Eine transparente, öffentliche Verwaltung gehört heute zum guten Ton. Die europäischen Institutionen, EU-Kommission, Parlament und auch der Rat zeigen es vor. Die Fülle an verfügbaren Dokumenten, live übertragenen oder aufgezeichneten Sitzungen und öffentlichen oder gezielten Konsultationen erschlägt einen fast. Konsultationen, Folgenabschätzungen, Kommissionsvorschlag, Ratsarbeitsgruppen, parlamentarische Ausschüsse, Stellungnahmen der beratenden Organe, Lobbyistentreffen, Einigung, Abstimmung, Veröffentlichung im Amtsblatt. All diese Schritte des EU-Gesetzgebungsprozesses kann man sehr genau nachvollziehen, wenn man sich durch tausende Seiten Papier lesen oder hunderte Stunden an Videomaterial sichten möchte.
Der Wert für die breite Öffentlichkeit ist wahrscheinlich gering, aber dennoch ist es wichtig, dass Prozesse nachvollziehbar sind. In der aktuellen Debatte über das Informationsfreiheitsgesetz wird Österreich immer wieder als Nachzügler Europas dargestellt und die Gemeinden als Verhinderer. Dies erstaunt insofern, als es schon jetzt zahlreiche Plattformen gibt, die Einblicke in Fördergeschehen, Gemeindebudgets, Gemeindepolitik u.v.m. geben. Auch im E-Government sind wir nicht schlecht. Das digitale Amt zählt sicher zu den besten in der EU, neben anderen Anwendungen können selbst Grundbuchsabfragen online abgewickelt werden.
Dass sich Kritik an Versäumnissen und Mängeln aufhängt, ist verständlich. Dass Kritiker aber scheinbar selbst wenig Ahnung davon haben, welche Verpflichtungen Gemeinden anderswo treffen, zeugt von einer gewissen Kurzsichtigkeit.
Kommunale Veröffentlichungs- und Transparenzerfordernisse im Vergleich
Eine Kurzumfrage unter europäischen Kollegen zeigt nämlich kein einheitliches Bild, wie und wo Gemeinden Zugang zu Dokumenten gewähren müssen. Interessant ist auch, dass vorwiegend Verbände aus Ländern geantwortet haben, wo die Durchschnittsgemeinde fünfstellig ist, also jenseits der jetzt vorgeschlagenen 5.000 Einwohnergrenze in Österreich. Ausnahme hier die belgische Region Wallonie und Deutschland.
Pro-aktive Veröffentlichung wo?
Die Veröffentlichung bzw. Verlinkung fast aller Dokumente („Information von allgemeinem Interesse“ ist ein äußerst schwammiger Begriff und wird in anderen Ländern nicht verwendet) auf einem zentralen Onlineportal gibt es eigentlich nirgendwo. Wenn zentrale Transparenzplattformen von den Gemeinden genutzt werden müssen, gibt es klare gesetzliche Vorgaben, welche Arten von Information und Dokumente damit zu verlinken sind. In den Niederlanden trat 2022 ein umfassendes Transparenzgesetz in Kraft, die Ausführungsgesetzgebung zur Definition der auf der zentralen Onlineplattform zu veröffentlichenden Dokumente steht jedoch noch aus. Auch Spanien ist ein Vorreiter bei staatlicher Transparenz, die Gemeinden fallen aber in die Kompetenz der Regionen, weshalb auch das zentrale spanische Transparenzportal nicht zu Inhalten der Gemeinden verknüpft. Hier wird man eher bei den autonomen Regionen, am besten aber auf den Webseiten der einzelnen Gemeinden fündig.
Estland darf nicht vergessen werden, wenn es um Digitalisierung und Transparenz geht. Eine zentrale Transparenzplattform gibt dort Einblick in 32 Tatbestände öffentlichen Handelns. In diesen Bereichen müssen alle öffentlichen Stellen, von der Gemeinde bis zur Zentralverwaltung Dokumente verlinken, für Gemeinden betrifft dies beispielhaft alle Entscheidungen mit Legislativ- oder Verordnungscharakter. Aber auch hier: Die Tatbestände für die zentrale Plattform sind klar definiert, alles Weitere wird auf eigenen Kanälen kommuniziert.
Die Gemeindehomepage scheint generell zentrale Plattformen auszustechen. In Ländern wie Belgien, England, Finnland, Frankreich oder Schweden ist sie das Kommunikations- und Transparenzmedium Nr. 1. Welche Dokumente unter die pro-aktive Transparenzpflicht fallen, ist meist gesetzlich geregelt. Der Zugang zu sensibleren Dokumenten muss individuell beantragt werden. Hier gibt es maximale Bearbeitungsfristen, mancherorts Gebühren und nur selten Ausschlussgründe.
Das beschreibt auch ganz gut die Situation in Deutschland. Das dortige Informationsfreiheitsgesetz regelt individuelle Anträge, die binnen eines Monats zu bearbeiten sind und für die, sofern es sich nicht um einfache Auskünfte handelt, Gebühren erhoben werden können. Transparenz- oder Informationszugangsgesetze gibt es – nicht flächendeckend – in den meisten Bundesländern. Pro-aktive Veröffentlichungspflichten treffen dann jedenfalls die Landesverwaltungen, für die Gemeinden gibt es keine einheitliche Regelung.
Und in der belgischen Wallonie, mit vielen kleinen und ländlich geprägten Gemeinden sind Tagesordnungen, Protokolle und Beschlüsse von Gemeinderatssitzungen auf den Gemeindewebseiten zu veröffentlichen, der Zugang zu anderen Dokumenten ist explizit zu beantragen.
Im EU-Vergleich zeigt sich: Die zentrale Transparenzplattform, die auch kommunale Angelegenheiten umfasst, ist nicht gang und gäbe. Was relevante Dokumente und/oder Informationen von allgemeinem Interesse sind, wird üblicherweise taxativ aufgezählt. Individuelle Informationsgesuche gibt es auch bei höchsten Transparenzstandards weiterhin. Und von allen Kollegen hört man, dass Transparenz, einmal etabliert, zum Selbstläufer wird. D.h. Gemeinden veröffentlichen freiwillig über die gesetzliche Verpflichtung hinaus – einfach und ohne Umwege auf ihren Homepages.
Klingt irgendwie bekannt…
Außerhalb der EU könnte man übrigens noch England als Transparenzvorreiter nennen. Der seit 2015 in Kraft befindliche „Local Government Transparency Code“ hat den englischen Kommunalverband dazu veranlasst, einen 18-seitigen Leitfaden herauszugeben. Was hier hervorsticht: Die Transparenzvorschriften betreffen vor allem das Finanzgebaren der Councils, Vergabeverfahren, Dienstleistungsaufträge, Gehälter im höheren Dienst, jede Ausgabe über 500 Pfund. Andere Informationen fallen unter den Freedom of Information Act, sind also explizit anzufordern.
Fazit: Transparenz kann nur funktionieren, wenn alle öffentlichen Einheiten gehört werden und mit eindeutigen Regeln gearbeitet wird. Die zentrale Ebene muss Vorreiter sein und die untergeordneten Einheiten unterstützen. Ein Blick über den Tellerrand könnte auch jetzt noch hilfreich sein.
Über die Autorin: Daniela Fraiss ist Leiterin des Brüsseler Büros des Österreichischen Gemeindebundes.
Glosse: Der Vergleich macht sicher
Begriffe wie Mogelpackung und Augenauswischerei sind gefallen. Österreich wäre weiterhin Schlusslicht in Sachen Transparenz war zu hören und zu lesen. Alles von Leuten, die entweder den Gesetzestext nicht gelesen haben, ihn nicht verstanden haben oder bewusst nicht verstehen wollten. Im Übrigen auch von Leuten, von denen man es allein ihrer Profession wegen nicht erwarten würde.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ein Blick über den Tellerrand, anders gewendet ein Blick über die Grenzen Österreichs zeigt ein anderes als jenes Bild, das auf Grundlage des nunmehr vorliegenden Gesetzesentwurfs gezeichnet wurde. Mitnichten ist es so, dass Österreich „im Transparenzranking“ in den hinteren Rängen zu finden sein wird. Mit diesem Gesetz wird ein Meilenstein gesetzt, der der Intention dieses Gesetzes gerecht werdend die Information zur Regel und die Geheimhaltung zur Ausnahme macht.
Dass mit dem was vorliegt nicht alle zufrieden sind, ist realpolitisch als Selbstverständlichkeit zu werten. Und doch werden mit diesem Entwurf das Recht auf Information gestärkt, die Transparenz staatlichen Handelns erhöht, zugleich Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gewahrt und die Bürokratie (zumindest in kleineren Gemeinden) im Zaum gehalten. Im Ergebnis ist es ein Drahtseilakt, der einem internationalen Vergleich sehr wohl standhält.
(Bernhard Haubenberger ist Fachreferent für Recht und Internationales im Österreichischen Gemeindebund)