Mit einem „Tinder-Match“ zum neuen Job bei der Stadtverwaltung – das ist jetzt in Heidenheim im deutschen Baden-Württemberg möglich. Seit kurzem sucht die Stadt nämlich auf Tinder unter einem eigenen Profil mit dem Namen „Heide N. Heim“ nach neuen Mitarbeiter:innen.
Das ist Teil einer breit angelegten Personalbeschaffungs-Kampagne mit ernstem Hintergrund: „Wir haben massive Probleme, Bewerber für unsere 20 Ausbildungs- und Studienberufe zu finden“, erklärte der Pressesprecher der Stadt Heidenheim, Stefan Bentele. Für manche Stellen habe sich seit Jahren niemand mehr beworben. In einer Stadt mit knapp 49.000 Einwohner:innen sind gute Angestellte für einen funktionierenden Stadtbetrieb lebensnotwendig. Obwohl die Stadt viele Ausbildungsplätze bietet, kommen immer weniger Interessenten. So sei die Zahl der Bewerbungen für eine Ausbildung zu Verwaltungsfachangestellten in den letzten fünf Jahren um zwei Drittel zurückgegangen, erzählt etwa die städtische Ausbildungsleiterin Veronika Abt. Die neue Kampagne soll Abhilfe schaffen.
Kreative Personalsuche verspricht sich Erfolg
Neben Tinder werden auch andere Plattformen bedient, wie etwa Instagram oder Tik Tok, wo in kurzen Videos der Arbeitsalltag eines bestimmten Berufes in der Stadtverwaltung vorgestellt wird. Das Thema Liebe zieht sich durch die gesamte Kampagne – die trägt passend den Titel „Aus Liebe zum Job“, und startete selbstverständlich am Valentinstag
So wirbt man bei den städtischen Bäderbetrieben mit „chlorreichen Aussichten“ und der Stadtgärtner Leon prahlt humorvoll damit, mehr Rosen als der Bachelor zu verteilen. Mit diesen humorvollen Anspielungen will man junge Menschen ansprechen und Jobsuchenden die schönen Seiten der Arbeit bzw. das positive Arbeitsklima in der Stadt Heidenheim schmackhaft machen. Und das hat Erfolg: Das Video des Gärtners ging „viral“ und die offene Stelle in der Stadtgärtnerei konnte daraufhin nachbesetzt werden.
Auch ein „Blind-Dating“ ist geplant, dabei sollen Interessierte sich mit Vertreter:innen der unterschiedlichen Fachbereiche austauschen und vernetzen können. Schon in der Vergangenheit glänzte Heidenheims PR-Abteilung mit kreativen Ideen: So wurde 2019 ein eigener Rap-Song veröffentlicht, um dem Vandalismus im öffentlichen Bereich zu begegnen und mehr Bewusstsein zu schaffen. Dafür kooperierte die Stadt mit dem Musiker Philip Matas, der selbst aus Heidenheim stammt – entstanden ist ein professionelles Musikvideo mit dem Titel „Meine City“. Seit mehreren Jahren beschäftigt die Stadt auch eine eigene Influencerin, die den Heidenheimer Instagram-Account bespielt. Nebenher rennen klassische Kampagneninstrumente wie etwa Plakate auf Bussen.
Für alle Gemeinden denkbar?
Angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels wird auch in Österreichs Gemeinden händeringend nach Mitarbeiter:innen gesucht. Auch wenn die Lösung wohl größere strukturelle Reformen brauchen wird, können kreative Kampagnen wie jene in Heidenheim helfen, den kurzfristigen Folgen des Personalmangels zu begegnen. In der Fachsprache nennt sich diese Art der Personalbeschaffung „Social Recruiting“. Der Hintergedanke ist, als Arbeitgeber dort hinzugehen, wo sich die Bewerber:innen aufhalten – also auf Instagram und Co. Nicht nur Heidenheim, sondern auch andere Gemeinden nutzen mittlerweile soziale Medien, um neue Mitarbeiter:innen anzusprechen.
Es besteht jedoch ein Unterschied, ob man ein Bild der offenen Stellenanzeige auf den unterschiedlichen Kanälen von Gemeindezeitung bis Instagram teilt, oder ob man sich eigens für die sozialen Medien ansprechende Formate überlegt: So macht es beispielsweise auch Biberach in Oberschwaben, wo auf Instagram in sogenannten „Reels“ – 15 Sekunden langen Kurzvideos – Mitarbeiter:innen der Kinderbetreuungseinrichtungen prägnante Aspekte ihres Arbeitsalltags vorstellen, gefolgt von direkten Ansprachen an potenzielle Bewerber:innen. Die Videos sind lebendig und sprechen junge Menschen an.
Voraussetzung: Authentizität und Imagearbeit
Der Tipp aus Erfahrungsberichten: Die Videos sollten authentisch und nicht „gestellt“ sein, sonst erzielen sie womöglich noch den gegenteiligen Effekt. Die Social Media-Expertin der Stadt Heidenheim, Julia Habla betont auch, dass beim Social Recruiting vor allem die Arbeit am Image im Vordergrund steht. Ein Gemeindejob hat heutzutage leider einen etwas verstaubten Ruf – das müsse man aufbrechen, so Habla. Ein „cooler“ Auftritt auf beispielsweise Tik Tok bricht mit gängigen Stereotypen und macht die Gemeinde als Arbeitgeber attraktiver. Wichtig ist, mit der Social Media-Arbeit jene Mitarbeiter:innen zu betrauen, die davon eine Ahnung haben.
Alles in allem kann es also nicht schaden, wenn Gemeinden bei der Personalsuche auch einmal mit kreativen Lösungen wie Social Media „flirten“, solange bestimmte Dinge beachtet werden.
Quelle: WIR KOMMUNALEN, die:gemeinde