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NÖ: Wer bei der Vergabe das Sagen hat

Niederösterreichische Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im beträchtlichen Ausmaß und zählen somit zu den größten öffentlichen Investoren in Österreich. Das Vergaberecht ist aber kompliziert und darf nicht ohne Berücksichtigung der NÖ Gemeindeordnung angewendet werden. Andernfalls kann die gut vorbereitete und durchgeführte Vergabe der Gemeinde großes Ungemach bereiten.

Komplexe Rollenverteilung: Wer hat was zu sagen?

Bei der Vergabe eines Auftrages vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen und hat dabei die Beschlüsse des Gemeinderats und Gemeindevorstands zur Durchführung eines Vergabeverfahrens zu vollziehen. Er nimmt demnach eine zentrale Rolle bei der Auftragsvergabe ein, wobei er aber stets die in §§ 35 ff NÖ GO enthaltenen Kompetenzen der Gemeindegremien zu beachten hat.
  • Der Gemeindevorstand ist im Rahmen des Voranschlages dabei zunächst für die Vergabe von Aufträgen zur Durchführung von Bauvorhaben bis zu dem Gesamtwert von 100.000 Euro zuständig (§ 36 Abs. 2 Z 4 NÖ GO). Der Gemeindevorstand ist im Rahmen des Voranschlages weiters auch für die Vergabe von Leistungen (Herstellungen, Anschaffungen, Lieferungen und Arbeiten) zuständig, wenn der Wert in der Gesamtabrechnung oder bei regelmäßig wiederkehrenden Vergaben und bei Dauerschuldverhältnissen der Jahresbetrag 0,5 Prozent der Erträge des Ergebnisvoranschlages, höchstens jedoch 100.000 Euro nicht übersteigt (§ 36 Abs. 2 Z 2 NÖ GO).
  • Der Gemeinderat wiederum ist im Rahmen des Voranschlages für die Vergabe von Leistungen zuständig, wenn der Wert in der Gesamtabrechnung oder bei regelmäßig wiederkehrenden Vergaben und bei Dauerschuldverhältnissen der Jahresbetrag 0,5 Prozent der Erträge des Ergebnisvoranschlages (ausgenommen davon sind Bauaufträge bis 100.000 Euro die weiterhin dem Gemeindevorstand obliegen) oder 100.000 Euro übersteigt (§ 35 Z 22 lit. f NÖ GO).
  • Der Bürgermeister ist hingegen im Rahmen des Voranschlages für die Vergabe von Leistungen der laufenden Verwaltung (Büromaterial, geringwertige Wirtschaftsgüter etc.) betraut.
  • Sofern eine Ausgabe (und somit eine Auftragsvergabe) gänzlich oder der Höhe nach nicht im Voranschlag berücksichtigt wurde, ist der Gemeinderat gemäß § 35 Z 20 NÖ GO für die Bewilligung außerplanmäßiger oder überplanmäßiger Mittelverwendungen (§ 67 Z 4 NÖ GO) sowie von Zweckänderungen der veranschlagten Mittelverwendungen und der Bestimmung der Deckungsfähigkeit von Mittelverwendungen zuständig.

Die Zuständigkeit zur „Vergabe“ umfasst dabei jedenfalls die Beschlüsse über die Durchführung (bzw. deren Beauftragung) eines Vergabeverfahrens sowie die Zuschlagserteilung. Nach § 2 Z 50 BVergG 2018 ist nämlich die Zuschlagserteilung (der Zuschlag) die an die Bieter abgegebene schriftliche Erklärung, sein Angebot anzunehmen, womit in aller Regel zugleich das Vertragsverhältnis zustande kommt.

Das heißt, dass zur Rechtsverbindlichkeit einer Zuschlagserteilung (= Abschluss des Vertrages) jedenfalls ein Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans erforderlich ist. Erfolgt dies nicht, liegt kein rechtsgültiger Zuschlag und somit auch kein Vertragsabschluss vor!

Haftung immer mitdenken!

Die Folgen der Nichteinhaltung führen dabei aber nicht per se zur Nichtigkeit. Rechtsfolge ist zunächst die schwebende Unwirksamkeit der bereits gesetzten (Rechts-)Handlungen, mit der Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung. Die Genehmigung muss dabei von dem zuständigen Gemeindeorgan durch die entsprechenden Beschlüsse bzw. Unterfertigungen erteilt werden.

Wird die nachträgliche Genehmigung vom zuständigen Organ nicht erteilt, führt dies unter Umständen zum Widerruf des Vergabeverfahrens, Nichtigkeit von bereits abgeschlossenen Verträgen sowie zu einer schadenersatzrechtlichen Haftung.

Für die Organe einer dem Vergaberecht unterliegenden Gemeinde ist es demnach erforderlich, sich des Haftungspotentials bei Nichteinhaltung der bestehenden Regelungen und Grundsätze bei der Beschaffung bewusst zu sein, um auch aus diesem Blickwinkel eine erfolgreiche Vergabe zu ermöglichen.

Richard Kostal

Zum Autor: Richard Kostal ist Jurist beim NÖ Gemeindebund.

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