des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten (oder nur bestimmten Betriebsstätten) zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen.

Bürgermeister können auch Lüftungspausen bestimmen

In der Erläuterung dazu wird festgehalten, dass “angesichts der anstehenden Wintersaison und der damit verbundenen verstärkten Verlagerung der Zusammenkünfte in Indoor-Bereiche (z.B- Après-Ski-Lokale), die im COVID-19-Maßnahmengesetz verankerte Zuständigkeitskaskade hinsichtlich der Festlegung von Zeiten für das Betreten von Betriebsstätten um die Bürgermeister erweitert werden soll. Damit sollen nicht nur Öffnungs- und Schließzeiten, sondern auch “Pausensperrstunden” (im Sinne von Unterbrechungszeiten, z.B. für das Durchlüften von Räumlichkeiten) festgelegt werden können.”

Auch wenn in den Erläuterungen die Après-Ski-Lokale erwähnt werden, enthält der Gesetzestext keine branchenspezifische Beschränkung und kommen für eine solche Regelung alle vom Anwendungsbereich des COVID-19 Maßnahmengesetzes umfassten Betriebstätten – bis hin zu Apotheken, Einzelhandel, Kfz-Werkstätten etc. – in Betracht.

Einerseits über Sperrstunde entscheiden, andererseits keine Gesundheitsdaten erhalten?

Die Begründung, dass örtliche Gegebenheiten und allenfalls lokale Besonderheiten auf Gemeindeebene besser überblickt und erfasst werden können, ist inhaltlich nicht überzeugend, im Gegenteil: auf der einen Seite soll eine Handlungsmöglichkeit auf Gemeindeebene geschaffen werden, um möglichst rasch auf allfällige epidemiologisch bedenkliche Entwicklungen reagieren zu können. Gleichzeitig verfügen die Bürgermeister/innen über keine für eine solche Beurteilung notwendigen Gesundheitsdaten, ob sie diese von den BHs bekommen (dürfen) wird (wieder einmal) eine datenschutzrechtlich zu klärende Frage. Ihre Kenntnisse als Baubehörde dürften wohl kaum für eine ausreichende Begründung einer vor dem VfGH bestandsfesten Sperrverordnung ausreichen.

Dass durch einen entsprechenden Abänderungsantrag noch vorgesehen wurde, dass die Verordnungserlassung einem Zustimmungsvorbehalt der Bezirksverwaltungsbehörde unterliegt, unterstreicht die fehlende Nachvollziehbarkeit der Regelung: für eine Verordnung, die ohnehin durch die Bezirkshauptmannschaften inhaltlich beurteilt bzw. “freigegeben” werden muss, die Bürgermeister/innen persönlich mit in die Pflicht (und in die Haftung) zu nehmen, gibt es keine nachvollziehbare Begründung. Schließlich stellt sich die Frage, warum die Bürgermeister/innen hier überhaupt involviert wurden und die Bezirksverwaltungsbehörden die Verordnungen nicht gleich selbst erlassen.

Aufgaben an die Gemeinden abwälzen ist einfach

Die Regelung wird nicht als Sternstunde der Pandemiebekämpfung in die COVID-19 Geschichte eingehen. Die Übertragung dieser Aufgabe verdeutlicht zudem einmal mehr die Problematik, dass die Gemeinden (bzw. die Bürgermeister/innen) – mit Ausnahme der durch die Finanzverfassung gesetzten Grenzen – einer Aufgabenübertragung nach Art 119 Abs. 1 B-VG durch den Bundes- oder Landesgesetzgeber de facto unbeschränkt ausgeliefert sind. Regelungen wie der neue § 7 Abs. 3a COVID-19 Maßnahmengesetz legen die Schwäche dieser Verfassungsbestimmung aus Gemeindesicht deutlich offen.

Martin Huber

Zum Autor: Dr. Martin Huber ist Kommunalrechts-Experte und Direktor des Salzburger Gemeindeverbandes.

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