Falschmeldungen und Gerüchte verbreiten sich heute rasanter denn je – oft über soziale Medien, manchmal sogar über den sprichwörtlichen Dorftratsch. Für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kann das schnell zur Herausforderung werden: Ein unbedachter Kommentar oder ein manipuliertes Posting kann Zweifel säen und das Vertrauen in die Gemeindeführung untergraben.
Die Kommunikationsexpertin Ingrid Brodnig beschäftigt sich seit Jahren mit den Mechanismen von Desinformation und digitaler Meinungsmache. In ihren Publikationen zeigt sie praxisnah, wie öffentliche Verantwortungsträger auf Fake News reagieren können, ohne diese ungewollt zu verstärken. Ihre zentralen Botschaften: Ruhe bewahren, transparent kommunizieren und langfristig Vertrauen aufbauen.
Im Folgenden fassen wir Brodnigs wichtigste Empfehlungen zusammen – speziell für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die im digitalen Zeitalter glaubwürdig, klar und bürgernah informieren wollen.
Konkrete Beispiele und Lösungen aus der Praxis
So schilderte sie das Beispiel geglückter Kommunikation in Waidhofen an der Thaya. Dort ging das Gerücht um, ein junger Mann sei beim Geldabheben von einem Flüchtling mit Messer bedroht worden. Der Bankdirektor der lokalen Bank hörte das zufällig – und überprüfte sofort die Videoaufzeichnungen. Ergebnis: Es gab keinen Überfall. Ein Mann hob Geld ab, stieg ins Auto und fuhr weg.
Die Bank stellte das Gerücht daraufhin auf Facebook richtig: „Aufgrund anhaltender Gerüchte stellen wir klar: Es gab keinen Überfall.“ Dieses Posting bekam für die Bank beachtliche Resonanz. Die Lokalmedien griffen es auf, und sogar Armin Wolf postete dazu. Das Beispiel zeigt: Kommunikation wirkt.
Viralität falscher Behauptungen und Gerüchte
Warum aber verbreiten sich falsche Gerüchte so schnell? Brodnig verweist auf Studien, die zeigen: Inhalte, die Emotionen auslösen, verbreiten sich stärker – insbesondere Wut. Emotionalität führe relativ sicher zu Viralität. Das gelte für nationale Medien wie die New York Times, aber auch für lokale Facebookgruppen.
Gerade in Gemeinden gibt es viele „Wutthemen“: Verkehr, Baustellen, Weihnachtsmärkte, Projekte. Kleine Irritationen können online schnell eskalieren. Ein Beispiel: Jemand postet in einer lokalen Gruppe, dass er im Stau steht. Daraus entwickelt sich rasch eine aggressive Diskussion über das Verkehrsaufkommen mit Drohungen und Schimpftiraden.
20 Prozent schreiben 73 Prozent der Kommentare
Hinzu kommt: Meist ist es nur eine kleine, besonders aktive Minderheit, die die Diskussionen dominiert. Eine Untersuchung der Nationalratswahl 2017 zeigte: 20 % der aktivsten Nutzer schrieben 73 % aller Kommentare. Wahrscheinlich ist es in Gemeinden ähnlich: Eine kleine Gruppe verursacht den Großteil des Kommunikationsaufwands.
Was tun?
- Respektvolle Räume bewahren. Schon ein Schimpfwort kann eine Debatte polarisieren – das nennt man den „Nasty Effect“. Wenn Beleidigungen fallen, sinkt die Chance auf Kompromisse, Verständnis und Ausgleich.
- Schnelle Reaktion. Beispiel: 2017 kursierte ein gefälschtes Amtsdokument, das angeblich vom deutschen Innenministerium stammte. Das Ministerium reagierte innerhalb von 24 Stunden und stellte klar: „Dieses Dokument ist frei erfunden.“ Die Richtigstellung war sichtbarer als die Falschmeldung – was selten gelingt, aber hier dank Geschwindigkeit möglich war.
- Richtig kommunizieren. Nicht die Falschmeldung wiederholen („Obama ist kein Moslem“), sondern die Wahrheit betonen („Obama ist Christ“). Das nennt man die „Truth-Sandwich“-Methode: Wahrheit – Falschheit – Wahrheit. So bleibt das Richtige haften.
- Nicht am Falschen hängen bleiben. Fake News zwingen uns, ständig über falsche Dinge zu sprechen. Wichtig ist, die eigenen Projekte und deren Sinn zu erklären. Statt sich in Abwehrkämpfen zu verlieren, sollte man klar darstellen: Warum machen wir das?
(Quelle: Ingrid Brodnig)