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Forum 3: Betreuung im Alter

Im zweiten Forum im Rahmen der Kommunalen Sommergespräche wurde über die Alternativen zum Pflegeheim diskutiert. das „Rundum-sorglos-Paket“ bräuchten nicht alle älteren Menschen, waren sich die Experten einig.

Das klassische Pflege- und Altenheim bietet ein „Rundum-sorglos-Paket“ für seine Bewohner. Die Frage ist aber: Brauchen wirklich alle Bewohner die Vollversorgung eines Heims. Nein, lautete die Antwort der Experten im Forum 3 der Kommunalen Sommergespräche 2018. Einerseits, weil die Betreuung und Pflege in stationären Einrichtungen mit die teuerste Variante der Versorgung darstellt. Andererseits, weil insbesondere Menschen in den niedrigen Pflegestufen 0 bis 3 nicht auf Komplettbetreuung angewiesen sind und mitunter durchaus – mit Einschränkungen – zum selbstbestimmten Leben fähig sind.

Vortragende Prof. Dr. Brigitta Nöbauer von der FH Oberösterreich. ©event-fotograf/Gemeindebund
Vortragende Prof. Dr. Brigitta Nöbauer von der FH Oberösterreich. ©event-fotograf/Gemeindebund

Nicht alle brauchen das „Rundum-sorglos-Paket“

Prof. Brigitta Nöbauer vom Department Gesundheits-, Sozial- & Public Management der FH Oberösterreich hat untersucht, unter welchen Voraussetzungen der Heimeinzug bei Menschen mit niedrigen Pflegestufen reduziert werden kann. Ihr Ansatz: Einzelfälle müssten im Rahmen eines echten „Case Management“ verstärkt beurteilt werden, satt bloßer Orientierung an den vorhandenen Pflegestufen. „Außerdem müssten alternative Wohnformen ausgebaut werden“, sagt Nöbauer. Einerseits durch mehr Personal sowie auch durch Gestaltung passgenauer Leistungspakete und Einbeziehen von Angehörigen. Nöbauer regt außerdem die Mitbetreuung von Personen durch Angebote „unter einem Dach“ an, sprich, Pflegeheime könnten Wohneinrichtungen im unmittelbaren Umfeld mitbetreuen. Nöbauers Appell: „Mobile Dienste sind derzeit kaum eine Alternative.“ Einerseits aufgrund des aktuellen Leistungsangebots und auch aufgrund der Kosten.

Der Bauernhof als Sozialeinrichtung

Nicole Prop, Geschäftsführerin des Vereins „Green Care Österreich“, gab im Forum einen Überblick über das Geschäftsmodell, Bauernhöfe auch als Betreuungs- und Pflegezentren zu nutzen. „Warum nicht den Bauernhof auch als Sozialeinrichtung bespielen in Kooperation mit etablierten Anbietern?“, fragt Prop. „Der Bauer soll weiter Landwirt sein können, aber der Hof bietet dann eine zusätzliche Einnahmequelle. Die Leute bekommen eine Aufgabe , Tagesstruktur und Betreuung. Außerdem schafft dieses System Arbeitsplätze und der Bauernhof wird zum Motor in der Region.“ Green Care ist bundesweites Netzwerk aller maßgeblichen Player und Interessensvertretungen, aktuell gibt es 30 zertifizierte Green-Care-Betriebe. Was sich Prop wünscht, ist eine Abkehr von allzu starren gesetzlichen Strukturen und strengen Förderrichtlinien, um solche Projekte vorantreiben zu können. Weil, so Prop, „1,4 Millionen alleinlebende Österreicher werden auch alt. Und auch behinderte Menschen werden alt, da stehen uns große Herausforderungen bevor“.

Weitere Impulsgeberin Mag. (FH) Nicole Prop, Geschäftsführerin von Green Care Österreich. ©event-fotograf/Gemeindebund
Weitere Impulsgeberin Mag. (FH) Nicole Prop, Geschäftsführerin von Green Care Österreich. ©event-fotograf/Gemeindebund

Adelwöhrerhof als Vorzeigebeispiel

Ein Beispiel für einen Green-Care-zertifizierten Betrieb ist der „Adelwöhrerhof“, eine stationäre Einrichtung für Pflegebedürftige im steirischen St. Oswald/Möderbrugg. „Wir waren beide stur, mein Mann wollte Bauer bleiben, ich wollte etwas in der Pflege machen“, beschreibt Betreiberin und Diplomkrankenschwester Petra Steiner den Start des Projektes vor 18 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Johann. Der Adelwöhrerhof ist eine Biolandwirtschaft mit 13 Hektar Grünland und ebenso vielen Hektar Wald. Johann Steiner ist Bauer und Heimleiter, seine Frau Petra die pflegerische Leiterin. 14 hochbetagte Personen werden am Hof von den Steiners und zwölf speziell ausgebildeten Angestellten betreut und gepflegt. Petra Steiner: „Wir leben tatsächlich am Bauernhof und lassen unsere Bewohner daran aktiv oder passiv teilhaben. Die am Hof lebenden Tiere wie Pferde, Ziegen, Schafe, Hühner und andere bieten sich als Therapeuten an. Unsere Bewohner sind dankbar, dass sie noch ein paar Stunden unser Leben mit uns teilen können.“

Demenzfreundliche Gemeinde Klosterneuburg

Ist der Adelwöhrerhof ein Best Practice Beispiel für die Möglichkeit einer echten Pflegeheim-Alternative im ländlichen Raum, kann Klosterneuburg ein Vorbild für Initiativen im eher stadtnah geprägten Umfeld sein. Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager hat gemeinsam mit der Caritas vor rund einem Jahr das Projekt „demenzfreundliche Gemeinde“ ins Leben gerufen. „Die Idee war, ein Netzwerk aufzubauen mit allen, die in der Betreuung von Demenzkranken mitwirken können“, erzählt der Ortschef. Vom klassischen Pflegheim über Ärzte, Spital, Apotheken, Hilfsorganisationen und Sozialvereine wurden alle möglichen Institutionen in das Demenz-Netzwerk eingebunden. Mittlerweile sind 30 Organisationen und 100 Menschen im Rahmen der Initiative aktiv.

Schmuckenschlager: „Mir ist wichtig, dass es möglich ist, dass die Gemeinde ein zu Hause für alle bleibt.“ Das Projekt unterstützt nicht nur die Betroffenen, sondern auch die indirekt Betroffenen, die zu Hause ihre Angehörige pflegen. „Die haben sich plötzlich wieder wahrgenommen und unterstützt gefühlt. Es war eine Erleichterung, dass es eine gemeinsame Aktion gibt. Und unsere Gemeinde hat wieder den Charakter des echten Zusammenhalts bekommen.“

Mehr Alternativen sind wichtig

Conclusio der Forumsteilnehmer, die unter Leitung von KURIER-Redakteur Matthias Hofer diskutierten: Es muss in Zukunft mehr und bessere Angebote für die Pflege zu Hause geben, da sie weit günstiger ist, als die stationäre Betreuung. Eine Wortmeldung bringt die Dringlichkeit des Unterfangens auf den Punkt: „80 Prozent der Pflegebedürftigen werden daheim betreut. Wenn die Angehörigen, die derzeit diese Betreuungsleistung erbringen, das nicht mehr tun, kollabiert das System.“