Skip to content
NEWS

Wer finanziert die Energieunabhängigkeit?

Artikel vorlesen lassen:

Die Energiewende kostet Billionen – doch wer finanziert die Energieunabhängigkeit Europas? In Zeiten, in denen Bilanzdefizite den Spielraum von Staaten verringern, kommt privaten Banken dabei eine wichtige Rolle zu.

Einst vorhersehbare globale Wirtschaftsstrukturen sind heute weniger klar berechenbar. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, das veränderte wirtschaftspolitische Selbstverständnis der USA unter der Trump-2.0-Administration, steigende Handelszölle und eine wachsende Skepsis gegenüber der Grünen Wende markieren eine Zäsur. Gleichzeitig streben immer mehr Staaten eine unabhängige Energieversorgung an – mit oft ungelösten Fragen der Finanzierung.

Viel Geld für die Unabhängigkeit. Die Zahlen sprechen für sich: Laut Europäischer Zentralbank wird die Energiewende in der EU bis 2031 vier Billionen Euro an zusätzlichem Kapital erfordern. Drei Viertel davon sollen aus privaten Investitionen stammen. Was klar macht: Ohne eine enge Zusammenarbeit zwischen Staaten, Banken und Investoren wird die Vision eines energieunabhängigen Europas nicht erreichbar sein. Gerade das Engagement von spezialisierten Banken mit großer Expertise in der Infrastrukturfinanzierung ist wichtig für Fortschritt.

Ist Europa handlungsfähig? Ein Blick auf die aktuellen Investitionsströme zeigt: Europa kann handeln. „Allein 2024 flossen rund 350 Milliarden Euro in europäische Infrastrukturprojekte“, erläutert Sebastian Firlinger, CEO der Kommunalkredit. Die europaweit aktive Bank mit Headquarter in Wien konnte ihr Neugeschäftsvolumen im letzten Jahr um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Besonders in den Bereichen erneuerbare Energien, Dateninfrastruktur und Kreislaufwirtschaft entstehen neue Investitionschancen. „Neben klassischen PV-Solar- und Windprojekten sehen wir starke Impulse in Batteriespeichern, Biogas und Wasserstoff“, so Firlinger. „Europa hat das Potenzial, eine globale Vorreiterrolle in nachhaltiger und smarter Infrastruktur einzunehmen. Doch dafür braucht es Mut.“

Vom Green Deal zur Clean Industry: Europas Antwort auf Amerika. Europa braucht eine neue Strategie, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Während die USA unter Trump fossile Energien stärken könnten, setzt die EU mit dem Clean Industrial Deal auf eine nachhaltigere Strategie. Es geht nicht mehr ‚nur‘ um Klimaschutz, sondern um wirtschaftliche Unabhängigkeit. „Wir können es uns nicht leisten, in Dogmen zu verharren. Die Wirtschaft braucht realistische Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum“, sagt Firlinger. Die Frage sei daher nicht, ob, sondern ob schnell genug investiert wird. Der Clean Industrial Deal soll auch durch weniger Bürokratie und gezielte Anreize die Wirtschaftskraft Europas sichern. Kritiker warnen vor einer Aufweichung der Klimaziele, während Befürworter die Strategie als pragmatisch bewerten und Erfolgschancen der Energiewende in direktem Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tragfähigkeit sehen. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, was in unserer Hand liegt“, so der Banker. „Ob Donald Trump versucht, die Zeit zurückzudrehen, spielt für unsere Arbeit keine Rolle. Die Debatte ist vorbei: Erneuerbare Energien sind essenziell. Entscheidend ist: Wie werde ich unabhängiger?“

Der eigenen Stärken bewusst werden. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Europa den Balanceakt zwischen Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Stärke meistert – und aus vermeintlichem Widerspruch neue Kraft schöpft. Denn die Welt wartet nicht. Während die USA und China längst ihre eigenen Interessen durchsetzen, muss Europa beweisen, dass nachhaltige Industrialisierung kein Widerspruch, sondern der Schlüssel zu Energieunabhängigkeit und Wohlstand ist.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Gespräch in der Ausgabe der FAZ vom 16. März.
©HYPO NOE/Herbst