Frauen profitieren, ebenso wie Männer, von den vielfältigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen, die heutzutage in ländlichen Regionen vorherrschen. Die voranschreitende Digitalisierung, die Veränderung von Rollenbildern, höhere Bildungsabschlüsse sowie generell verbesserte Arbeitsmarktchancen der weiblichen Bevölkerung beeinflussen die Situation von Frauen am Land positiv.
Um bisher nicht ausreichend genutzte weibliche Potenziale und Talente optimal auszuschöpfen und zukunftstaugliche sowie chancengleiche Lebensbedingungen in ländlichen Räumen zu schaffen, gilt es jedoch, zahlreiche Rahmenbedingungen zu verbessern.
Frauen im ländlichen Raum sehen sich mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, die ihre Lebens- und Zukunftsperspektiven maßgeblich beeinflussen und wesentlich zur Abwanderung der zumeist jungen und weiblichen Bevölkerung in die Städte beitragen – ein Problem, dem sich zahlreiche österreichische Dörfer stellen müssen.[1]
Besondere Herausforderungen für Frauen im ländlichen Raum
Wertkonservative Leitbilder prägen bis heute das gesellschaftliche Zusammenleben hierzulande. Die damit einhergehende geschlechterspezifische Rollenverteilung führt dazu, dass hauptsächlich Frauen unbezahlte Arbeit leisten. Dazu zählt die Betreuung von Kindern ebenso wie von pflegebedürftigen Erwachsenen.
Der Mangel an sozialer Infrastruktur wie etwa fehlender Betreuungsmöglichkeiten, die zu kurzen Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, oder zu wenige Ganztagsschulen und Nachmittagsbetreuungsplätze verschärfen diese Situation und führen letztlich dazu, dass Frauen häufiger einer Beschäftigung in Teilzeit nachgehen sowie öfter Erwerbsunterbrechungen als Männer aufweisen.
Zudem führt die Reduktion der Arbeitszeit meist zu einem schlechteren Einkommen und letztendlich zu einer deutlich niedrigeren Pension – Stichwort Altersarmut bei Frauen. Studien, wie etwa die des Europäischen Parlaments zur beruflichen Stellung von Frauen am Land, zeigen außerdem, dass die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen im ländlichen Raum noch höher sind als in Städten.[2]
Die vorherrschenden Attitüden bezüglich klassischer Rollenbilder beeinflussen neben der Erwerbstätigkeit in vielen Fällen auch die Berufs- und Ausbildungswahl von Mädchen und Frauen.
Trotz des beständig steigenden Bildungsniveaus von Frauen ist ihr Anteil in zumeist gut bezahlten technisch-orientierten Berufen weiterhin niedrig. Frauen in Österreich arbeiten überwiegend im Dienstleistungsbereich, mit den höchsten Anteilen im Handel und im Gesundheits- und Sozialwesen.[3]
Nicht die gleichen Möglichkeiten für Frauen auf dem Land wie in den Städten
Noch immer stehen im ländlichen Raum nicht dieselben Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, beruflichen Chancen sowie innovativen Arbeitsmodelle zur Verfügung wie in den meisten städtischen Gebieten.
Dieser Angebotsmangel führt dazu, dass oftmals lange Pendelstrecken zu Ausbildungs- bzw. Arbeitsstellen in Kauf genommen werden müssen oder womöglich Beschäftigungen angenommen werden, die zwar wohnortnah, aber unter dem Qualifikationsniveau liegen. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen ländlichen Gebieten öffentliche Verkehrsmittel bzw. entsprechende Infrastrukturen erst in den Kinderschuhen stecken.
Diese Problematik betrifft Frauen aufgrund rollenspezifischer privater Verpflichtungen und einer tendenziell stärkeren Abhängigkeit vom öffentlichen Personennahverkehr[4] besonders und führt dazu, dass die ohnehin geringere Zeit, die für bezahlte Arbeitsleistung zur Verfügung steht, noch mehr schwindet – oder völlig verlorengeht.
Die bereits beschriebenen Herausforderungen werden zudem von einer Unterrepräsentation von Frauen in lokalen und regionalen politischen Gremien begleitet[5] – Entscheidungen zum Leben in Gemeinden werden vielerorts vorwiegend von Männern getroffen.
Unternehmensgründung als Zukunftsperspektive für Frauen am Land
Ein Weg, den Frauen gehen können, um dem Mangel an beruflichen Möglichkeiten in ländlichen Räumen zu begegnen, ist die Gründung eines eigenen Unternehmens. Sowohl die Anzahl der Unternehmensneugründungen als auch der Frauenanteil daran haben sich in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich erhöht.
Lag der Frauenanteil bei den Unternehmensneugründungen im Jahr 2000 bei 32,5 %, stieg er bis 2020 auf 45,2 % ohne selbstständige Personenbetreuung und sogar bis 54,4 % mit Personenbetreuung. Demanch wurden vergangenes Jahr 17.801 Einzelunternehmen von Frauen neu gegründet. Die höchsten Frauenanteile finden sich im Bereich der Personenberatung und Betreuung (93,7 %), bei FußplegerInnen, KosmetikerInnen und MasseurInnen (89,9 %) und in der Mode- und Bekleidungstechnik (85,9 %).[6]
Die Daten zeigen, dass die Anzahl der Unternehmerinnen in den letzten Jahren insgesamt gestiegen ist – in vielen Branchen, darunter der Unternehmensberatung, der Buchhaltung und Informationstechnik (21 % Frauenanteil) oder den FinanzdienstleisterInnen (25 % Frauenanteil), sind Frauen jedoch noch immer unterrepräsentiert.
Frauen fehlt oft der Mut zur Unternehmensgründung
Die Gründe dafür sind vielfältig und gehen über fehlende infrastrukturelle Bedingungen, die unter anderem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erschweren, hinaus.
Einen bedeutenden Einfluss haben, wie etwa auch die Studien des Deutschen Landfrauenverbands zur Situation der gründungsinteressierten Frauen und Existenzgründerinnen in ländlichen Raum oder der Global Entrepreneurship Monitor – Bericht zur Lage des Unternehmertums in Österreich 2018 ergaben, die vorherrschenden Einstellungen und Leitbilder auf die weibliche Gründungsbeteiligung im ländlichen Raum.
Oft fehlt es Frauen schlichtweg an Mut, ihre Ideen für eine Existenzgründung umzusetzen. Aufgrund der dünneren Besiedlung abseits der Städte fehlt ihnen in vielen Fällen der Zugang zu frauenspezifischer Beratung oder zu Netzwerken, die beispielsweise einen Erfahrungsaustausch, das Kennenlernen erfolgreicher Unternehmerinnen als Vorbilder oder die Stärkung von relevanten Kompetenzen ermöglichen würden. Hohe bürokratische Hürden und finanzielle Unsicherheiten gegenüber einer Anstellung zählen ebenfalls zu den Hemmnissen weiblicher Existenzgründungen.[7]
Die Unternehmensgründung von Frauen in ländlichen Räumen wird indes nicht nur durch das Fehlen eines ihren Interessen und/ oder Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplatzes motiviert. Viele Gründerinnen möchten ihre Zeit und ihr Leben vielmehr flexibel gestalten, ihre „eigene“ Chefin sein und Eigenverantwortung übernehmen. Durch die Selbstständigkeit ein hohes Einkommen zu erzielen spielt dabei häufig eine relativ untergeordnete Rolle.[8]
Frauen haben oftmals einen guten Blick für die Bedürfnisse in ihren Regionen und füllen mit ihren Gründungen Lücken in der ländlichen Infrastruktur und sozialen Versorgung. Sie tendieren dazu, Nischen, die für die Dorfgemeinschaft von besonderer Bedeutung sind, zu entdecken und zu entwickeln.[9]
Coronakrise trifft Frauen überproportional
Die Covid-19-Krise hat erhebliche Auswirkungen auf das gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Wohlbefinden und trifft Frauen allgemein und speziell auch Unternehmerinnen in besonderem Maße:
- Frauen stellen die Mehrheit der Arbeitskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen und sind damit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.
- Aufgrund ihres Tätigkeitsbereichs haben Frauen ein größeres Risiko, ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen zu verlieren bzw. ihre Einnahmequellen als Selbstständige teilweise oder gänzlich einzubüßen.
- Frauen wendeten bereits vor und nun auch während der Krise wesentlich mehr Zeit für die Hausarbeit und Kinderbetreuung als Männer auf. Viele Unternehmerinnen sahen und sehen sich aufgrund des erhöhten Pflegeaufwands für Kinder und Ältere gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ganz einzustellen.[10]
- Frauen sind in wirtschaftlichen und politischen Führungspositionen unterrepräsentiert. Das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern ist während der Covid-19-Krise noch deutlicher geworden. Besonders betrifft dies die Gremien, die zur Bewältigung der Krise einberufen wurden, wie zum Beispiel jene zur Gestaltung von Konjunkturbelebungsmaßnahmen.[11]
COVID-19 offenbart und verschärft somit bestehende geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die wirtschaftliche Sicherheit, die Gesundheit und Sicherheit, sowie die Entscheidungsfindung.[12]
Unternehmerinnen sind optimistisch und widerstandsfähig
Trotz der durch die Corona-Pandemie verursachten neuen Herausforderungen zeigten sich Unternehmensführerinnen während des Verlaufs der Krise zunehmend optimistisch. Die Pandemie hat die Einführung neuer Arbeitsweisen herbeigeführt, viele Unternehmen haben ihr Geschäft optimiert oder neu ausgerichtet.
Zu den häufig getroffenen Maßnahmen der Unternehmen gehörte etwa die Identifikation und Reduktion unnötiger Ausgaben, die Umstellung auf ein digitales Geschäftsmodell, die Erweiterung des eigenen Geschäftsbereichs oder die Schaffung eines neuen Geschäftszweigs als Reaktion auf lokale oder globale Anforderungen. Diese Entwicklungen, die auch den verstärkten Einsatz von digitalen Tools und E-Commerce beinhaltet, könnten zu längerfristigen Vorteilen führen, da sie zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Unternehmen in zukünftigen Wirtschaftskrisen beitragen.
Fazit: Fördernde Rahmenbedingungen für weibliches Unternehmertum am Land
Gerade ländliche Räume sind herausgefordert, ihre Existenzgründungsquote zu erhöhen, da es vielerorts an differenzierten abhängigen (Teilzeit-)Beschäftigungsverhältnissen mangelt.[14] Weibliche Potenziale und Talente sind bereits vorhanden, werden aber noch immer nicht ausgeschöpft oder optimal genutzt.
Um wettbewerbsfähige ländliche Regionen zu schaffen und zu erhalten, sowie um der Landflucht nachhaltig entgegenzuwirken, müssen Maßnahmen gesetzt werden, die konkrete Zukunftsperspektiven für Frauen im Allgemeinen und Unternehmerinnen im Speziellen bieten. Dazu gehören:[15]
- Der Abbau konventioneller Leitbilder in der Berufswahl junger Frauen
- Die Stärkung der partnerschaftlichen Aufteilung von Haushalts- und Pflegearbeit
- Der flächendeckende Ausbau von und Zugang zu qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten
- Frauenspezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote (Mentoringprogramme, Coaching, Workshops und Lehrgänge)
- Der Aufbau von nachhaltigen Netzwerken für Frauen bzw. Unternehmerinnen
- Die Erhöhung der Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern für gründungsinteressierte Frauen
- Der Abbau bürokratischer Hürden und die Erleichterung bei Behördenwegen durch weitere Digitalisierung und „One-Stop-Shops”
- Familienfördernde Maßnahmen, wie etwa ein Karenzmodell mit erleichtertem Zugang für Selbstständige
- Der weitere Ausbau und die Verbesserung der digitalen Infrasturktur sowie der Verkehrsinfrastruktur am Land
- Der weitere Ausbau von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in ländlichen Räumen
- Die Erhöhung der politischen Repräsentation von Frauen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene
Über die Autorinnen: Csilla Szentiványi ist ECOnet-Projektmitarbeiterin am Institut für Strategieanalysen und PhD-Studentin an der Andrássy-Universität Budapest.
Isabella Juen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Strategieanalysen (ISA) und koordiniert hier das Projekt „ECOnet – Zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im ländlichen Raum“. Zudem ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Höhere Studien (IHS) und an der Universität Graz tätig.
[1] Vgl. Österreichischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Bundeskanzleramt Österreich (2018), S.14; Vgl. Ninführ (o.J.), S. 6, S. 17.
[2] Vgl. Franic/Kovacicek (2019).
[3] Vgl. Österreichischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Bundeskanzleramt Österreich (2018), S. 13.
[4] Vgl. Kipnis (2020), S. 18.
[5] Nur 9 % der österreichischen BürgermeisterInnen sind weiblich und in 40 Gemeinden ist keine Frau im Gemeinderrat vertreten (Vgl. Heinz et al. 2021, S. 6ff.).
[6] WKO Statistik 2021, S. 13f.
[7] Vgl. Friedl/Frech/Resei et al. (2019), S. 81; Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2008), S. 38-39.; Vgl. Baba/Wilbert/Otto et al. (2020), S. 10.
[8] Vgl. Busch (2008), S. 64; Vgl. WKO Frau in der Wirtschaft (2021), S. 2.
[9] Vgl. Weber (2009), S. 27.
[10] Vgl. Kipnis (2020), S. 3, S. 8.
[11] Vgl. Klatzer/Rinaldi (2020), S. 5.
[12] Vgl. Kipnis (2020), S. 3.
[13] Vgl. Facebook/OECD/World Bank (2020), S. 2; Vgl. WEConnect International (o.J.); Vgl. Kipnis (2020), S. 3.
[14] Vgl. Baba/Wilbert/Otto et al. (2020), S. 27.
[15] Vgl. Österreichischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Bundeskanzleramt Österreich (2018), S. 15; Vgl. Friedl/Frech/Resei et al. (2019), S. 80-81; Vgl. Busch (2008), S. 16.
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