Was erwarten sich Bürgerinnen und Bürger von den Gemeindeverwaltungen? Was können Bürgermeister, Gemeindeamtsleiter und Mitarbeiter liefern und womit sind sie überfordert? Sind Politiker, die nur verwalten wollen, ebenso fehl am Platz wie Verwaltungsbeamte, die Politik machen wollen? Diese und andere Fragen beantwortete der frühere ORF-Journalist Roland Adrowitzer bei der Fachtagung des Verbands leitender Gemeindebediensteter (FLGÖ).
Bernhard Scharmer, Landesobmann des Tiroler Verbandes der leitenden Gemeindebediensteten, beleuchtete die zahlreichen Stolperfallen, die sich für Gemeinden in ihrer täglichen Arbeit immer wieder eröffnen. Das beginne schon bei den Kernaufgaben der Gemeinden, wie etwa dem Baurecht oder der Abhaltung von Wahlen. „Alleine das Veranstaltungswesen ist ein juristischer Hotspot“, so Scharmer. Auch der Brandschutz oder die Wegehalterhaftung würden immer wieder zu Problemen führen. Immer häufiger müssten sich Gemeinden mit zivil- und strafrechtlichen Fragen auseinandersetzen. „Eine Tiroler Gemeinde musste kürzlich Strafe zahlen, weil ein Kopfsteinpflaster im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Stolperfalle geworden war“, berichtete Scharmer.
Dem Befund Scharmers konnte Tirols Gemeindeverbands-Präsident Ernst Schöpf nur zustimmen: „Es sind nicht nur Stolperfallen, sondern riesige Löcher, die sich auftun. Wenn heute jemand am Gehsteig ausrutscht, dann ist die erste Frage gleich, wer schuld ist. Dass man zu blöd zum Gehen war, auf die Idee kommt man erst gar nicht.“
Lokale Ebene genießt das höchste Vertrauen
Roland Adrowitzer, jahrzehntelang in verschiedensten Funktionen beim ORF tätig, beleuchtete seine Erfahrung mit Gemeinden und kommunalen Verwaltungen. „Reagan, Thatcher oder Kohl haben sich nie über meine Berichterstattung beschwert. Beschwerden gab es nur auf lokaler Ebene“, berichtete er. Das sei auch logisch, denn sowohl Politik als auch Verwaltung sein in den Kommunen am unmittelbarsten spürbar. „Die Gemeinde ist verantwortlich für das Basisvertrauen in die Politik“, konstatierte Adrowitzer.
Dabei sei das Image der Gemeinden wesentlich besser als das aller anderen politischen Ebenen. Allerding werde – alle in den Gemeindeverwaltungen Tätigen wissen das – auch in den Gemeinden die Arbeit immer schwieriger. Grund sei auch hier das Thema Haftung, weil Menschen leichter bereit sind zu klagen.
Wenn Adressen zum Problem werden
Die Aufgaben der Gemeinden werden immer komplexer. „Dadurch kann leichter der Eindruck entstehen, dass die Arbeit nicht kompetent gemacht wird“, meinte Adrowitzer. Er brachte ein Beispiel aus der Sendung Bürgeranwalt: Im burgenländischen St. Martin an der Raab gibt es mehrere Ortsteile, in denen es jeweils eine Hauptstraße gibt. Wer hier eine konkrete Hausnummer sucht, kann bald ins Verzweifeln kommen. Besonders bei Notfällen kann das rasch problematisch werden, wenn etwa die Rettung zur falschen Adresse fährt.
Der Bürgermeister sah das Problem nicht, die Adresse müsse nur richtig angegeben werden. Ein Bürger, der das Problem an die Volksanwaltschaft herangetragen hatte, war anderer Ansicht. „Eine Diskrepanz zwischen Verwaltung und Bevölkerung.“
Verhältnis Bürgermeister – Amtsleiter entscheidet
Bürgermeister sind auf ihre Mitarbeiter angewiesen. Ohne Vertrauen geht es nicht. Es liege aber in der Natur der Sache, dass ein Politiker verändern will, ein Beamter, der das umsetzen muss, aber eher bewahren will.
„Ein guter Amtsleiter ist der ideale Sparringpartner für einen Bürgermeister. Ein Bürgermeister hat mir einmal einen Vergleich mit einem Unternehmen gezogen: Er, der Bürgermeister, sei der Aufsichtsrat, aber der Amtsleiter sei der Generaldirektor.
Shitstorms rauben Motivation
Dass immer weniger Menschen Nachrichten konsumieren, sieht Adrowitzer problematisch. Vor allem auch die Tatsache, dass viele sich nur mehr auf Social Media informieren.
Der frühere ORF-Journalist berichtete von einem Amtsleiter, der von jedem Baum, der gefällt werden muss, ein Bild auf Social Media stellt, zusammen mit einer Erklärung, warum der Baum umgeschnitten werden muss. Dies, um keinen Shitstorm zu ernten.
Die Angst vor Anfeindungen auf Facebook und Co. führt bereits dazu, dass Bürgermeister ihr Amt niederlegen. Adrowitzer brachte den Mitschnitt eines Gesprächs mit einem Bürgermeister, der aufgrund der immer aggressiveren Kritik sein Amt niedergelegt hat.
Zusammen mit dem derzeit grassierenden Personalmangel warnte Adrowitzer: Wenn es zu wenig Menschen gibt, die Arbeit machen wollen, dann können die Gemeinden ihre Aufgaben nicht mehr machen.
Den immer aggressiveren Ton kritisierte auch FLGÖ-Bundesobmann Franz Haugensteiner. „Ich möchte einmal erleben, dass eine Partei etwas gut findet, das eine andere Partei vorschlägt.“
Zum Autor: Helmut Reindl ist Redakteur beim Kommunalverlag