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Häuslicher Unterricht – ein Relikt aus der Vergangenheit

Die Corona-Pandemie hat nicht nur das Distance-learning salonfähig gemacht, sie hat leider auch dazu beigetragen, dass vermehrt Eltern ihre Kinder von der Schule abmelden und von zuhause aus unterrichten. Eine Entwicklung, der mit großer Skepsis zu begegnen ist.

Einer überwiegenden Mehrheit der Eltern wurde erst durch die Corona-Pandemie, die Lockdowns und damit einhergehend durch geschlossene Schulen und Distance-learning das Bewusstsein geschärft, welche Herausforderungen in den Schulen tatsächlich gemeistert werden und welchen Stellenwert und welche Bedeutung der Präsenzunterricht hat. Homeoffice, Kinderbetreuung Erziehung und Lernhilfe gleichzeitig brachten nicht wenige Eltern an den Rand der Verzweiflung.

Viele Schulabmeldungen durch Corona

Umso mehr verwundert es, dass immer mehr Eltern das Distance-learning zum Anlass genommen haben, ihr Kind gänzlich von der Schule abzumelden um sie von zuhause aus zu unterrichten. Eine Entwicklung, die einem in mehrfacher Hinsicht Sorgenfalten bereiten sollte. So haben Kinder am Höhepunkt der Pandemie immens darunter gelitten, keine sozialen Kontakte pflegen und Freunde über Wochen nicht sehen zu können.

Mit dem von vielen Eltern angestrebten „häuslichen Unterricht“ verschärft sich diese Situation, denn die Schule ist eben nicht nur eine Lehranstalt, in der es um Wissensvermittlung und die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten geht. Schule bedeutet vielmehr auch Erziehung, Pädagogik, Sprachentwicklung, Partizipation und vor allem Sozialisation. Hervorzuheben sind auch die Aneignung von Gesellschaftsfähigkeit, Beziehungskompetenz, Selbstständigkeit sowie die Vermittlung von Normen und gesellschaftlichen Werten.

Was bedeuten die Schulabmeldungen für Gemeinden?

Die Zunahme der Abmeldungen von Schülern zum „häuslichen Unterricht“ bereitet aber auch dem Schulstandort und den Gemeinden als Schulerhaltern Probleme. So können durch Abmeldungen weniger Klassen gebildet werden, wodurch Schulen Lehrer verlieren, teils musste bereits in bestehende Jahrgänge eingegriffen und Klassen zum Leidwesen der Schüler und der Klassengemeinschaft zusammengelegt werden. Fragen ergeben sich auch im Zusammenhang mit den Schulumlagen und Schulerhaltungsbeiträgen, die grundsätzlich von der Wohnsitzgemeinde der Schulsitzgemeinde zu zahlen sind.

Insgesamt wurden österreichweit in diesem Schuljahr rund 5.600 Kinder von der Schule abgemeldet. Damit hat sich die Zahl der Abmeldungen zum „häuslichen Unterricht“ im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verdreifacht, in Oberösterreich sogar verfünffacht. Anders als etwa in Deutschland und vielen anderen Ländern, in denen „häuslicher Unterricht“ nur im Ausnahmefall zulässig ist, so etwa wenn der Schulbesuch aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, gibt es in Österreich keinerlei derartige Beschränkungen.

Unterrichtende Eltern müssen keine spezielle Ausbildung haben

Verfassungsrechtlich abgesichert durch Art. 17 Abs. 3 Staatsgrundgesetz 1867 ist es allen Eltern erlaubt, ihre Kinder häuslich zu unterrichten. Hintergrund ist die Tatsache, dass es in Österreich keine Schulunterrichtspflicht, sondern nur eine Unterrichtspflicht gibt. Letztere wurde von Maria Theresia mit der „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kayserl. Königl. Erbländern“ aus dem Jahr 1774 eingeführt.

Der Unterricht selbst kann in einer Schule stattfinden, oder aber eben zuhause, wobei Art. 17 Abs. 3 Staatsgrundgesetz 1867 besagt, dass der „häusliche Unterricht“ nicht von befähigten und ausgebildeten Personen bzw. Eltern erfolgen muss, sondern anders als in vielen Ländern „keinen solchen Beschränkungen“ unterliegt. Schrankenlos ist der „häusliche Unterricht“ in Österreich jedoch nicht. So muss gemäß § 11 Schulpflichtgesetz der „häusliche Unterricht“ dem Unterricht an einer Schule mindestens gleichwertig sein. Einschränkungen gibt es auch für Schüler mit besonderem Sprachförderbedarf. Mit der Schulrechtsnovelle 2018 (BGBl. I 35/2018), mit der die Grundlagen für die Deutschförderklassen geschaffen wurden, wurde festgelegt, dass die Regelungen für den „häuslichen Unterricht“ für diese Schüler nicht gelten.

Wenn Eltern ihre Kinder von der Schule abmelden und häuslich unterrichten wollen, müssen sie dies jeweils vor Beginn des Schuljahres der Bildungsdirektion anzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht nur untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist.

Prüfung für externe Kinder erforderlich

Schüler, die häuslich durch Eltern oder Dritte unterrichtet werden, müssen einmal im Jahr vor Schulschluss eine Prüfung ablegen um den zureichenden Erfolg nachzuweisen. Wird diese sogenannte Externistenprüfung nicht bestanden, dann hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht in einer Schule erfüllt – das mit der Konsequenz, dass der Schüler das Jahr wiederholen muss bzw. ein ganzes Schuljahr verliert.

Nachdem etliche Eltern die eindeutige Rechtslage, wonach häuslicher Unterricht tatsächlich Unterricht bzw. Beschulung zu Hause bedeutet, verkennen, eigene Lerngruppen bilden und teils Räumlichkeiten anmieten um Kinder, die von der Schule abgemeldet wurden, von einem eigens engagierten Lehrer oder Pädagogen zu unterrichten, sind die Behörden gefordert, diese Praktiken abzustellen.

Nicht zuletzt, da das Wohl des Kindes im Vordergrund steht bzw. stehen sollte, ist es gut und richtig, dass das Bildungsministerium Überlegungen anstellt, wie dieser Entwicklung Einhalt geboten werden kann. Gleichzeitig sollte Überzeugungsarbeit geleistet, aber auch die Gründe für vermehrte Schulabmeldungen ernst genommen werden.

Bernhard Haubenberger

Zum Autor: Bernhard Haubenberger ist Jurist beim Österreichischen Gemeindebund.

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