Wie kann man die eingebrachten Lösungsvorschläge und die aufgebrachten Problemfelder nun in der Praxis angehen? Die hochkarätige Expertenrunde war sich einig: Es braucht den Mut zur Fehlerkultur und die Diskussion muss nun endlich auf die nächste Ebene gehoben werden.
Das Finale der Kommunalen Sommergespräche bildet traditionell die Diskussion. Die Expertenrunde bestehend aus Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm, Gesundheitsökonom Gottfried Haber, Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker, Genforscher Markus Hengstschläger und Gemeindebund-Präsident Bgm. Alfred Riedl war sich einig, dass nur eine mutigere Fehlerkultur neue Lösungen in der Debatte rund um ein würdiges Altern hervor bringen kann.
Gemeinden als Einheit der Lösungen
Egal, ob es sich um den Landärztemangel, die Schwierigkeiten in der Betreuung oder die Pflegeheimsituation dreht, vor Ort werden die Lösungen verlangt. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssen Lösungen suchen und finden. Sie werden im Suchen dieser Lösungen aber oft allein gelassen bzw. ihnen die Verantwortung und Lösungssuche für Probleme aufoktroyiert, die es ohne Entscheidungen der anderen staatlichen Ebenen nicht gäbe.
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl pochte in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bund stärker berücksichtigen müsse, dass er auch die Kostenfolgen seiner Entscheidungen trage: „Wer anschafft, der soll auch zahlen. Wir dürfen aber bei der Diskussion rund um das Altern und die Pflege auch nicht auf eine generationenübergreifende Wahrnehmung vergessen.“
Anselm: „Lokale Spielräume sind eng“
Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm wies darauf hin, dass sie in ihrer Organisation vor allem auf zwei Ebenen operiert: „Wir sind gemeinsam mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern an der Front. Es ist viel Bewusstsein auf Gemeindeebene vorhanden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Am Ende wird aber deutlich, wie eng der finanzielle Spielraum tatsächlich ist. Daher steht im Zentrum, die lokalen Angebote, die es bereits gibt, bestmöglich zu vernetzen. Auf Ebene der Länder geht es vorrangig um das Verhandeln der Tarifkontingente.“ Anselm bemängelt aber auch, dass viele lokale und regionale Initiativen unmöglich werden, weil die Regularien so eng gesteckt sind.
Hacker: „Land und Stadt vielmehr Schnittmengen als vermutet“
Wiens Sozial- und Gesundheitsstadt Peter Hacker war nicht nur als Experte in der Diskussion, sondern auch als einfacher Besucher der Kommunalen Sommergespräche dabei: „Ich bin mit viel Neugierde hergekommen, weil ich in dem Pflegethema seit 17 Jahren tätig bin und wissen wollte, wie Bürgermeister von kleinen und mittleren Gemeinden dieses Thema wahrnehmen. Wir haben so unglaublich viele gleiche Probleme und Sichtweisen. Mehr, als ich vorher geahnt habe. „Er streckte in der Diskussion auch gegenüber den Gemeinden die Hand aus, hier in den Verhandlungen noch enger zu kooperieren. Außerdem betonte er, wie wichtig es ist, die lokalen Best-Practice-Beispiele besser zu vernetzen.
Kritisiert hat er die Statistik zur demografischen Entwicklung: „Es gibt zwar verhältnismäßig mehr ältere Menschen, die nicht mehr aktiv etwas für die Finanzierung der Sozialsysteme beitragen. Gleichzeitig stehen aber nun auch viel mehr Frauen aktiv im Erwerbsleben. Das war vor einigen Jahrzehnten nicht so.“
Hengstschläger plädiert für Flexibilität bei Lösungssuche
„Viele der Themen, die wir nun diskutiert haben, wird man so in Zukunft nicht mehr diskutieren können, weil die Voraussetzungen ganz andere sind“, brachte Markus Hengstschläger in die Diskussion ein. Es brauche daher nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft die entsprechende Flexibilität, um auf aktuelle Probleme angemessen reagieren zu können.
Riedl: Entscheidungsträger müssen endlich an einen Tisch
Für den Gemeindebund-Präsidenten fehlt es auf kommunaler Ebene weniger am Mut, neue Lösungen zu finden, sondern vielmehr an der gemeinsamen Kraftanstrengungen aller staatlichen Ebenen: „Ich fordere das seit unserer 70-Jahr-Feier des Gemeindebundes im März: Wir diskutieren hier auf gesellschaftlicher Ebene, aber es müssen endlich die Entscheidungsträger an einen Tisch. Wir müssen auf der gesamtstaatlichen Ebene zu einer Lösung kommen, denn die momentane macht die teuerste Lösung zur billigsten und geht an den Wünschen der Betroffenen vorbei.“
Er nimmt aus den drei Tagen vier Punkte bzw. Arbeitsaufträge mit: Erstens Projekte, die es auf lokaler Ebene bereits gibt, sichtbar zu machen und von Profis sammeln zu lassen, zweitens mehr Unterstützung, um in Österreich eine Fehlerkultur zu etablieren, drittens für die Hilfe zur Selbsthilfe auch über die Adaptierung der rechtlichen Rahmenbedingungen nachzudenken und viertens eine Diskussion über die Anrechenbarkeit von Pflegeleistungen nach dem Vorbild der Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten zu beginnen.
Haber: Pflegeleistungen für Pensionskonto anrechenbar machen
Gesundheitsökonom Gottfried Haber könnte sich bei der Anerkennung von Pflegeleistungen sogar einen Beitrag auf dem Pensionskonto vorstellen. Hinsichtlich der Fehlerkultur steuert Haber bei, dass hier auch die öffentliche Hand gefragt sein wird. „Man wird dafür private Mittel mobilisieren können, aber man braucht dafür einen öffentlich finanzierten Kern, weil es sich ja um eine öffentliche Aufgabe handelt“, so Haber. Offen kommuniziert werden müsse, dass bei einem entsprechenden Fonds mindestens zehn Prozent der Projekte auch nicht erfolgreich sein können.