Aus Gemeinden „Smart Cities“ oder „Smart Villages“ zu machen, ist ein Mittel, um sie als Wohn- und Arbeitsorte attraktiv zu machen. Warum scheitert aber manchmal die Umsetzung von intelligenten Konzepten? Und was kann man dagegen tun?
Städte „smart“ zu machen, gilt seit einigen Jahren als probates Mittel, um den Lebensraum im dichtverbauten Gebiet lebenswerter zu gestalten. Weltweit gibt es dafür zahlreiche Beispiele. In Wien ist die Seestadt Aspern ein häufig zitiertes Vorbildprojekt.
Erfahrungen, die man in Großstädten gemacht hat, lassen sich jedoch nicht immer auf kleinere Gemeinden umlegen. Vor allem wenn es eben um die Verwendung aufwändiger Technologien geht. Doch nur acht der 2.096 österreichischen Gemeinden haben mehr als 50.000 Einwohner. Ist das Smart-City-Konzept hierzulande also gar nicht umsetzbar?
Nein, meinen Expertinnen und Experten, denn strukturelle Nachteile des ländlichen Raumes können gerade durch Digitalisierung ausgeglichen werden.
Smarte Regionen entstehen
Je größer die Entfernung zur nächsten großen Stadt ist, umso aufwändiger gestaltet sich für die Menschen der Zugang zu Verwaltungs- und medizinischer Infrastruktur, zu höherer Bildung, sozialen Einrichtungen sowie zu verschiedensten Dienstleistungen. Um das Leben auf dem Land attraktiv zu halten, ist es daher wichtig, den Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen auch abseits der großen Städte zu ermöglichen. Smarte Lösungen können das in vielen Fällen leisten.
Lokale Ressourcen und Potenziale können optimal genutzt werden, wenn kleine Smart Cities oder Smart Villages ihre intelligenten Lösungen mit denen benachbarter Städte verknüpfen.
Dass der Ausbau der digitalen Infrastruktur ein Hebel für regionale Entwicklung ist, zeigt auch der kürzlich veröffentlichte Österreichische Infrastrukturreport 2022. Demzufolge ist eine moderne Infrastruktur für 63 Prozent der befragten Manager die wichtigste Größe für einen Wirtschaftsstandort. Im Jahr 2007 war das nur für 29 Prozent der Befragten der Fall gewesen.
Es mangelt oft an Kommunikation
Ein nicht genannt werden wollender Vertreter eines Unternehmens, das Internet-of-things-Anwendungen (IoT) anbietet, meint jedoch, dass Gemeinden nicht gerade Innovationstreiber in diesem Bereich sind – sei es aus Angst vor Kosten oder weil man meint, dass Innovationen von der Bevölkerung ohnehin nicht honoriert werden.
Gemeindevertreter kritisieren wiederum andererseits, dass die Digitalisierung von Infrastrukturen primär eher angebotsgetrieben als nachfrageorientiert ist. Es werden also vor allem Lösungen angeboten, die den jeweiligen Unternehmen Geld bringen als solche, die Probleme der Gemeinden und ihrer Einwohnerinnen und Einwohner lösen.
Es ist aber nicht immer nur reines Profitstreben, das die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Kommunen behindert: Die Anbieter von „smarten“ Lösungen wissen einfach oft nicht, was Gemeinden wirklich brauchen. Hier wäre Kommunikation oft enorm zielführend.
Dabei wäre eine enge Kooperation enorm wichtig, denn kleine Gemeinden verfügen nur in eingeschränktem Maße über technische Ressourcen. Daher ist es naheliegend, Aufgaben auszulagern. Public Private-Partnerships (PPPs) sind in diesem Fall eine Möglichkeit, um Smart City-Programme betreiben zu können.
Smarte Innovationen
Im Mittelpunkt smarter Innovationen stehen oft Messungen und das Erheben von Daten. So gibt es etwa Sensoren, die nicht nur die Menge in einem Müllbehälter messen können, sondern sogar die Qualität des Abfalls erfassen. Auch für den Winterdienst gibt es Möglichkeiten, die Oberflächentemperatur einer Straße zu messen und dann gleich direkt die nötige Salzmenge errechnen zu lassen.
Großes Potenzial gibt es bei Datenbankinteraktionen. Etwa IoT-Systeme, die es ermöglichen, dass ein neuer Bauakt automatisch gescannt wird und Vorbereitungen für die Begutachtung gemacht werden. In weiterer Folge können dann etwa die Kanalverrechnung und die Wasseranschlussberechnung durchgeführt, abgelegt und an den Wasser- und Abwasserverband weitergeleitet werden.
Ein reiches Anwendungsfeld für smarte Lösungen ist die Interaktion von Bürgern und Gemeinde. Viele Gemeinden bieten schon Apps, mit denen man Probleme oder Missstände melden kann. Danach spießt es sich aber oft, weil es an der Integration in die Arbeitsbeauftragung mangelt. Auch an Rückmeldungen, wenn das Problem gelöst ist, hapert es meistens. Hier besteht noch reichlich Entwicklungspotenzial.
Woran es manchmal hakt
„Es zeigt sich immer wieder, dass Einzellösungen oft perfekt funktionieren, aber an der Integration in bestehende Systeme scheitert es dann“, meint auch Johannes Pressl, Bürgermeister von Ardagger und Präsident des NÖ Gemeindebundes.
So ist in Niederösterreich derzeit eine Energieausweis- und Anlagendatenbank in Ausarbeitung, um den mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien nötigen Kesseltausch verwalten zu können. Dabei gibt es bereits die Gebäude- und Wohnungsregisterdaten (GWR) in den Gemeinden. „Es ist nicht effizient, dass man wegen jeder neuen Anwendung immer wieder alles neu eingeben muss“, meint Pressl.
Innovative smarte Projekt müssen oft gemeinsam mit der Wissenschaft umgesetzt werden. „Das ist sehr zeitaufwändig, und für Gemeinden, die theoretisches Arbeiten nicht gewohnt sind, sondern schnell ins Tun kommen wollen, ist das ungewohnt. Auf dem langen Weg verlieren viele die Lust“, meint Reinhard Haider, Amtsleiter im oberösterreichischen Kremsmünster und „Digitalisierungs-Papst“ unter Österreichs Gemeindemitarbeitern.
Qualifizierung für die Digitalisierung
Ein weiteres Problem ist, dass die neuen Möglichkeiten oft sehr komplex sind und Laien sie nicht verstehen. „Es braucht Spezialisten, die einerseits die Vielfalt der technischen Möglichkeiten kennen, die sich andererseits aber auch in der Welt der Gemeinden auskennen“, meint Johannes Pressl. Diese Personen sind derzeit noch rar gesät. „Es ist wichtig, Ausbildungsangebote in diesem Bereich zu schaffen. Und vor allem ist Weiterbildung unumgänglich, weil die Entwicklung enorm rasch weitergeht und man nicht stehen bleiben darf!“, stellt Pressl klar.
Und noch etwas ist ihm wichtig: „Als Voraussetzung brauchen wir die schnellen Netze!“ Ohne leistungsfähiges Breitband und den Ausbau von 5G gibt es keine Digitalisierung. Und hier besteht noch reichlich Potenzial.
„Smart“ heißt nicht nur Technologie
In einer Smart City sollen Bewohner sowohl mit Öffis als auch zu Fuß, mit dem Rad oder – bedingt – mit dem Auto effizient unterwegs sein. Sauber soll sie sein, nicht zu laut und nicht zu hell. Wirtschaftlich attraktiv ist sie ebenso, wie sie verschiedenen Lebensentwürfen Raum gibt. Und vor allem sollen alle Bewohner mitreden und -bestimmen können.
Der Weg zu dieser Utopie führt natürlich oft über die Anwendung moderner Technologien. „Aber es gibt ganz viele nichtdigitale smarte Ideen“, sagt Nathalie Klauser Stübi, Co-Präsidentin der in Basel beheimateten Smart City Alliance. Als Beispiel nennt sie das partizipative Budget, das die brasilianische Stadt Porto Alegre schon 1988 eingeführt hat – lange bevor jemand über Sensoren in Gehsteigen sprach. Die Grundidee, die Einwohnerinnen und Einwohner über das Budget der damals finanziell stark angeschlagenen Stadt mitentscheiden zu lassen, machte Schule: Heute gibt es weltweit tausende Gemeinden, in denen Bürger mitentscheiden dürfen, wohin ihr Geld fließt.
Helmut Reindl
Über den Autor: Helmut Reindl ist Redakteur bei KOMMUNAL und Chefredakteur der NÖ Gemeinde.