4.2.2016 – Mit 38 Jahren Amtszeit ist Sellrains Bürgermeister Norbert Jordan Rekordhalter. Nun überlässt er das Feld der nächsten Generation. Er teilt mit uns das Geheimnis seines Erfolgs und seine persönlichen Highlights der letzten vier Jahrzehnte.
Norbert Jordan ist bereits seit 38 Jahren Bürgermeister von Sellrain, einer Gemeinde mit 1.330 Einwohnern in Tirol. Damit ist er Österreichs längst dienender, aktiver Bürgermeister. Der 72-Jährige war mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens Bürgermeister. Nach fast vier Jahrzehnten geht mit den kommenden Gemeinderatswahlen in Tirol eine „Ära“ vorbei. Jordan bilanziert die Zeit, die er im Amt war, positiv.
Es hat sich viel getan
Seit Jordan 1977 gewählt wurde, hat sich in seiner Gemeinde viel getan. „Damals hatte die Hälfte der Bürger noch keine Zufahrt zum Haus und die Wasserversorgung war im Argen,“ erinnert sich Jordan. Und auch sonst gab es zahlreiche Probleme, die man von Grund auf anpacken musste. Sein erstes Projekt als frischgewählter Ortschef war die Errichtung des Kindergartens. 30 Jahre später steht nun wieder eine Erweiterung desselben an, unter anderem weil man das Angebot zeitgemäß anpassen musste, und es jetzt auch eine Krabbelstube und Nachmittagsbetreuung gibt.
Am wichtigsten findet er selbst seine Bemühungen für die Umwelt, hier vor allem die Kanalisation. In nur drei Jahren von 1995 bis 1998 wurde die Kanalisation in der weit verzweigten Gemeinde vervollständigt. In etlichen weiteren Bereichen engagierte sich der Bürgermeister für Sellrain, so zum Beispiel durch die Eröffnung eines Musikpavillons und seine Vorreiterrolle in der regionalen Altenbetreuung, die von sieben Gemeinden gemeinsam organisiert wird.
Das Geheimnis seines Erfolgs
Jordans Wirken als Bürgermeister war offensichtlich zur großen Zufriedenheit der Bürger, nicht umsonst wurde er immer wiedergewählt. Was ist das Geheimnis seines Erfolgs? „Damals in den 1970er Jahren war ich der einzige, der so einen bürgernahen Zugang hatte. Ich war von Anfang an volksnah.“ Das ist für ihn auch das Wichtigste – mit den Bürgerinnen und Bürgern zu reden, ihre Probleme anzuhören, und sie nach bestem Wissen und Gewissen zu lösen. „Überall, auf der Straße, oder wann immer man zusammenkommt, habe ich meine Fühler ausgestreckt und mit den Leuten diskutiert. Auch wenn sich die Zeiten und Aufgaben ändern, wie man an sie rangeht, bleibt gleich. Es geht darum, die Grundbedürfnisse der Bürger zu befriedigen, von der Wiege bis zum Grab.“
Eine Katastrophe und viele schöne Momente
Dass er sich die Anliegen der Gemeinde zu Herzen nimmt, merkt man daran, dass er sich noch genau an alles erinnert, was in der langen Zeit passiert ist – bis hin zu den exakten Jahreszahlen. Das einprägsamste und tragischste Ereignis ist ihm allerdings noch ganz frisch im Gedächtnis. Im Juni 2015 wurde Sellrain von einer Hochwasserkatastrophe getroffen, in der Murenabgänge riesige Schäden verursachten. „Das war wirklich schlimm, da hat's mich richtig gebeutelt. Zum Glück ist der Katastrophenschutz in Österreich sehr gut. Es ist eigentlich erstaunlich, wie viel schon jetzt in der kurzen Zeit wieder saniert werden konnte.“
Daneben gab es aber auch viele schöne Momente, in denen die Gemeinde Grund zu feiern hatte, wie etwa die Errichtung des eigenen Feuerwehrhauses im Jahr 1987. „Ich selbst bin aber nicht so sehr ein Mann der Feierlichkeiten“, meint Jordan lachend. Vielmehr ist er ein Mann der Arbeit. Als Landwirt war er immer vielbeschäftigt und von früh bis spät auf den Beinen. Sein Lebenswandel hat sich durch die Wahl zum Bürgermeister nicht grundlegend geändert, obwohl nun viele zusätzliche Termine wahrzunehmen waren. Diese Arbeit hat ihn aber nie belastet.
Ein Blick in die Zukunft
Über die Zukunft Sellrains nach seiner Zeit hat er sich schon viele Gedanken gemacht. Er hofft, dass sein Wunschkandidat, der 27-jährige Benedikt Singer, bei den kommenden Wahlen im Februar die Nachfolge antritt. Der mehr als die Hälfte jüngere Kandidat würde gemeinsam mit den Listenkollegen die Arbeit in seinem Sinne gut weiterführen, ist sich Jordan sicher. Die oberste Priorität für Sellrain haben aus seiner Sicht der Erhalt der Umwelt und die Gestaltung des Lebensraums für die Bürger. „Die Gemeinde ist eine der ärmsten Tirols. Geld für Projekte aufzustellen, war immer schwierig. Aber ich hoffe, dass wir jetzt an einem Punkt sind, wo wir das Gemeindeleben auf viele Arten verbessern können, zum Beispiel indem man Sportmöglichkeiten einrichtet.“
Zeit für die Familie und das Lieblingshobby
Die Belange der Gemeinde werden ihm auch in Zukunft noch nahe gehen. Doch Jordan selbst will jetzt seinem Privatleben Priorität geben. Mit sechs Kindern und neun Enkeln wird er „auf jeden Fall auf Trapp gehalten,“ schmunzelt er. Seine Kinder sind zwar teilweise 'ausgeflogen', aber alle noch greifbar. Er wird weiterhin – jetzt ohne Zeitdruck – seinem Brotberuf als Landwirt nachgehen und dabei den ältesten Sohn am Hof unterstützen. Außerdem freut er sich, dass er nun mehr Zeit für sein liebstes Hobby haben wird: Das Jagen.