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Die Raumordnung und das Recht

Das Raumordnungsrecht ist eines jener Rechtsgebiete, das für die meisten Bürger vollkommen unbemerkt im Hintergrund existiert. Das kann sich aber ziemlich rasch ändern. In jenen Fällen, in denen Menschen direkt mit dem Raumordnungsrecht konfrontiert werden, etwa bei der Umwidmung von Flächen, ändert sich die Wahrnehmung schlagartig. Änderungen im Raumordnungsrecht wirken sich auf Betroffene massiv aus und können gewohnte Lebensumstände nachhaltig verändern, was oftmals stark emotionalisierte Debatten nach sich zieht.

In der Vergangenheit waren Umwidmungen für die direkt Betroffenen oft sehr vorteilhaft, durch die Änderung der Flächenwidmung von Grünland zu Bauland wurden teilweise astronomische Vermögen “über Nacht” geschaffen. Boden stellt kein vermehrbares Gut dar, eine große Nachfrage des Markts führt also unvermeidbar zu immer weiter steigenden Preisen, da das Angebot nur bedingt ausgeweitet werden kann. Dies führt in Extrembeispielen, so etwa in Vorarlberg und Wien, zu Baulandpreisen jenseits der 1000 Euro pro Quadratmeter.

Baulandhortungen und Bodenspekulationen als sichere Vermögensanlage

Diese recht einfache ökonomische Realität macht Bauland für viele zur sicheren Vermögensanlage – wer sein Geld in Bauland anlegt, kann mit einem stetigen Vermögenszuwachs rechnen, ohne den Unsicherheiten des Finanzmarkts ausgesetzt zu sein. Dies bewirkt ein immer stärkeres Maß an “Baulandhortungen” und Bodenspekulationen.

Für Raumordnung sind Bund, Länder und Gemeinden zuständig

In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Gemeinden die für die Raumordnung “Alleinverantwortlichen”. Die Kompetenz Raumordnung ist jedoch zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt.

Der Bund kann im Rahmen der Fachplanungskompetenz, etwa im Forstbereich oder bei der Trassenfestlegung von Bundesstraßen, auch in die Raumordnung eingreifen. Die Länder regeln die überörtliche Raumplanung, die Gemeinden besorgen die örtliche Raumplanung. Den Gemeinden wird durch die Länder in ihren Landesraumordnungsgesetzen der Rahmen für das raumordnungsrechtliche Handeln vorgegeben, dabei muss die Hoheit über die örtliche Raumplanung aber bei den Gemeinden verbleiben.

Zielvorstellungen ändern sich

Der Begriff Raumordnung umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen öffentlicher Gebietskörperschaften hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Art, die darauf abzielen, das Staatsgebiet nach bestimmten politischen Zielvorstellungen zu gestalten.

Eben jene politischen Zielvorstellungen ändern sich im Lauf der Zeit beständig, dementsprechend werden auch die Maßnahmen laufend angepasst. Bundesministerin Elisabeth Köstinger bekräftigte unlängst bei der “ÖREK 2030”-Konferenz ihr Commitment, den Flächenverbrauch in Österreich bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren.

Gemeinden müssen sich jedoch weiterentwickeln können. Um eine geordnete, für Gemeinden finanzierbare, flächensparende und schlussendlich klimaschonende Raumentwicklung zu ermöglichen, kommen Gemeinden auf kurz oder lang nicht ohne deutliche Lenkungsmaßnahmen und ordnungspolitische Eingriffe aus. Die Siedlungsentwicklung muss dort stattfinden können, wo sie am sinnvollsten ist, nicht dort, wo es am einfachsten oder günstigsten ist. Dies führt unweigerlich zu Konflikten zwischen Privatinteressen und dem Allgemeininteresse.

Zentrale Planungsinstrumente

Die zentralen Planungsinstrumente der Siedlungsentwicklung sind örtliche Raumordnungskonzepte, der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan. Dazu kommen die einzelnen “Werkzeuge”, die es Gemeinden ermöglichen, gestaltend tätig zu werden.

Im Groben kann man einerseits zwischen Werkzeugen entscheiden, die eine vorausschauende Siedlungsentwicklung bei weitestgehend kooperativen Eigentümern ermöglichen, und andererseits eingriffsintensiven Instrumenten, die dann zum Einsatz kommen, wenn kein Konsens erreicht werden kann.

Im Folgenden einige Beispiele aus den Landesraumordnungsgesetzen, die eine konsensorientierte Raumentwicklung ermöglichen:

  • Befristete Widmungen: Ein weitestgehend flächendeckendes Instrument stellen befristete Widmungen von Bauland dar. Im Rahmen der Flächenwidmung kann bei Umwidmungen vorgesehen werden, dass Flächen, die nicht innerhalb einer gewissen Frist (meist zehn Jahre) bebaut werden, automatisch rückgewidmet werden. Damit kann die zukünftige Siedlungsentwicklung zumindest bei Neuwidmungen kontrolliert werden, eine Bebauung kann aber nicht erzwungen werden.
  • Private Raumordnungsverträge: Alle Länder sehen, in mehr oder weniger ausgeprägter Form, für Gemeinden die Möglichkeit vor, mit Widmungswerbern privatrechtliche Vereinbarungen zur Baulandmobilisierung zu treffen. Sehr schlank ist dies in §35 Stmk Raumordnungsrecht ausformuliert. §33 Tiroler ROG beschreibt den möglichen Inhalt solcher Verträge etwas genauer, erwähnt werden etwa die vertragliche Verpflichtung des Widmungswerbers, gewisse Flächen der Gemeinde oder dem Tiroler Bodenfonds für bestimmte Zwecke (z. B. geförderten Wohnbau) zu überlassen.
  • Planungsverbände: Um die Koordination der überörtlichen und die Abstimmung zwischen den örtlichen Raumordnungsplänen zu verbessern, können sogenannte Planungsverbände zwischen den Gemeinden eingerichtet werden. Tirol sieht diese in §23 TROG verpflichtend vor. So kann die Siedlungsentwicklung in der Region abgestimmt werden und Fehlentwicklungen werden schon in der Planung vermieden.

 

Im Bereich der eingriffsintensiven Werkzeuge gibt es, ob der drohenden Eingriffe in Grundrechte (insbesondere Gleichheitsgrundsatz Art 7 B-VG/Art. 2 StGG, Eigentum Art 5 StGG/Art. 1. 1 ZPMRK; freier Liegenschaftsverkehr Art. 6 StGG), wenige Erfahrungswerte. Besonders die Mobilisierung von bereits gewidmetem Bauland fällt wie eingangs ausgeführt oft schwer.

Entwurf der Novelle des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes

Einen bisher ungekannten Weg geht der Entwurf der Novelle des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes. Einige ausgewählte Bestimmungen im Überblick:

  • Baulandmobilisierungsabgabe (§24a): Als Bauland gewidmete Grundstücke sollen mit einer eigenen Abgabe belegt werden. Dies soll einerseits die jährliche Wertsteigerung kompensieren und Bauland damit als Wertanlage unattraktiv machen. Daneben kann es dazu führen, Eigentümer zu bewegen, die Flächen schneller widmungsgemäß zu verwenden. Problematisch ist die Abgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht. Der Bund hat das grundsätzliche Steuererfindungsrecht. Neben der Grundsteuer gibt es auch die Bodenwertabgabe, eine Bundesabgabe für unbebaute Grundstücke. Ob daneben eine weitere Besteuerung von Bauland durch die Länder möglich ist, ist mehr als fraglich.
  • Baulandhöchstpreise (§24b Abs 8): Durch die Landesregierung verordnete Höchstpreise pro Quadratmeter Bauland sind unbestritten ein höchst effektives Instrument, um Bodenspekulation einzudämmen und leistbares Bauland zu ermöglichen. Diese Verordnungen stellen aber eine Teilenteignung der Eigentümer dar, sie greifen intensiv in die Grundrechte auf Eigentum und den freien Liegenschaftsverkehr ein. Ob ein derartiger Eingriff ohne Kompensation der Geschädigten möglich ist, ist fraglich und wird wohl nur von den Höchstgerichten zu klären sein.
  • Rückwidmungen (§24b Abs 5): Ähnlich wie bei Baulandhöchstpreisen kommt es bei einer Rückwidmung von Bauland zu Grünland zu einem immensen Wertverlust, was eine Teilenteignung darstellt. Auch hier stellt sich das Problem, dass eine kompensationslose Enteignung wohl nicht mit den österreichischen und europäischen Grundrechten in Einklang zu bringen ist.

 

Den Gemeinden stehen eine Vielzahl an Instrumenten und Werkzeugen für eine gute Siedlungsentwicklung zur Verfügung. An ihre Grenzen kommen sie jedoch, wenn mit einzelnen Grundstückseigentümern kein Konsens erreicht werden kann. Hier besteht legistischer Nachbesserungsbedarf – eine hochqualitative Siedlungsentwicklung und das Erreichen des berühmten 2,5-Hektar-Bodenverbrauchsziels wird nicht möglich sein, wenn Gemeinden derart limitiert sind.

Wie die nur kurz umrissenen Probleme der geplanten Burgenländischen Raumordnungsnovelle zeigen, ist hier in erster Linie der Bundesgesetzgeber in der Verantwortung, stoßen die Länder doch schnell an die grund- und verfassungsrechtlichen Grenzen.

Zu denken gibt, dass die Problemlage nicht neu ist. Schon in den 1970er-Jahren standen Kommunen vor ähnlichen Herausforderungen. Als Lösung wurde das Bodenbeschaffungsgesetz 1974 gefunden, das ob seiner legistischen Defizite aber leider eine Totgeburt war und auch heute noch ein klassisches Beispiel für sogenanntes „totes Recht“ darstellt. Wenn der Bund das 2,5-Hektar-Ziel ernst nimmt, könnte eine Überarbeitung dieses Gesetzes ein guter Zugang sein.

Mag. Tristan Pöchacker

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