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KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT

cover zukunftsbericht 2020

Bereits zum neunten Mal erscheint heuer der „Kommunale Zukunftsbericht“ für Österreichs Gemeinden. Der Kommunale Zukunftsbericht ist ein offener, publizistischer Think-Tank, in dem sich Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen mit Zukunftsfragen für Gemeinden beschäftigen. Im Jahr 2020 steht er unter dem Stern der krisenbedingten Renaissance der Heimatgefühle. Im Kommunalen Zukunftsbericht 2020 finden Sie spannende Beiträge zu Phänomenen und Trends, die den ländlichen Raum stärken, Herausforderungen des Bürgermeister-Berufes, die digitale Zukunft der Gemeinden, innovative Lösungsmodelle für gesellschaftliche Themen und vieles mehr. Lernen Sie die Autorinnen und Autoren des Kommunalen Zukunftsberichts 2020 kennen und laden Sie sich per Mausklick jeweils den kompletten Beitrag als PDF herunter.

©Schuller

Bürgermeister Mag. Alfred Riedl
Präsident des Österreichischen Gemeindebundes

Auf die Gemeinden ist immer Verlass

Die Krise zeigt ganz deutlich, dass die Gemeinden gerade in herausfordernden Zeiten ein Garant der Stabilität und des Zusammenhaltes sind. Die Bürger spüren: Auf die Gemeinden ist immer Verlass. Mit dem ersten Lockdown fand auch ein Sinneswandel statt. Heute ist es kein Widerspruch mehr, am Land zu leben und auch dort zu arbeiten. Dabei zeigt sich die Digitalisierung als Chance des Jahrhunderts für den ländlichen Raum, die es nun zu nutzen gilt. Ein wichtiger Umsetzungspunkt ist dabei der flächendeckende Glasfaserausbau im ganzen Land. Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl weiß: Wer die Datenautobahn in die Zukunft nicht nutzen kann, wird am Abstellgleis der Vergangenheit enden.

Sind die Gemeinderechtssysteme krisentauglich?

Die Corona-Krise traf die Gemeinden unvorbereitet: Die Bürgermeister in Österreich besitzen zwar als Krisenmanager langjährige Erfahrung und wissen, was in Katastrophenfällen zu tun ist. Doch mit Hochwasser, Lawinen oder Murenabgängen ist die globale Corona-Krise nicht vergleichbar. Die Bürgermeister bewiesen sich trotz der neuen Situation rasch als flexible Krisenmanager vor Ort. In ihren Kompetenzen sind die Ortschefs mit Notverordnungen aber beschränkt – Walter Leiss, Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes und Kommunalrechts-Experte hat sich damit befasst, ob die Gemeindeordnungen für solche Krisensituationen ausgelegt sind. Dabei zieht er einen Vergleich zwischen der kommunalen Handlungsfähigkeit in Österreich und jener des deutschen Nachbarn und identifiziert Verbesserungspotenzial. Für die Gemeinden braucht es nämlich auch in Krisenzeiten Rechtssicherheit und Klarheit.

©Schuller

Dr. Walter Leiss
Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes

©Addendum

Michael Fleischhacker
Journalist

Gegen das Virus, gegen die Welt

Während der Pandemie wurde die Stadt als Knotenpunkt des Globalisierungsgeschehens zum Knotenpunkt des Infektionsgeschehens. Die Heimat auf dem Land versprach schon im ersten Lockdown Abstand von der Welt und Sicherheit vor dem Virus. Die Renaissance der Heimatgefühle lässt sich aber schon länger beobachten, und hat vor allem mit dem Phänomen der Entfremdung durch Beschleunigung zu tun, so der Journalist Michael Fleischhacker. Aber nicht nur die Heimat feiert eine Wiedergeburt. Viele Themen, die man dem frühen 20. Jahrhundert zuordnet, können auch auf die Gegenwart zu Beginn des 21. Jahrhunderts umgelegt werden: die Zunahme psychischer Krankheiten aufgrund von Überforderungssyndromen, die Faszination für und Angst vor dem sprunghaften Anstieg der Geschwindigkeiten in Transport und Kommunikation. Die Sehnsucht nach Heimat, so könnte man das interpretieren, ist die Kehrseite der Beschleunigung der Weltverhältnisse.

Nach Corona: Die Zukunft von Stadt und Land

Die Kluft zwischen Stadt und Land vergrößert sich zusehends – vor der Pandemie ging der Trend klar in eine Richtung: Das Land wurde weitgehend als Verlierer der Globalisierung dargestellt, die Stadt als Gewinner. Doch gerade das Virus hat zu einer Veränderung des Verhältnisses von Stadt und Land geführt. Plötzlich war das Land begehrenswert, weniger anfällig für Lieferengpässe und resistenter als die Stadt. Eine neue Form der Stadtflucht gewinnt seitdem an Aufwind. Daniel Dettling ist Zukunftsforscher und berät Institutionen und Unternehmen. Er ist davon überzeugt, dass Stadt und Land einander gegenseitig bedingen und sieht gerade in dezentralen Strukturen eine Chance zur Entlastung in schwierigen Zeiten. In seinem Beitrag beleuchtet er verschiedene Phänomene und Trends, die den ländlichen Raum stärken. Den Kommunen kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.

©Klaus Vyhnalek

Matthias Horx
Zukunftsforscher

Corona und die Kommunalpolitik

Was bedeutet die Corona-Krise für die Kommunalpolitik, und im weitesten Sinne für unsere Gesellschaft? Jede Krise entwickelt ein eigenes Narrativ, die die menschliche Kultur verändert – die Sitten und Bräuche, die Wertesysteme und Denkweisen. Die Corona-Krise berührt das Alltagsleben im Kern – bis hin zum Selbstverständnis des Menschen – sie ist eine Tiefenkrise. Solche Tiefenkrisen beschleunigen Trends, die bereits sichtbar waren, aber in latenten Zuständen verharrten. So entwickelte sich gegen den Trend der Totalglobalisierung schon lange eine Retro-Sehnsucht nach Heimat und Verwurzelung. Zukunftsforscher Matthias Horx ist überzeugt: Die Corona-Krise könnte indirekt zu einer Stärkung der lokalen “Governance” führen, jene Vertrauensbildung verstärken, die gerade in schweren Zeiten so ungeheuer wichtig ist. Zwar wird sie nicht dazu führen, dass die Städter massenhaft aufs Land flüchten, aber das Stichwort der Zukunft lautet: „Ent-Massung“.

Die kommunale Fieberkurve
Umfrage unter Bürgermeister*innen

Den Herausforderungen des Bürgermeister-Berufs widmen Meinungsforscher Paul Unterhuber und Politikberater Thomas Hofer einen gemeinsamen Beitrag. Die enorme Verantwortung, Aufgabenvielfalt und Zuständigkeitsbereiche machen die Bürgermeister zur „eierlegenden Wollmilchsau“ der österreichischen Politik. Doch wie sehen das eigentlich die Bürgermeister selbst? Die Ergebnisse von zwei groß angelegten Studien unter Ortschefs in ganz Österreich zeigen eines deutlich: Die Gemeindeoberhäupter sehen sich zunehmend Belastungen ausgesetzt, die durch die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre noch verstärkt werden. Gemeindefinanzen und soziale Themen werden als besonders herausfordernd empfunden. Im Zuge der Corona-Krise haben die Sorgen der Bürgermeister um ihre Gemeinden – wenig überraschend – zugenommen. Die beiden Studien verdeutlichen zudem nicht nur aktuelle kommunalpolitische Themen, sondern bieten auch die Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge für das Berufsbild Bürgermeister abzuleiten.

Bild: ZVG

Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher
Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes

Bürgermeister*innen als Sündenböcke?!

Die Anforderungen an und Belastungen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern hat in den letzten Jahren zugenommen: Das ergab eine Studie im Auftrag des Gemeindebundes. Mit den sozialen Netzwerken ist die Hemmschwelle für persönliche Attacken auch deutlich gesunken. Immer mehr Bürgermeister fühlen sich als Zielscheibe von Hass und Frust einzelner Gemeindebürger. Die Bandbreite dafür ist groß, und reicht von gehässigen Facebook-Kommentaren bis hin zu tätlichen Angriffen. Sonja Ottenbacher, Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes und ausgebildete Psychotherapeutin, weiß: Die Seele hat keine dicke Haut. Daher braucht es Schulungen und Informationen, wie man sich gegen Drohungen und Angriffe wehren und schützen kann.

Die digitale Zukunft der Dörfer

Gerald Swarat, Leiter des Berliner Büros des Fraunhofer Instituts für Experimentelles Software Engineering, ist überzeugt davon, dass die digitalen Entwicklungen der heutigen Zeit eine große Chance für die Regionen darstellen. Digitalisierung, so Swarat, sollte als Standortfaktor für ländliche Kommunen genutzt werden. Auf dem Weg dorthin sieht er aber auch Herausforderungen auf die Gemeinden zukommen. Dabei gibt es weit mehr zu beachten als den Breitbandausbau – Trends wie Fachkräftemangel oder neue Formen der Arbeit können von den Kommunen genützt werden. Einige erfolgreiche Beispiele, wo gesellschaftliche Themen wie etwa Pflege, gesellschaftliche Teilhabe oder Bildung mit innovativen Lösungsmodellen verbunden wurden, stellt Swarat in seinem Beitrag vor. Er gibt konkrete Empfehlungen ab, was Bürgermeister tun können, um die digitalen Entwicklungen bestmöglich zu nützen.

Bild: ZVG

Heidi Glück
Kommunikations- und Politikberaterin

Aktive Kommunikation mit den Bürgern – Mühsal oder Chance?

Wer nicht kommuniziert, über den wird kommuniziert, weiß die Kommunikations- und Politikberaterin Heidi Glück. Daher wird die kommunale Auskunftsfreudigkeit steigen müssen – nicht zuletzt auch im Rahmen des neuen Informationsfreiheitsgesetzes. Aber auch die ethische Informationsverpflichtung gegenüber den konkret Betroffenen im Dorf ist unmittelbarer und direkter denn je. Der technische Fortschritt eröffnet ungeahnte Perspektiven der Bürgerbeteiligung. Social Media ist wichtiger denn je, jedoch wissen viele nicht so recht, wie man damit umgeht. Doch gerade digital bietet sich Gemeindevertretungen die Chance, ihrem Ort Profil zu geben und eine Vision für die Zukunft zu entwerfen. Außerdem: Je mehr sich in einer Gemeinde bereits moderne Strukturen der Kommunikation etabliert haben, desto besser läuft der Informationsaustausch auch in Krisenzeiten.

Interview: „Die Sorge der Jugend über den Klimawandel ist berechtigt“

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Abgesehen von massiven Veränderungen in der Umwelt hat er auch bedeutende Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben in den Gemeinden, etwa im alpinen Tourismus. In einem Interview erläutert der Klimaforscher Hans von Storch seine Einschätzungen zum Klimawandel und dessen Folgen für die Gesellschaft. Er spricht davon, was jeder Einzelne tun kann, was das Ausrufen eines „Klimanotstands“ bewirkt und welche Veränderungen notwendig sind, um eine Trendwende zu erzielen. Den Gemeinden kommt dabei eine nicht unwesentliche Rolle zu. Dass die Corona-Krise, entgegen bestimmter Annahmen, eine Auswirkung auf das Umweltbewusstsein der Menschen haben könnte, sieht der Klimaforscher differenziert.

Bild: ZVG

Andreas Tröscher
Journalist

Die Reifeprüfung: Die Flüchtlingskrise 2015

Bei der erfolgreichen Integration größtenteils kriegstraumatisierter Menschen nach der Flüchtlingskrise 2015 war vor allem das Fingerspitzengefühl der Bürgermeister im Umgang mit der einheimischen Bevölkerung entscheidend. Der Journalist Andreas Tröscher zieht ein Fazit des Integrationsbemühen in einigen österreichischen Gemeinden. Als Eckpfeiler des Erfolgs stellten sich Struktur, Regeln, Eigenverantwortung und Tagesablauf heraus. Beim Engagement unter der Bevölkerung merkten viele Bürgermeister nach anfänglicher Skepsis einen Kippeffekt: Viele halfen mit. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren bei Gefühlen aller Art, so auch bei Unsicherheit und Widerstand, erste Anlaufstelle. Trotz aller Mühen zeigte sich: Die Personenzahl der Asylwerbern, die tatsächlich in kleinen Gemeinden blieben, ist überschaubar.

Wenn Kinder die Welt regieren würden…

Wichtige Entscheidungen sollten nicht nur von den Großen getroffen werden, finden Martina Kogler, 12 Jahre alt, und ihr 9-jähriger Kollege Valentin Watzinger. Sie bekleideten im Jahr 2019 das Amt der Grazer Kinderbürgermeister. Das Grazer „KinderParlament“ wurde 2005 gegründet und gibt als Beteiligungsprojekt allen Kindern aus Graz zwischen acht und 14 Jahren die Möglichkeit, demokratische Prozesse hautnah zu erleben. Die Kinder lernen, verschiedene Meinungen zu argumentieren und gemeinsam Lösungen zu finden. In einem Interview erzählen Martina und Valentin, was sie an ihrer Stadt ändern würden, welche wichtigen Themen und Bedürfnisse von Erwachsenen nicht genug berücksichtigt werden, was sie an der Politik stört und was das „KinderParlament“ in Graz bereits erreicht hat.

Hier können Sie den gesamten Zukunftsbericht herunterladen: