Eine Beschlussfassung im Juni scheiterte allerdings an der kurzfristig bekannt gegebenen Forderung des grünen Koalitionspartners, einer Strategie ohne verbindliches 2,5-ha-Ziel die Zustimmung zu verweigern. In einer neu gegründeten Arbeitsgruppe wurde im Anschluss an die politische Sitzung vom Juni versucht, das 2,5-ha-Ziel einer Klärung zuzuführen.
In kleiner Runde haben Vertreter von Bund, Ländern sowie Städtebund und Gemeindebund über das 2,5-ha-Ziel und eine mögliche Verankerung in der Bodenstrategie verhandelt. Nunmehr steht fest, dass eine gemeinsame Positionierung zu diesem Zielwert durch alle ÖROK-Mitglieder derzeit nicht möglich ist.
Zu sehr gehen die Interessen und Positionen der Mitglieder dabei auseinander. Der Zahlenwert von 2,5 ha lässt damit eine Beschlussfassung der Bodenstrategie erneut in weite Ferne rücken. Dies ist insofern bedauerlich, als die Bodenstrategie zahlreiche Ziele und Maßnahmen für eine Reduktion der Flächeninanspruchnahme beinhaltet.
Wie die Flächeninanspruchnahme reduziert werden soll
Die Flächeninanspruchnahme auf täglich 2,5 ha reduzieren zu wollen, ist kein neues Ziel. Bereits im Jahr 2002 setzte sich die damalige Bundesregierung mit der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel, bis 2010 die Flächeninanspruchnahme auf maximal ein Zehntel des damaligen Wertes von rund 25 ha pro Tag zu verringern.
Auch der aktuellen Bundesregierung ist dieser Wert ein Anliegen und die 2,5 ha finden sich im aktuellen Regierungsprogramm. In diesem Zusammenhang muss jedoch erwähnt werden, dass sich die Bundesregierung damit ein Ziel gesetzt hat, für das der Bund kompetenzrechtlich nur sehr eingeschränkte Zuständigkeiten besitzt.
Die Raumordnung wird nicht explizit in den Kompetenzartikeln des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) genannt. Abgesehen von der Fachplanungskompetenz des Bundes (z. B. Forstwesen, Eisenbahn- und Bundesstraßenwesen) fällt die Raumordnung deshalb nach der Generalklausel des Art. 15 Abs. 1 B-VG sowohl hinsichtlich der Gesetzgebung als auch der Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder.
Zielwert des Bundes kann nicht für andere Gebietskörperschaften gelten
Die örtliche Raumplanung ist gemäß Art. 118 Abs. 3 Z 9 B-VG von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Selbstverständlich soll es der Bundesregierung unbenommen bleiben, ihre Wünsche und Vorstellungen zur Raumplanung zu artikulieren.
Aufgrund der Kompetenzverteilung kann ein vom Bund gesetzter Zielwert aber keine verbindliche Wirkung für die übrigen Gebietskörperschaften haben. Ein bundesweiter Zielwert zur künftigen Flächeninanspruchnahme wird sich somit nur durch einen gemeinsamen Schulterschluss von Bund, Ländern und Gemeinden realisieren lassen.
Aus diesem Grund haben Bund, Länder sowie Gemeindebund und Städtebund im Rahmen der ÖROK-Partnerschaft zur Bodenstrategie und zuletzt in der neu eingesetzten Arbeitsgruppe intensiv über das Thema Zielwert als auch konkret über den Zahlenwert von 2,5 ha verhandelt.
Für die Festlegung auf einen fixen Zielwert sind für den Österreichischen Gemeindebund aktuell allerdings noch zu viele Fragen ungeklärt. In weiteren Verhandlungen wären aus Sicht des Österreichischen Gemeindebundes unter anderem die nachfolgenden Punkte zu berücksichtigen.
Ziel muss realistisch sein
Ein Zielwert bedarf einer realistischen Größe, die erreichbar ist. Ein Ziel, das von vornherein nicht erreicht werden kann, ist sinnlos und würde die politische Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen. Das kann auch vom Bund nicht gewünscht sein.
Am Ende des Tages werden insbesondere die Bundesländer und Gemeinden an den gesetzten Zielwerten gemessen werden. Daran ändert der Umstand, dass die Bodenstrategie selbst keine Sanktionen bei Nichterreichen des Zieles beinhaltet, nichts. Die Gebietskörperschaften werden mit Zielwerten unter einer politischen und medialen Beobachtung stehen. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Zielwerte Eingang in Gesetze – allenfalls verknüpft mit Sanktionen – finden oder Budgetmittel an die Erreichung der Zielwerte geknüpft werden.
Einigung auf einheitliche Daten
Bevor daher zu leichtfertig die Einigung auf einen Zahlenwert erfolgt, braucht es umfassende Grundlagen. Das verlangt zunächst einmal die Kenntnis über die tatsächliche Flächeninanspruchnahme in Österreich. Aufgrund unterschiedlicher Zahlen zur Flächeninanspruchnahme waren und sind diese immer wieder Kritik ausgesetzt.
Erst kürzlich kritisierte das Land Oberösterreich die Zahlen der Umweltschutzorganisation WWF und stellte diese den selbst erhobenen Zahlen gegenüber. Statt dem kolportierten täglichen Bodenverbrauch von 4,25 ha würde der Baulandzuwachs in Oberösterreich demnach nur 0,8 ha pro Tag betragen. Die Vielzahl von Zahlen, die zur Flächeninanspruchnahme kursieren und teilweise auf veralteten Grundlagen beziehungsweise Schätzungen beruhen, zeigt die Notwendigkeit einer einheitlichen Methode auf.
Die ÖROK setzte mit den Arbeiten zur Bodenstrategie hierbei einen wichtigen Schritt. Anhand eines von der ÖROK neu entwickelten Modells wird das Umweltbundesamt erstmalig einheitliche Daten zur Flächeninanspruchnahme und Versiegelung in Österreich in einer bisher nicht verfügbaren Genauigkeit liefern.
Die Daten zum Status quo der Flächeninanspruchnahme und Versiegelung für Siedlungen und Verkehr für das Jahr 2022 liegen bereits seit dem Frühjahr vor. Seit Ende Oktober 2023 liegen weiters die Daten betreffend die Flächen für Freizeit und Erholung sowie Ver- und Entsorgung vor. Diese Daten werden nun noch um die Flächen für Freiflächenphotovoltaik und Windkraftanlagen ergänzt.
Leistbarer Wohnraum braucht Boden
In einer Zielwertdebatte müssen alle Interessen und Zielkonflikte eine ausreichende Berücksichtigung finden. Die aktuelle Debatte zum 2,5-ha-Ziel dreht sich derzeit jedoch vorrangig um den Klimaschutz, die Ernährungssicherheit und die Biodiversität. Andere Interessen wie zum Beispiel die Gewährleistung von leistbarem Wohnraum, das Gelingen der Energiewende durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Aufrechterhaltung eines attraktiven Wirtschaftsstandorts fanden bislang nicht die notwendige Beachtung.
Diese Interessen sind für Österreich aber ebenso von wesentlicher Bedeutung, wie zum Beispiel die aktuelle Forderung einer Oppositionspartei nach leistbarem Wohnen bestätigt. Ohne zusätzliche Flächen wird diesen Interessen nicht entsprochen werden können.
Abseits der ökologischen und landwirtschaftlichen Interessen müssen in der Debatte daher gleichermaßen die weiteren von einem Zielwert berührten Interessen berücksichtigt werden.
Wie will man damit umgehen, dass weniger verfügbare Flächen die Preise für Grundstücke und Immobilien nach oben treiben werden? Wie will man das Ziel, bis 2030 den Stromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken, ohne die Inanspruchnahme zusätzlicher Flächen erreichen? Will man künftig Unternehmungen die Ansiedelung oder die Betriebserweiterung untersagen? Vor der Festlegung auf einen Zielwert braucht es ein gemeinsames Verständnis für den künftigen Umgang mit den unterschiedlichen Interessen und den Konsequenzen. Denn mit einem fixen Zielwert werden sich Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam zu den getroffenen Interessensabwägungen bekennen müssen.
2,5-ha-Ziel derzeit unrealistisch
Ein bundesweites Ziel lässt offen, wie viel Fläche in den einzelnen Gemeinden in Anspruch genommen werden darf. Es bedarf deshalb einer tauglichen Methode, mit der ein Bundesziel in gerechter und praktikabler Weise auf die Bundesländer und Gemeinden „runtergebrochen“ werden kann.
Ferner muss klar sein, wie vorzugehen ist, wenn in einer Gemeinde das Flächenkontingent ausgeschöpft ist. Soll dann tatsächlich jegliche Bautätigkeit – auch wenn diese dringend benötigt wird – unterbunden sein? Erlauben möglicherweise Flächenzertifikate einen Handel mit freien Kontingenten? Soweit überblickbar gibt es in der Europäischen Union keinen Mitgliedstaat, der die Flächeninanspruchnahme zahlenmäßig beschränkt. Mangels Referenzmodellen müsste Österreich hier Pionierarbeit leisten.
Alles in allem bleibt damit vorerst festzuhalten, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein fixes 2,5-ha-Ziel weiterhin unrealistisch ist. Vor weiteren Verhandlungen und der Festlegung auf einen Zielwert braucht es Antworten auf die offenen Fragen. Ohne diese wäre eine weitere Debatte zu einem konkreten Zahlenwert verfrüht und einmal mehr zum Scheitern verurteilt.
ZIELWERTDEBATTE
Die aktuelle Debatte zum 2,5-ha-Ziel dreht sich derzeit vorrangig um den Klimaschutz, die Ernährungssicherheit und die Biodiversität. Andere Interessen wie etwa die Gewährleistung von leistbarem Wohnraum, das Gelingen der Energiewende durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Aufrechterhaltung eines attraktiven Wirtschaftsstandorts fanden bislang nicht die notwendige Beachtung.
Diese Interessen sind für Österreich aber ebenso von wesentlicher Bedeutung, wie zum Beispiel die aktuelle Forderung einer Oppositionspartei nach leistbarem Wohnen bestätigt. Ohne zusätzliche Flächen wird diesen Interessen nicht entsprochen werden können.
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Über den Autor: Mathias Pichler ist Fachreferent in der Abteilung Recht & Internationales des Österreichischen Gemeindebundes.