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Bürgermeisterinnentreffen 2023 in St. Ulrich: Starkes Zeichen für Frauen in der Politik

Von 9. bis 11. Juli trafen die österreichischen Bürgermeisterinnen zum alljährlichen Bürgermeisterinnentreffen zusammen. Austragungsort war dieses Jahr das oberösterreichische St. Ulrich bei Steyr. Rund 65 Ortschefinnen versammelten sich in der 3.000-Einwohner-Gemeinde bei der austragenden Bürgermeisterin Annemarie Wolfsjäger, um sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und gegenseitig zu unterstützen.

„Das alljährliche Bürgermeisterinnentreffen bietet einen hervorragenden Rahmen, um sich mit den Kolleginnen vernetzen und einander den Rücken zu stärken. Wir stellen immer wieder fest, dass der Austausch untereinander für die Arbeit in der eigenen Gemeinde unglaublich bereichernd sein kann“, so die Gastgeberin.

Bei sommerlichen Temperaturen empfing Bürgermeisterin Wolfsjäger mit ihrem Team von der Gemeinde St. Ulrich am Sonntagabend neben den Bürgermeisterinnen auch Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander, die Abgeordnete zum Oberösterreichischen Landtag, Regina Aspalter, und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl zum gemeinsamen Abendessen im Vorfeld des fachlichen Programms. Riedl betonte: „Es freut mich, dass unser Netzwerk wächst – in den letzten zwei Jahren haben wir immerhin 38 neue Bürgermeisterinnen dazu bekommen. Jede weitere Frau, die auch in der Kommunalpolitik dazu kommt, ist ein weiteres Vorbild und eine weitere Mutmacherin für Frauen, egal in welcher Position, egal in welcher Sparte.“

Erfahrung teilen und Inspiration sammeln

Der Montag startete mit einem Erfahrungsaustausch der Ortschefinnen über aktuelle Pilotprojekte in den Gemeinden. Im historischen Gebäude des Museums Arbeitswelt in Steyr diskutierten die Frauen über die brennenden Themen Kinderbetreuung, Verkehr und Energie sowie die praktische Umsetzung von dementsprechenden Projekten:

Maria Knauder aus St. Andrä im Lavanttal berichtete über einen geförderten Kindergarten-Neubau und das damit verbundene Betreuungskonzept sowie eine neue Verbindung des Pflegeheim-Gebäudes mit dem Betreuten Wohnen über einen Glaskorridor. Reka Fekete aus Au am Leithaberge erzählte von der raschen Umsetzung einer Tagesbetreuungseinrichtung für Unter-Drei-Jährige in einer kleinen Gemeinde.

Claudia Bock aus Wolfsgraben gewährte einen Einblick in die Errichtung einer Energiegemeinschaft mit gemeindeeigener PV-Anlage mit der Energie Zukunft Niederösterreich (EZN) und die damit verbundenen Probleme, etwa im Zusammenhang mit Speicherung von Strom und rechtlichen Vorgaben.

Öffentlicher Verkehr ist im ländlichen Raum ein großes Problem – Sabine Dorner-Leyerer aus Winklarn berichtete vom Projekt EMIL (Elektromobilität im ländlichen Raum), im Rahmen dessen die Gemeinde ein E-Auto ankaufte und ein bedarfsorientiertes Kinderschulbus-Modell ins Leben rief.

Besonders interessant waren für die Kolleginnen die verschiedenen Lösungsansätze für bürokratische und rechtliche Hürden sowie Tipps bei Förderungen.

Thema Kinderbetreuung als Dauerbrenner

©Franz Gleiß
FBM Susanne Raab ©Franz Gleiß

Im Anschluss stattete Frauenministerin Susanne Raab den Bürgermeisterinnen einen Besuch ab und betonte die wichtige Rolle der Gemeinden im Land. „Besonders im Kinderbetreuungs- und Pflegebereich sind die Kommunen die treibende Kraft bei der Umsetzung und beim Ausbau des Angebots“, so Ministerin Raab. „Der Bund ist dafür da, die Rahmenbedingungen zu schaffen und wir brauchen euch, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen.“ Die Ministerin richtete einen Appell an die Eigenverantwortung in der Bevölkerung, auch im Bereich der Kinderbetreuung und Kindererziehung. Künftig soll mehr Geld an die Bundesländer und an die Gemeinden zur Unterstützung von schutzbedürftigen Frauen verteilt werden, so die Ministerin, die auch auf den geringen Frauenanteil in politischen Positionen einging.  Susanne Raab: „Es braucht mehr Gleichstellung in der Kommunalpolitik. Wir müssen auch an die Männer appellieren, mehr Frauen zur politischen Mitbestimmung zu motivieren.“ Die Ministerin hob auch das Projekt „Girls in Politics“ hervor, im Rahmen dessen Mädchen und junge Frauen zum internationalen Tag der Mädchen ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei der Arbeit begleiten und dadurch Kommunalpolitik „schnuppern“ dürfen.

Mit den Bürgermeisterinnen diskutierte die Frauenministerin über die Themen Karenzverkürzung, Haftung, Kinderarmut, Ferienbetreuung, Regelungen zum Schülertransport, Gleichstellung in der Politik und den wachsenden Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Gemeinden.

Der Steyrer Bürgermeister Markus Vogl ließ es sich angesichts der in Steyr stattfindenden Programmpunkte nicht nehmen, seine Amtskolleginnen im Rathaus zu empfangen. Dabei erfuhren die Ortschefinnen einiges über die historischen Hintergründe der Stadt am Zusammenfluss von Steyr und Enns.

Was die Körpersprache verrät

©Franz Gleiß
©Franz Gleiß

Das Highlight des Nachmittags bildete der Workshop „Der Körper kann nicht lügen“ mit dem Pantomimen und Körpersprachen-Experten Samy Molcho, im Rahmen dessen die Teilnehmerinnen über die Macht der Körpersprache erfuhren und wie diese im zwischenmenschlichen Kontakt gedeutet und eingesetzt werden kann.

Bei einem Dine-Around in Steyr durften die Bürgermeisterinnen bei abwechslungsreichen Kulinarik-Stopps die Stadt Steyr noch näher kennenlernen und besuchten im Zuge einer Nachtwächter-Führung das berühmte Steyrer Kripperl, diverse historische Denkmäler und Gebäude sowie eine Filmvorführung aus dem Archiv der Stadt, die in schummrig-dämmriger Atmosphäre im Michaelerkeller – dem tiefsten öffentlich zugänglichen Gewölbekeller von Steyr – stattfand. Zum Abschluss ging es hoch über die Dächer der Stadt auf den Taborturm, wo die Teilnehmerinnen den Abend in bei spektakulärer Aussicht bei einem Freiluft-Dinner am Taborturm ausklingen ließen.

Friedensgemeinde St. Ulrich setzt Zeichen

Am Dienstag bekamen die Bürgermeisterinnen einen Einblick in das Projekt „Friedensgemeinde St. Ulrich“: Die Kommune wurde im Jahr 1982 im Zuge einer Deklaration zur ersten Friedensgemeinde der Welt. Seitdem wurde ein internationales Partnerstädte-Netzwerk geschaffen und zahlreiche Initiativen für den Frieden gesetzt – angefangen von Denkmälern über den St. Ulricher Friedensappell bis hin zu Jugendprojekten zum Beginn des Ukraine-Kriegs. Als Zeichen der Solidarität knüpften die Bürgermeisterinnen anschließend mit bunten Bändern ein symbolisches Kunstwerk. Bei einem Workshop mit Petra Gajar vom Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) wurden diese Themen weiter vertieft sowie Gesundheit im Amt angesprochen.

Im Zuge einer Besichtigung der Privatmolkerei Sommer in Ebersegg erfuhren die Teilnehmerinnen mehr über den Wirtschaftsstandort St. Ulrich und wie sich die nahe Landesgrenze zu Niederösterreich auf Wirtschaft und Gemeindeleben auswirkt.

Landeshauptmann zu Gast am Galaabend

©Franz Gleiß
©Franz Gleiß

Den Abschluss des Bürgermeisterinnentreffens machte der traditionelle Galaabend, an dem auch Landeshauptmann Thomas Stelzer teilnahm. Stelzer: „Auf die Gemeinden und Regionen kommen in den nächsten Jahren viele Herausforderungen zu. Als Bürgermeisterinnen habt ihr es da nicht immer leicht, ihr seid direkt dran an den Sorgen der Menschen. Vielen Dank für eure Arbeit in den Gemeinden!“

Angereichert mit vielen neuen Informationen, Kontakten und Erfahrungswerten konnten die Bürgermeisterinnen nach dem Treffen wieder in ihre Gemeinden zurückkehren. „Es ist schön zu spüren, dass man nicht alleine ist“, lautete das Credo der Ortschefinnen, die sich bereits auf das Bürgermeisterinnentreffen 2024 in den burgenländischen Gemeinden Rauchwart und Deutsch-Kaltenbrunn freuen.

Über die österreichischen Bürgermeisterinnen

Aktuell gibt es in Österreich 221 Bürgermeisterinnen. Bei 2.093 Gemeinden ist das ein Anteil von 10,6 Prozent. Die meisten weiblichen Ortschef*innen gibt es in Niederösterreich (81), gefolgt von Oberösterreich (49), der Steiermark (28) und Tirol (20). Im Burgenland gibt es aktuell 17, in Kärnten 10, in Salzburg 10 und in Vorarlberg 6 Bürgermeisterinnen. Besonders erfreulich ist, dass der Frauenanteil unter den Bürgermeister*innen seit mehreren Jahren stetig steigt: Allein innerhalb der letzten eineinhalb Jahre sind 38 neue Frauen ins Amt gewählt worden.