Der Vorarlberger Gemeindeverband feierte im Rahmen des Vorarlberger Gemeindetags 2019 sein 70-jähriges Bestehen. Anlässlich der Tagung betonte der Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbands, Harald Köhlmeier, die Forderung nach einer vereinheitlichten Zuständigkeit für die Schülerbetreuung.
Die Tagung des Vorarlberger Gemeindeverbands am 3. Juni 2019 in Hard stand ganz im Zeichen seines 70-Jahr-Jubiläums. Abseits der Feierlichkeiten lag der Fokus auf aktuellen Themen: Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl und der Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbands Harald Köhlmeier beriefen sich auf die steigenden Anforderungen an die Gemeinden durch den Bund und forderten nachdrücklich eine Aufgabenentflechtung im Schulbereich.
Bedeutung des Gemeindeverbands ungebrochen
Köhlmeier sprach von der nach wie vor ungebrochenen Bedeutung des Gemeindeverbands. Angesichts der steigenden Herausforderungen brauche es eine starke Interessensvertretung, die für die gemeinsamen Interessen und Bedürfnisse der Kommunen eintrete und in die Presche springe, wenn es gelte, übermäßige Belastungen abzuwehren. „Die gesetzlichen Anforderungen, aber auch die Bedürfnisse der Bevölkerung haben enorm zugenommen“, betonte Köhlmeier mit Hinblick auf die vergangenen 70 Jahre.
Als Hauptpunkte nannte er die Themen Soziales und Gesundheit inklusive Pflege und Kinderbetreuung sowie Digitalisierung. Bereits jetzt machen allein Soziales und Gesundheit 30 Prozent der laufenden Ausgaben der Gemeinden aus. Deshalb sei es essenziell, eine konsequente Position gegenüber Bund und Land einzunehmen. „Es muss klar sein: Wer anschafft, muss auch zahlen“, machte Köhlmeier deutlich.
Kompetenzentflechtung bei Schule gefordert
Ein Bereich, der dem Gemeindeverbandspräsidenten besonders am Herzen liegt, ist die Schülerbetreuung. Seit Jahren weise man darauf hin, dass „die Schülerbetreuung Teil der Schule ist und in eine Hand gehört“, sagte Köhlmeier. Der Unmut der Gemeinden mit der derzeitigen Situation steige zunehmend, gerade auch deshalb, weil ihnen immer mehr Aufgaben aufgebürdet würden. „Hinzu kommt, dass der Bund die Anforderungen an das Betreuungspersonal ständig höherschraubt, sich allerdings bei der Förderung auf Anschubfinanzierungen beschränkt“, machte Köhlmeier seinem Ärger Luft. Nichts Anderes sei das neue Bildungsinvestitionsgesetz.
Ein vom Österreichischen Gemeindebund in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt nun die Auffassung des Vorarlberger Gemeindeverbands. Der Verfassungs- und Verwaltungsjurist Professor Bernhard Raschauer stellt darin fest, dass sich die Zuständigkeit des Schulerhalters auf die äußere Organisation beschränkt. Sowohl die Bestellung von Schulärzten als auch die von Freizeitpersonal fallen laut Raschauer nicht darunter.
Der Vorarlberger Gemeindeverband sehe hier, insbesondere bei ganztägigen Schulformen, dringenden Handlungsbedarf, so Köhlmeier, der sich seitens des Landes praktikable Lösungsvorschläge erwartet.
Land und Gemeinden: Partnerschaft auf Augenhöhe
Rückblickend auf die vergangenen 70 Jahre bezeichnet Köhlmeier die Zusammenarbeit mit dem Land Vorarlberg als gut und konstruktiv. „Wir werden als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen“, was der seit 2013 amtierende Gemeinde- verbandspräsident auch auf den Fokus der als Verein organisierten Interessensvertretung auf Sachpolitik zurückführt.
Seit 1984 ist das Anhörungsrecht des Gemeindeverbandes bei der Begutachtung von Gesetzesentwürfen in der Landesverfassung verankert. „Unsere Sicht zum Wohl der Gemeinden haben wir seither bei zahlreichen Gesetzen eingebracht“, stellte Köhlmeier fest. Oberste Priorität habe nach wie vor die Sicherstellung der Gemeindeautonomie.
Neben steigender Herausforderungen waren die vergangenen 70 Jahre für den Vorarlberger Gemeindeverband von zahlreichen Erfolgen geprägt. Der größte ist seit Beginn der freiwillige Zusammenhalt aller 96 Gemeinden. „Diese Einigkeit gibt es in Österreich nur in Vorarlberg. Sie garantiert uns die nötige Schlagkraft“, betonte der Gemeindeverbandspräsident stolz.
Millionenschwere Entlastungspakete für Gemeinden verhandelt
Als Meilensteine der vergangenen Jahre nannte Köhlmeier etwa die Einführung des Bürgermeister-Pensionsfonds, der 1999 in das Sozialversicherungs- system überführt wurde, die Schaffung eines eigenen Strukturfonds zur Unterstützung finanzschwacher Gemeinden bei Infrastrukturprojekten, die Gehaltsreform von 2005, die eine funktions- und leistungsbezogene Entlohnung der Gemeindebediensteten und eine Umverteilung der Lebensverdienstsumme vorsah.
Ein besonderes Augenmerk legte Köhlmeier auf die zahlreichen Gemeindefinanzpakete. Vor allem im Sozial- und Spitalsbereich habe der Vorarlberger Gemeindeverband millionenschwere Entlastungspakete für die Kommunen verhandelt. 2015 sei erstmals auch eine Deckelung des Beitrags der Gemeinden an den Sozialfonds erreicht worden, die beim Kostenanteil der Gemeinden einen Deckel von 100 Millionen Euro plus einer jährlichen Indexierung vorsieht.
Die derzeit gültige Regelung läuft 2020 aus. „Die Stärkung der Finanzkraft der Gemeinden ist ein Gebot der Stunde“, stellt Köhlmeier klar. „Wir arbeiten deshalb bereits mit dem Land daran, über die Periode des Finanzausgleichs hinaus, Planungssicherheit für die Gemeinden zu erreichen.“
„Keine Wahlzuckerl“, fordert Riedl
Der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, Alfred Riedl, ging in seiner Rede auch auf die derzeitige Situation im Bund ein. Mit dem Hinweis auf die teuren Parlamentsbeschlüsse 2008 und 2017 appellierte er an die Parteien im Nationalrat: „Bis zur Neuwahl darf es keine Wahlzuckerl auf Kosten der Gemeinden geben.“ Vielmehr sollte jetzt der Fokus darauf liegen, das umzusetzen, was vereinbart war.
Riedl verwies beispielsweise auf das Bildungsinvestitionsgesetz, bei dem es um den Ausbau der Kinderbetreuung in den Schulen geht. „Das Gesetz liegt im Parlament und braucht nur mehr beschlossen werden. Die Novelle würde den Gemeinden zumindest bis 2022 Klarheit und Planungssicherheit bringen“, betonte der Gemeindebund-Präsident.
Riedl gratulierte dem Vorarlberger Gemeindeverband zum 70. Geburtstag und strich dabei die starke Rolle der Gemeinden hervor: „Das Land Vorarlberg ist heute eine aufstrebende und wohlhabende Region mit starken und selbstbewussten Gemeinden. Ohne die vielen Akteure, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Gemeindemandatare, die in den vergangenen Jahrzehnten in ihren Gemeinden Verantwortung übernommen haben, stünde das Land heute nicht so erfolgreich da. Ich möchte all diesen Menschen für ihre unglaublich wichtige Arbeit für die Demokratie und die Gesellschaft von Herzen danken.“
Vier verdiente Funktionäre geehrt
Anlässlich des Vorarlberger Gemeindetages ernannte Präsident Harald Köhlmeier Altbürgermeister Wilfried Berchtold zum Ehrenpräsidenten des Gemeindeverbandes. Berchtold war von 1995 bis 2011 Präsident der Interessensvertretung und damit länger im Amt als jeder seiner Vorgänger. „Wilfried Berchtold hat sein Amt mit unglaublicher Leidenschaft, mit hohem Einsatz und großem Engagement ausgeübt. Zahlreiche wegweisende Projekte und Innovationen tragen seine Handschrift“, bedankte sich Köhlmeier bei seinem Vorgänger.
Ebenfalls für ihre Verdienste um die Vorarlberger Gemeinden wurden Landtagspräsident Harald Sonderegger und Altbürgermeister Erwin Mohr sowie der langjährige Geschäftsführer des Vorarlberger Gemeindeverbands Peter Jäger ausgezeichnet. Sie erhielten den Ehrenring der Interessensvertretung.