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Bildung: Reförmchen statt Reform

19.11.2015 – Die Bildungsreform wurde von der Regierung seit Wochen angekündigt und nun tatsächlich vorgestellt. Aus der beabsichtigten Reform wurde eher ein Reförmchen, die spürbaren Auswirkungen für Eltern, Schüler und Lehrer sind überschaubar.

Lange feilten die Verhandler von Bund und Ländern an der Bildungsreform. Am 17. November 2015 stellten Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Staatssekretär Harald Mahrer schließlich die Eckpunkte der „umfassenden Reform der Bildungsbereiche“ vor. Die Reform betrifft aber nicht nur die Schulen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch die Kindergärten. Hier die Details

Elementarpädagogik – Kindergarten soll zur Bildungseinrichtung werden

Das wesentliche Element in diesem Bereich ist die Einführung des zweiten verpflichtenden Kindergartenjahrs. Ob auch dieses kostenlos sein soll, lässt sich aus den Unterlagen des Bildungsministerius, noch nicht entnehmen. Allerdings soll es für Eltern eine „Opt-out“-Möglichkeit „wegen des Entwicklungsstandes oder aus sprachlichen Gründen“ nach drei Monaten geben. Zuvor wird das Kind allerdings genau beobachtet und dokumentiert: Es wird ein bundeseinheitlicher Bildungskompass für alle Kinder ab 3,5 Jahren eingeführt, welcher die Potentialanalyse sowie durchgehende Sprachstands- und Entwicklungsdokumentation umfasst. Außerdem möchte der Bund einen verbindlichen, bundesweit einheitlichen Qualitätsrahmen in Abstimmung mit den Ländern bis Ende 2016 erarbeiten und in einem Stufenplan bis 2025 umgesetzn.

Ein drittes wesentliches Element ist die Reform der Ausbildung der Kindergartenpädagogen/innen. Für die Bundesanstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIPs) bedeutet das konkret besser ausgebildetes Lehrpersonal (mindestens Bachelor-Abschluss), die Überarbeitung der Lehrpläne und neue Aufnahme- und Eignungsverfahren für BAKIP-Schüler/innen. Am Ende soll die BAKIP zu einer berufsbildenden höheren Schule (BHS) umstrukturiert werden. Die Fort- und Weiterbildungsangebote an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten sowie Landesakademien sollen ausgebaut werden. Die verpflichtende akademische Ausbildung für Kindergartenpädagoginnen ist damit vorerst vom Tisch.

Volksschulpaket – Besserer Austausch, Sprachförderung

Damit die gesammelten Daten über die Kinder auch in der Volksschule genutzt werden können, soll die Kooperation zwischen Kindergarten- und Volksschulpädagogen/innen ausgebaut werden. Die Daten über Förderungen aus dem Kindergarten werden außerdem beim Übergang in die Schule berücksichtigt. Sprachstartkurse für Neuzugänge ohne oder nur mit unzureichenden Deutschkenntnissen eingeführt.

Zusätzlich sollen die Lehrpläne der Volksschulen aktualisiert und weiterentwickelt werden – mit dem Fokus auf die verstärkte Vermittlung der Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen. Schulen werden künftig die autonome Möglichkeit des jahrgangsübergreifenden Unterrichtens mit flexibler innerer Differenzierung erhalten und autonom über alternative Leistungsbeurteilung entscheiden können.

Autonomiepaket

Im pädagogischen Bereich sollen Lerngruppen nach pädagogischen Zielsetzungen, auch schulstufenübergreifend eingesetzt werden können. Außerdem können schulautonom Schwerpunktsetzungen mit Abweichung der Stundentafel des Lehrplans beschlossen werden. Mit diesen erweiterten Möglichkeiten sollten vor allem auch die Schulversuche drastisch reduziert werden. Das ganze Schulversuchssystem möchte die Regierung auf völlig neue Beine stellen.

Wieder aufgegriffen wurde auch die Forderung von Bildungsministerin Heinisch-Hosek nach der Mindestschüleranzahl. So steht im aktuell präsentierten Papier: Als Richtgröße mit einer Schwankungsbreite von zehn Prozent für autonome Schule- bzw. Verwaltungseinheiten ist eine Schülerinnen- und Schülerzahl von 200 bis 2.500 anzustreben. Mehrere Standorte (auch schulartenübergreifend) können gemeinsam geleitet werden (Verwaltungseinheit NEU, Schulcluster). Ob das defacto die Abschaffung der Schulsprengel bedeutet, kann man noch nicht sicher sagen. Das wird Gegenstand kommender Verhandlungen sein.

Auch für die Schulen wird der Dokumentations- und Berichtsaufwand erhöht. So soll jede Verwaltungseinheit ein umfassendes mehrjähriges Schulkonzept mit Schulprofil, Schulleitbild etc. entwickeln, sowie einen jährlichen pädagogischen Qualtiätsbericht abliefern. Zusätzlich sollen die Öffnungszeiten der Schulen bedarfsorientierter werden (z.B. 7 bis 18 Uhr).

Die gesteigerte Autonomie der Schulen äußert sich auch in folgenden Gesichtpunkten: Die Schulleitung kann aus pädagogischen Gründen vom Regelstundenplan abweichen (Stundenblockungen, Stundenabtäusche sowie verschränkte Unterrichtsformen). Die Personalauswahl soll künftig von der Schulleitung im Einvernehmen mit der Schulbehörde erfolgen. Die Schulleitung hat ein Vetorecht bei Neuanstellungen. Mehr Unternehmensorientierung erhält das Schulsystem durch die Bildung eines Schulmanagements, bestehend aus dem Direktor, seinem Stellvertreter und dem mittleren Management. Die Schulleitung ist für Personalentwicklung und die Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter (Mitarbeiter-Gespräche), sowie Fortbildungsanordnungen und -genehmigungen zuständig.

Je nach Schulträgermodell wird der autonomen Schule bzw. dem Bildungscluster (Verwaltungseinheit NEU) direkte Verfügbarkeit über bestimmte finanzielle Ressourcen im Sinne eines Globalbudgets für den Sachaufwand gewährt. Die Umwandlung und Rückführung von pädagogischem Lehrpersonal in Supportpersonal z.B. für pädagogische Assistenz wird im Rahmen von maximal fünf Prozent ermöglicht. Autonome Schulen können außerdem externe Lehrbeauftrage einsetzen sowie Drittmittel lukrieren.

Qualitätssicherung und Controlling

Dieser Punkt umfasst alle Berichtspflichten der Schulen, sowie des Ministeriums. Schulen müssen, wie vorhin schon erwähnt, einen standortbezogenen Qualitätsbericht abliefern. Zudem werden Daten zum „Lernstand, Klima, Bildungsverlauf und Übergänge, soziale Zusammensetzungen, wirkungsorientierter Ressourceneinsatz usw.“ vom Ministerium regelmäßig erhoben und den Schulen sowie der Qualitätsaufsicht (Schulaufsicht NEU) für weitere Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Ergänzend zu diesen Qualitätsmessungen führen die Schulen Selbstevaluationen und „Peer-Evaluationen“ durch. Außerdem sollen die Schulen an der eigenen Qualitätsentwicklung mit klaren schriftlichen Entwicklungsplänen und Zielvereinbarungen arbeiten. Das Ministerium wird dem Parlament alle drei Jahre einen nationalen Schulqualitätsbericht vorlegen.

Neu: Modell-Regionen für 6- bis 14-Jährige

Mit den Modell-Regionen wurde der erste Schritt zur Gesamtschule 6- bis 14-Jährigen gemacht. Sogar Kindergärten bzw. -tagestätten sollen daran teilnehmen können, Privatschulen können, müssen aber nicht mitmachen. Ziel ist eine Schule, „in der alle Schüler entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten sich bestmöglich entwickeln können“. Die Gesamtzahl der Standorte in den Modell-Regionen darf aber in keinem Bundesland 15 Prozent aller Standorte der jeweiligen Schulart sowie 15 Prozent aller Schüler/innen der jeweiligen Schulart überschreiten. Außerdem dürfen nur Teile eines Bundeslandes eine Modell-Region bilden. Zusätzliche Mittel wird der Bund dafür aber nicht locker machen, er legt sich nur darauf fest, die Mittel nicht für Schulen mit besonderen Herausforderungen nicht zu kürzen. Damit verbunden sind auch umfangreiche Konzepte, sowie wissenschaftliche Begleitung. Evaluiert wird der Erfolg dieser Modell-Regionen für die Gesamtschule erst 2025.

Ersetzen der Landesschulräte durch „Bildungsdirektionen“

Von Landesschulräten wird künftig nicht mehr gesprochen. Es wird nur mehr Bildungsdirektionen als gemeinsame Bund-Länder-Behörde geben. Sie werden für fünf Jahre bestellt. Durch Landesgesetz kann vorgesehen werden, dass der Landeshauptmann oder das zuständige Mitglied der Landesregierung die Rolle des Präsidenten der Behörde innehat. Die Behörde ist dann vor allem für die Dienst- und Fachaufsicht aller Bediensteten der Bildungsdirektion zuständig. Zusätzlich werden die Schuldirektoren nach einem bundeseinheitlichen Objektivierungsverfahren, das von Bund und Ländern gemeinsam zu entwickeln ist, bestellt. Die Verrechnung aller Lehrer erfolgt in Zukunft über das Bundesrechenzentrum und sie werden ins Unterrichtsinformationssystem integriert. Abgeschafft werden die amtsführenden Präsidenten und Vizepräsidenten der Kollegien.

Internet für alle Schulen

Bis 2020 sollen alle Schulstandorte mit ultraschnellem Breitbandinternet sowie Netzwerk (WLAN oder Nachfolgetechnologie) ausgestattet sein.

Außerdem wird eine Bildungsstiftung gegründet, die das Bildungsniveau von Schülern „durch kompetitive Förderung von innovativen Bildungs- und Schul(forschungs)projekten“ anheben soll. Die Stiftung soll vor allem der der Begabten- und Begabungsförderung dienen.

Gesetzliche Umsetzung kommt 2016

Die Bildungsreform wird in unterschiedlichen Gesetzesetappen umgesetzt: Die Schuleingangsphase NEU sowie erste schulrechtliche Freiräume sollen bereits mit dem Schuljahr 2016/17 umgesetzt werden, der elementarpädagogische Qualitätsrahmen soll bis Ende 2016 mit den Ländern erarbeitet und 2025 flächendeckend umgesetzt sein. Der Umbau der BAKIPs zu berufsbildenden höheren Schulen wird im Schuljahr 2017/18 starten, der Transformations- und Integrationsprozess zur Schulverwaltungsbehörde soll bis Juni 2016 vorbereitet und per August 2016 umgesetzt werden. Dass ein Direktor für mehrere Schulen zuständig ist, also die Bildung von Schulverbünden oder Schulclustern, soll schrittweise kommen:

  • Etappe 1: 10-20% 2015-18
  • Etappe 2: 70% 2019-21
  • Etappe3: 100% 2022-2025

Der Gemeindebund-Jurist Mag. Bernhard Haubernberger wird in den nächsten Tagen zeigen, was das nun beschlossene Paket, das ohne Einbindung des Gemeindebundes in die Verhandlungen zustande gekommen ist, nun für die Gemeinden bedeutet.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Staatssekretär Harald Mahrer stellten am 17. November 2015 die mit Spannung erwartete Bildungsreform vor. ©Bundeskanzleramt Österreich / Bundespressedienst / Andy Wenzel