14.11.2017 – Ehemalige Gasthäuser, leerstehende Fabriksgelände sind oft ein langjähriges Problem, weil die Nachnutzung nicht immer so einfach ist. Die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft widmet sich aktiv dem Leerstand und entwickelt daraus wieder lebendige Mittelpunkte für Gemeinden.
Viele Gemeinden kennen das Problem: Leerstehende Gasthäuser oder gar große ehemalige Fabriksflächen sind schwer an neue Eigentümer zu vermitteln. Oft stehen diese viele Jahre leer und tragen nicht gerade zur Verschönerung des Ortsbilds bei. „Ehrlicherweise nicht aufgrund eigener Absichten, sondern eher aufgrund entsprechender Angebote, die an die OSG herangetragen wurden, haben wir uns mit der Weiterentwicklung des Leerstands befasst. Hier hat eindeutig ein Umdenken stattgefunden. Während man früher gesagt hat, dass fürs Bauen nur der Ortsrand wegen der Entwicklungsmöglichkeiten interessant ist, haben wir erkannt, dass es auch Spaß macht, Projekte im Ortszentrum gemeinsam zu entwickeln“, erinnert sich Dr. Alfred Kollar, Obmann der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG).
Gasthaussterben akutes Thema im Burgenland
Ausgangspunkt war ein leerstehendes Gasthaus in Oberpullendorf. „Da haben wir gesehen, dass Projekte im Zentrum vor allem für die Senioren interessant sind, weil alles fußläufig erreichbar ist. Die Schließung von Gasthäusern und Betriebsstätten ist bei uns ein sehr akutes Thema. Wir haben in den letzten Jahren 14 Gasthäuser umgebaut oder abgetragen und neu bebaut. Derzeit werden zusätzlich drei weitere Gasthaus-Projekte verhandelt“, so Kollar. Die OSG ist der größte Wohnungsanbieter im Burgenland und verwaltet derzeit 14.500 Wohnungen und Reihenhäuser.
Ehemalige Fabriksgelände, Krankenhäuser, Supermärkte bekommen neues Leben
Großes Entwicklungspotenzial haben aus Sicht der OSG auch ehemalige Fabriksgebäude. So wurde auf dem 3,5 Hektar großen Gebiet einer ehemaligen Konservenfabrik in Neusiedl am See ein Projekt für Wohnraum für alle Altersgruppen geschaffen. Hier sollen bis Ende 2019 215 Wohnungen entstehen und fast 500 Menschen ein neues Zuhause finden. Außerdem wird die OSG an diesem Standort ihr neues Büro aufmachen. In Oberwart entstand auf dem Areal des ehemaligen Krankenhauses ein „Dorf im Dorf“, ebenfalls in Oberwart wird auf dem Standort eines ehemaligen Supermarkts ein Demenzzentrum gebaut. Das Dorf im Dorf behaltet einen Mix aus Kleinwohnungen für junge Menschen als Startwohnungen, betreubare Wohnungen für Senioren sowie topmoderne Familienwohnungen. Besonders ist hier, dass es den sogenannten „Seniorengarten“ der Diakonie gibt.
Aber auch Kabelwerke können zum Wohnen umfunktioniert werden, wie dies in Winden am See passierte. In Großpetersdorf wurde aus einem ehemaligen Lagerplatz einer Eisenwarenhandlung das „Sozialzentrum Großpetersdorf“. Dort wurden eine Tagesbetreuungsstätte für „Rettet das Kind“, ein Pflegekompetenzzentrum sowie Startwohnungen für junge Menschen und betreubares Wohnen für Senioren untergebracht.
Aus Erbsenfabrik wird neuer Stadtteil
Speerspitze aller Projekte bildet das mehr als 41.000 Quadratmeter große Areal der ehemaligen Erbsenfabrik, die 1896 gebaut wurde, in der rund 3.000 Einwohner-Gemeinde-Bruckneudorf. „Das ist beste, zentrale Lage. Hier entsteht fast ein neuer Stadtteil“, freut sich Kollar. Schon die rund 100 Wohnungen, die auf dem Grundstück einer ehemaligen Autowerkstätte entstanden sind, erfreuten sich großer Beliebtheit. „Die Leute können es kaum mehr erwarten dort einzuziehen“, weiß Bürgermeister Gerhard Dreiszker.
Nun sollen 200 bis 250 Wohnungen, Geschäfte, Büros und sogar Ordinationen auf dem Grundstück der ehemaligen Erbsenfabrik folgen. „Das Areal steht seit den 70ern leer. Zwischendurch wurden die Lagerhallen genutzt, aus den zwei Wohnungen zogen vor zehn bis zwölf Jahren die letzten Mieter aus. Seither betreibt nur der Verein „Erbse“ das Hauptgebäude mit einem Kulturbetrieb“, erzählt Dreiszker. Das schöne, alte Fabrikgebäude soll künftig für die Volksschule und den Kulturbetrieb Platz bieten und wird so geplant, dass die Volksschule zu einem späteren Zeitpunkt um zwei Klassen erweitert werden kann. „Es wird nicht abgerissen, sondern vollständig saniert und räumlich adaptiert. Davor soll ein neuer Gemeindeplatz entstehen“, so der Bürgermeister über den aktuellen Stand der Planungen. In 35 Jahren soll das Gebäude samt Platz durch einen Mietkauf der Gemeinde gehören. Wahrlich herausragend werden die beiden Silotürme. „Zuerst wollten wir sie abreißen, dann habe ich aber gesehen, welch tolle Projekte in Kopenhagen mit ehemaligen Silos umgesetzt wurden. Das ist einfach nur beeindruckend und wir wollen auch mit diesem Altbestand in Bruckneudorf wieder etwas Richtungsweisendes umsetzen“, so Kollar.
Bei diesem Großprojekt wird erstmals auch von Seiten der Gemeinde Bürgerbeteiligung umgesetzt. In einem ersten Schritt wurde den Bürgern das Vorhaben grundsätzlich vorgestellt. Gerade sind die Gemeinde und das Team der OSG in der aktiven Planungsphase, deren Ergebnisse im Anschluss wieder den Bürgern präsentiert werden sollen. „Das soll alles transparent ablaufen“, ist dem Bürgermeister wichtig. Am Ende wird Bruckneudorf bis zu 500 Einwohner mehr haben.
Bauen im Zentrum bietet viele Vorteile
Wieviel Prozent aller Projekte derzeit in den Zentren statt in der Peripherie umgesetzt werden, kann Kollar nicht sagen, aber es scheint mehr zu werden. „Wir müssen nicht nur darauf schauen, dass unsere Projekte den aktuellen Umweltschutzkriterien entsprechen und moderne Architektur bieten, sondern vor allem auch leistbar bleiben. Und da bietet das Bauen im Ortszentrum oft die Möglichkeit höher zu bauen, was für uns attraktiv ist. Aber auch für Gemeinden bietet das Vorteile, denn die Anschlüsse sind bei solchen Grundstücken schon vorhanden und bedeuten daher keine neuen Kosten“, resümiert Kollar.
Auch in anderen Bundesländern scheint langsam ein Umdenken der Siedlungsgenossenschaften stattzufinden, wie Dr. Alfred Früh, Redakteur der Pressestelle des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, berichtet: „Den Trend zur Verdichtung gibt es in ganz Österreich, auch wenn es durchaus regionale Unterschiede gibt. So wird die Bebauung am Ortsrand in Abwanderungsregionen weniger zum Problem, als in Gemeinden, die wachsen.“