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„Mehr Geld für die Gemeinden“ – Gemeindebund-Präsident im Interview

2023 wird durch die FAG-Verhandlungen ein besonders spannendes Jahr für Gemeinden. Das und die generell herausfordernde Situation der Kommunen in Österreich bildete den Anlass für ein großes Frühjahrsinterview mit Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl – nicht zur Lage der Nation, aber „zur Lage der Gemeinden“.

Herr Präsident, 2022 war ein besonders schwieriges Jahr für Gemeinden. Die Energiekrise hat viele Gemeinden, aber auch viele Menschen, finanziell massiv gefordert. Die Regierung hat deswegen auch zahlreiche Hilfen auf den Weg gebracht, darunter das KIG 2023. Wie haben Sie 2022 erlebt, was ist Ihr Rückblick? 

Das Jahr 2022 war mit Sicherheit eines der herausforderndsten Jahre für die österreichischen Städte und Gemeinden: Die Coronapandemie, der Angriffskrieg auf die Ukraine mitsamt den Auswirkungen durch neue Flüchtlingsströme sowie der Energie- und Versorgungskrise haben uns auch in Österreich vor große Herausforderungen gestellt.

Die Städte und Gemeinden – ja vielmehr die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – haben ihrem Namen wieder alle Ehre gemacht und sich erneut als die „Manager des guten Zusammenlebens“ erwiesen: Sie haben rasch Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung gestellt, Kindergarten- und Schulplätze sowie Arbeitsplätze organisiert und auch den eigenen Landsleuten rasch und unmittelbar geholfen, wo Unterstützung und Hilfe aufgrund der Teuerung gefragt war. Die Solidarität der Bevölkerung war in den Gemeinden spürbar, was auch den Zusammenhalt in der eigenen Gemeinde stärkt. Wir haben auch gesehen, dass das Vertrauen in die Bürgermeister steigt und welchen Stellenwert das Ehrenamt einnimmt.

Der Dank gilt aber auch der Bundesregierung, die rasch erkannt hat, dass es auf allen Ebenen und für alle Bevölkerungsgruppen und Institutionen gleichermaßen Hilfe und Unterstützung braucht. In keinem anderen europäischen Land wurde so intensiv und rasch geholfen wie bei uns in Österreich. Dafür müssen wir sehr dankbar sein.

Auch die neuerliche Unterstützung für die Städte und Gemeinden in der Höhe von einer Milliarde Euro bis 2024 war für uns nicht selbstverständlich, aber eine wichtige und richtige Maßnahme seitens der Regierung, um die Wirtschaft, die Arbeitsplätze und nicht zuletzt das Leben in unserem Land weiterhin am Laufen zu halten.

Deswegen kann ich im Rückblick nur sagen: Es war ein sehr herausforderndes und intensives Jahr für uns alle, aber mit der nötigen Unterstützung sind wir bis jetzt ohne gröberen Schaden aus diesem multiplen Krisenjahr gekommen. Wir werden die Situation aber weiterhin sehr aufmerksam beobachten, vor allem wenn es um die finanzielle und wirtschaftliche Situation der Gemeinden geht. Klar ist jetzt schon: Wir werden alle den Gürtel enger schnallen müssen.

2023 steht unter dem Vorzeichen der FAG-Verhandlungen. Die Gemeindebund-Positionen sind klar, aber welche Punkte sehen Sie als besonders wichtig an? 

Wir stehen vor der Situation, dass die Anteile von Bund, Ländern und Gemeinden am jährlichen 90-Milliarden-Euro-Steuerkuchen neu verteilt werden müssen. Ich möchte aber gar nicht lange um den heißen Brei herumreden: Die Gemeinden brauchen grundsätzlich mehr Geld, um die dynamisch steigenden Ausgabenbereiche Kinderbetreuung, Schulen, Gesundheit, Pflege, Soziales und Infrastruktur zu finanzieren. Zusätzlich dazu muss endlich die Reform der Grundsteuer umgesetzt werden, damit die Einnahmen der Gemeinden für die Zukunft gesichert werden können.

Das Problem ist, dass die Ausgangslage für die Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich herausfordernder ist als in den vergangenen Jahren: Denn die Baukostensteigerungen, die steigenden Energiepreise und die steigenden Personalkosten treiben die Ausgaben für die Kommunen enorm in die Höhe. Deswegen geht es bei den Verhandlungen vor allem um die langfristige Finanzierung. Einmalige Anschubfinanzierungen sind zwar kurzfristig erfreulich, helfen aber nicht bei der Lösung unserer Ausgaben- und Aufgabenprobleme.

Nehmen wir das Beispiel zum Ausbau der Kinderbetreuung: Der Bund stellt mit der 15a-Vereinbarung 200 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, was als rasche Ausbauhilfe richtig und wichtig ist. Aber die Gemeinden brauchen auch eine langfristige und nachhaltige Finanzierung, da durch den Ausbau der Kinderbetreuung auch die laufenden Kosten in den Gemeinden durch mehr Personal und Instandhaltung weiter steigen. Daher brauchen wir die finanziell langfristige Perspektive. Außerdem wollen wir endlich eine Klarstellung, wer wofür in der Erhaltung der Schulen zuständig ist.

An dieser Stelle möchte ich auch eines klarstellen, weil die Debatte um die Grunderwerbssteuer vor kurzem aufgekommen ist: diese Steuer bringt den Gemeinden etwa 1,6 Milliarden Euro ein jedes Jahr ein. Wir können und wir werden in Anbetracht aller Herausforderungen auf keinen Cent verzichten!

Was wäre denn Ihr Wunsch-Ergebnis?

Es braucht für die Gemeinden in erster Linie nachhaltige Finanzierungs- und Planungs­sicherheit bei unseren großen und zunehmend kostentreibenden Aufgabenbereichen: Das sind Kinderbetreuung, Pflege, Schulen, Gesundheit und Infrastruktur.
Und dann ist da noch das Thema Grundsteuer, das seit Jahren wie eine heiße Kartoffel hin- und hergeschoben wird. Substanziell geändert hat sich bisher nichts. Für uns ist ganz klar: Die Zeit ist überfällig, dass diese Reform endlich angepackt wird. Es geht hier um eine der wenigen gemeindeeigenen Steuern, die wir nicht einfach liegen und verkommen lassen wollen. ­Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, sie warten dringend auf Umsetzung.

Wie schaut die finanzielle Zukunft der Gemeinden aus? 

Gemeinsam mit WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr habe ich am 20. Jänner die Prognose für die Gemeindefinanzen 2023 und 2024 präsentiert. Im Rückblick hat sich gezeigt, dass das Jahr 2021 überaus positiv war. Die Rechnungsabschlüsse zeigen nicht nur steigende Einnahmen für die Gemeinden und Städte, sondern einen erfreulichen Rekord bei den kommunalen Investitionen. Als regionale Konjunkturmotoren haben die Gemeinden ohne Wien auch im Jahr 2021 insgesamt 3,07 Milliarden Euro in den Regionen investiert: eine Steigerung von 11,1 Prozent. Damit haben wir mehr als 30.000 Arbeitsplätze gesichert und in der Krise vor allem die lokale Wirtschaft gestärkt.

Die Zahlen bestätigen schwarz auf weiß, dass die Hilfspakete des Bundes und der Länder genau zur richtigen Zeit den Gemeinden unter die Arme gegriffen haben.

Der Blick nach vorne zeigt aber: Die steigenden Einnahmen werden durch die steigenden Kosten für Energie, Bauen und Personal wieder aufgefressen. Ich bin aber guter Dinge, dass wir die Herausforderungen gemeinsam gut meistern werden.

Nach dem Gemeindeinvestitionsbericht, der für das KWF 2023 durchgeführt wurde, erwarten 75 Prozent der Gemeinden eine Verschlechterung der finanziellen Situation, gleichzeitig plant die überwältigende Mehrheit der Gemeinden massive Investitionen, beispielsweise in den Erhalt von Straßen und öffentlichen Plätzen oder die Bildungseinrichtungen. Unterstreicht das nicht die Rolle der Gemeinden als treibende Investoren in Österreich?

Die Umfrage spiegelt sehr gut die aktuelle Situation der Gemeinden wider: Es ist ein Faktum, dass die Gemeinden die größten öffentlichen Investoren und damit auch die lokalen Konjunkturmotoren sind – Jahr für Jahr investieren wir alleine drei Milliarden Euro in die ­lokale Wirtschaft.

Durch die aktuell angespannte finanzielle Situation, ausgelöst durch die Folgen der Pandemie, den Ukraine-Krieg, aber auch die Versorgungs- und Energiekrise, budgetieren die Gemeinden nicht nur konservativer und vorsichtiger, sie müssen sich auch genau überlegen, was sie wofür ausgeben. Gleichzeitig hat das dritte Gemeindepaket (KIG 2023) den Gemeinden neue Möglichkeiten zur Finanzierung ihrer Projekte geschaffen.

Schauen Sie sich aktuell um in den Gemeinden: Alle freien Dächer werden mit PV-Anlagen ausgestattet, Gebäude thermisch saniert, Radwege errichtet oder Kindergärten und Schulen neu gebaut. All diese Projekte sind durch das KIG 2023 förderbar, ganz zu schweigen von den zusätzlichen jeweiligen Landesförderungen. Es passiert also einiges in unseren Gemeinden, wenngleich jeder Bürgermeister, jede Bürgermeisterin sehr genau überlegen muss, wo er oder sie prioritär investieren wird.

Auf die Gemeinden kommen große Baustellen zu: Vor allem die Frage nach der Zukunft der Pflege scheint immer dringender zu werden, auch wenn beispielsweise eine neue Schule für Pflegekräfte geschaffen werden soll. Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass sich hier so wenig bewegt? Ist das nur eine reine Geldfrage?

Die Pflege unserer Mitmenschen ist sicher eine unserer herausforderndsten Fragen: Wir wissen, wir werden immer älter, aber wir werden nicht gesund und fit älter. Dazu kommt, dass es immer weniger Menschen gibt, die die Älteren pflegen können, alleine aufgrund des demografischen Wandels. Gleichzeitig fehlt überall Pflegeperso­nal. Ob in den Heimen oder bei der 24-Stunden-Betreuung. So weit einmal zu den Fakten.

Aus Umfragen, aber auch aus der täglichen Erfah­rung wissen wir, dass die Menschen am liebsten in den eigenen vier Wänden alt werden wollen. Und das ist aus unserer Sicht auch die erstrebenswerteste Lösung – nicht nur weil es ein lebenswertes Leben und Altern in ­Würde ermöglicht, sondern weil es auch für unser Pflege- und Gesundheitssystem die kostengünstigste Form ist.

Es geht bei der Pflege also weniger darum, neue Lösungen in der Pflege zu finden, sondern vor allem darum, die vorhandenen Strukturen bestmöglich zu bündeln und effizienter zu nutzen. Pflegeheime, wie wir sie zwar auch brauchen, bilden nur einen kleinen Teil dieser Lösung, weil der Großteil unserer älteren Menschen (über 80 Prozent) zu Hause von den Angehörigen gepflegt wird.

Mit den ersten Reformschritten werden nun endlich die ersten notwendigen Schritte gesetzt – ich denke konkret an das höhere Ausbildungsgeld, an Verbesserungen für pflegende Angehörige oder die Teilbarkeit der 24-Stunden-Betreuung –, mit denen wir für die kommenden Jahre einfach besser aufgestellt sind. Gemeinsam mit den Bundesländern und dem Sozialminister haben wir vor Kurzem die Pflegereform-Kommission eingesetzt und wollen hier rasche Antworten für die Menschen liefern.

Wie betreffen das Erneuerbaren-Ausbau- und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz die Gemeinden?

Die Energiekrise gut zu meistern, steht in allen Gemeinden an oberster Stelle der Prioritätenliste. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wird auch die Gemeinden wesentlich betreffen. Laut Schätzung des Umweltbundesamtes werden jährlich bis zu 80.000 Heizungen stillzulegen sein. Hier liegt es an den Ländern, klare Regelungen ohne großen Verwaltungsaufwand zu schaffen. Für die Gemeinden muss sichergestellt werden, dass die Kosten für die Administration und Abwicklung der Aufgaben ersetzt werden. Vor Beschlussfassung des EWG sollte der vorliegende Entwurf in dieser Hinsicht noch nachgeschärft werden.

Die jüngst beschlossene Regelung zur Beschleunigung der UVP-Verfahren ist für uns ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist es natürlich positiv, wenn Verfahren schneller abgewickelt werden und wir in den Gemeinden endlich Nägel mit Köpfen machen und lange geplante Energieprojekte umsetzen können.

Doch wir dürfen auch die andere Seite nicht übersehen: Die Verordnung soll es leider auch möglich machen, die lokalen Behörden völlig zu umgehen. Da geht es nicht um eine Eitelkeit der Gemeinden, sondern darum, Energieprojekte auch gesellschaftlich verträglich zu machen. Wenn plötzlich auf der grünen Wiese hektarweise PV-Anlagen aufgestellt werden dürfen, ohne die lokale Bevölkerung und ihre Vertretung einzubinden, darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen dagegen protestieren und die Energiewende erst recht verhindern. Es gilt, alle mitzunehmen und die Energiewende deutlich zu kommunizieren – auch vonseiten des Bundes und der Länder. Sonst geht die ganze Sache noch nach hinten los.

Auch bei anderen Themen scheint sich nichts zu tun. Das Informationsfreiheitsgesetz ist so ein Fall. Hier werden schon mal von Regierungsseite Gesetze in die Begutachtung geschickt, die dann regelrecht „zerpflückt“ werden. Beim Informationsfreiheitsgesetz gab es beispielsweise mehr als 30 meist kritische Stellungnahmen. Und dann tut sich wieder lange nichts. 

Wie bei jedem Gesetz, wo es um die Interessen der Gemeinden geht, ist es unsere Pflicht und unser Recht, in der Begutachtung auf Hürden, die auf die Gemeinden zukommen, zu achten, und diese auch entsprechend zu entschärfen.

Beim Informationsfreiheitsgesetz haben wir von Anfang an gesagt, dass sich die Gemeinden für Transparenz starkmachen und nichts zu verbergen haben. Man muss uns nur sagen, wo wir die Daten einspielen sollen, und dann machen wir es.

Der derzeit vorliegende Vorschlag hat für die Gemeinden mit Informationsfreiheit wenig zu tun. Denn aus einem vermeintlichen Transparenzpaket ist ein einziges Bürokratiepaket geworden. Was wir wollen und brauchen, ist ein echtes Informationsregister auf Bundesebene, in das wir unsere Daten einspielen, eine Reduktion der Informationsansuchen, einen Bürokratieabbau durch den Wegfall von Doppel- und Mehrfachmeldungen und vor allem eine Klärung der Frage: Wollen wir mehr Datenschutz? Oder mehr Informationsfreiheit? Solange diese Themen nicht geklärt sind, wird es kein neues Gesetz geben.

In regelmäßigen Abständen kommen von Außenstehenden, die mit der Gemeindeebene eher weniger zu tun haben, Zurufe, dass Kompetenzen verschoben werden sollen. Besonders was die Raumplanung und die Kompetenzen der Flächenwidmung betrifft, werden da oft abenteuerliche Ideen laut. Was antwortet man solchen Zuruferinnen und Zurufern?

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bemühen sich Tag für Tag, nicht nur die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen, sondern auch deren Lebensumfeld vor Ort bestmöglich zu gestalten.

Die Menschen vor Ort schätzen diese unmittelbare Nähe und Erreichbarkeit vor Ort, sie schätzen aber auch, dass sie mitbestimmen und mitgestalten können. Protest und Unmut machen sich dann breit, wenn ohne den Willen der Bevölkerung Dinge entschieden oder Maßnahmen beschlossen werden, die eine Mehrheit nicht unterstützt. Und wer lässt sich schon gern gegen den Willen eine Betonburg, eine Chemiefabrik, ja sogar ein Windrad vor die Nase setzen? Immer weniger Menschen wollen das.

Daher muss und soll die Raumordnung in Gemeindehand bleiben, weil die Bürgermeister:innen am nächsten an den Lebenswelten der Bürger:innen dran sind und genau wissen, was ins Ortsbild passt und was nicht. Außerdem treffen sie ihre Entscheidungen nie alleine, sondern immer in Abstimmung mit Expert:innen, den Raumordnungsabteilungen des Landes und den Gemeinderät:innen vor Ort. Wir merken seit der Corona-Pandemie zudem, dass ein Teil der Gesellschaft wütend geworden ist, und diese Wut gilt es zu kanalisieren und in Mut und Engagement umzuwandeln. Wenn wir das schaffen, wird auch der Spalt in der Gesellschaft kleiner.

Kann das auch Teil eines gesellschaftspoliti­schen Problems sein? Die „Geiz ist geil“-Gesellschaft, das „Ich habe das Recht auf alles Mögliche“ ist ja schon länger ein Problem, wie auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister immer öfter feststellen müssen. Ist das eine Zeiterscheinung oder schon ein Problem der Demokratie?

Die Aufgabenvielfalt der Gemeinden wächst, auch die Ansprüche der Bevölkerung an die öffentliche Hand werden größer. Das alles mit der grundsätzlichen Daseinsvorsorge unter einen Hut zu bringen, wird für die Gemeinden zu einer immer größeren Herausforderung, sowohl finanziell als auch demokratiepolitisch. Immer weniger Menschen wollen heute Bürgermeister oder Bürgermeisterin werden, weil sie vor Haftungsfragen und den nie endenden Forderungen der Bürgerinnen und Bürger zurückschrecken.

Das ist schon bedenklich. Wir sollten nicht müde werden, Werte wie Eigenverantwortung und Solidarität zu betonen und weiterzugeben. Natürlich ist das auch eine Zeiterscheinung: Wer nicht an die eigene Selbstwirksamkeit glaubt, kann kaum Verantwortung übernehmen. Hier haben auch die Medien eine tragende Rolle, indem sie trotz aller Krisen wieder mehr Best Practices hervorholen sollten. Zu sehen, dass die eigenen Taten auch eine Wirksamkeit haben, schafft Hoffnung.

Die Pandemie hat unsere Gesellschaft verändert. Man denke nur an Homeoffice: Ein Punkt, der früher schwer vorstellbar war, ist heute Alltag und wird von den Menschen sogar eingefordert. Homeoffice hat nicht nur das Leben, sondern auch die Arbeitswelt verändert. Personalsuche ohne die Möglichkeit eines oder zweier Homeoffice-Tage ist schwer möglich. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Tatsache ist, die Corona-Pandemie hat unser Leben in vielen Bereichen verändert. Auch viele Entwicklungen, die bereits im Ansatz da waren, wurden durch die Pandemie verstärkt. Für die Entwicklung des ländlichen Raums und die Gemeinden im ländlichen Raum hat die Corona-
Pandemie einen enormen Schub gebracht – es ist eine regelrechte Renaissance des ­ländlichen Raums eingetreten.

Auch das sehen wir in vielerlei Hinsicht: Die Menschen zieht es wieder ins Grüne, die Menschen schätzen das Leben auf dem Land, die Regionalität, die Nachbarschaft, den Greißler vor Ort und die kurzen Wege. Auch das Arbeiten von zu Hause hat die Pandemie verstärkt und damit auch Tür und Tor für neue Arbeitswelten geöffnet – auch in der Gemeindeverwaltung.

Die Menschen zieht es wieder ins Grüne, die Menschen schätzen das Leben auf dem Land, die Regionalität, die Nachbarschaft, den Greißler vor Ort und die kurzen Wege.“

Ich denke, wir ­können uns gegen gewisse Entwicklungen nicht wehren, denn die Personalengpässe, aber auch die veränderten Einstellungen der Menschen zu Arbeit und damit auch neue Arbeitsmodelle sind ein Zeichen unserer Zeit, dem wir offen begegnen müssen. Auch wenn ich selbst weder ein absoluter Verfechter noch Gegner von Home­office oder einer Vier-Tage-Woche bin, sehe ich zunehmend in der Praxis, dass es zwei Arbeitsmodelle sind, die sehr wohl auch eine Lösung für Personalengpässe sein können – auch in den Gemeinden.

Die Pandemie hat aber auch Gutes gebracht. Beispielsweise würde der „digitale Wandel“ mit dem dafür notwendigen Ausbau der Breitband- und 5G-Infrastruktur noch Jahre länger dauern, hätte es nicht diese große Notwendigkeit gegeben. Aber es gibt immer noch blinde Flecken in Österreich. Wie kann man den Ausbau beschleunigen?

Die Pandemie hat durch verstärktes Distance-Learning und Homeoffice Gott sei Dank auch endlich den Turbo für schnelles Breitbandinternet auch am weiten Land gebracht. Die Wirtschaft hat erkannt, dass nicht nur der urbane Raum mit modernen Internetleitungen versorgt werden muss, sondern eben flächendeckend ganz Österreich.

Wir sehen tagtäglich, dass ein ordentlicher Internetanschluss mittlerweile ein Standortfaktor für neue Anwohner geworden ist. Zuerst kommt die Frage nach der Kinderbetreuung und dann erkundigen sich die Menschen nach der Internetversorgung. Mittlerweile haben das auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister selbst erkannt und warten nicht mehr auf die Kosten-Nutzen-Rechnung der Internetanbieter, sondern kümmern sich selbst um den Ausbau, weil sie wissen, dass es nicht eine Frage der Nutzung, sondern eine Frage der Zeit ist. Und das ist gut so.

Ich denke, diese Entwicklung wird sich von alleine lösen: Die EU, der Bund und die Länder fördern immer mehr den Ausbau dieser so wichtigen digitalen Autobahnen und die Gemeinden springen mittlerweile selbst auf den Zug auf.

(erschienen am 5.2.23 im KOMMUNAL)

© Philipp Monihart