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Forum 1: Aktives Altern. Neue Perspektiven braucht das Land

Wo liegen die Weichenstellungen hin zu einem altersgerechten Arbeitsmarkt? Wie kann eine selbstbestimmte Lebensführung bestmöglich gefördert werden? Im Forum 1 wurde über neue Konzepte für das Leben im Alter diskutiert.

Die demografischen und sozialen Entwicklungen stellen die Gemeinde vor viele Herausforderungen – aber sie bergen auch Chancen. Darauf wollte Hans-Jörg Rothen gleich zu Beginn des Forum 1 der Kommunalen Sommergespräche 2018 aufmerksam machen. Rothen ist Projektmanager des Programms „Lebenswerte Kommune“ der Bertelsmann Stiftung und forscht seit vielen Jahren zu altersgerechten Lebensformen. „Das Problem ist, dass das Alter viel zu oft negativ akzentuiert wird, dass eher die Schwächen und Verluste betont werden und weniger die Stärken“, so Rothen: „Aber es sind damit auch Gewinne verbunden.“

In der Generation „65plus“ sieht der Wissenschatftler einen „Schatz“, den man in vielen Kommunen heben könnte: „Wir reden über eine Lebensphase, die 25 Jahre und mehr betragen kann. Wir sollten die Menschen in den Kommunen ansprechen und aktiv einbinden“, so Rothen: „Ohne die Hilfe der älteren Menschen, werden in Zukunft – und würden bereits jetzt schon – viele Dinge zusammenbrechen.“

Das Forum 1 war sehr gut besucht und wurde von Christina Pausackl (Profil) geleitet. ©event-fotograf/Gemeindebund
Das Forum 1 war sehr gut besucht und wurde von Christina Pausackl (Profil) geleitet. ©event-fotograf/Gemeindebund

Aktives Altern als gesamheitliches Konzept

Rothen stellte damit das „Aktiven Alterns“ ins Zentrum des Forums. Der Begriff wurde in den späten 1990er Jahren von der Weltgesundheitsorganisation geprägt und meint ein Konzept, das über die bloße Wahrung der Gesundheit hinausgeht. Aktives Altern bedeutet, Menschen dabei zu helfen, ihr Leben so lange wie möglich selbstständig zu führen und – wenn möglich – einen Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten, indem die Potenziale der älteren Generation rechtzeitig angesprochen und aktiviert werden. Zentral für das Konzept des Aktiven Alters sind neben Gesundheitsförderung, ein altersfreundliches und inklusives Lebensumfeld, der barrierefreie Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, kontinuierliche Bildungsprozesse, Solidarität zwischen den Generationen, bürgerschaftliches Engagement und die Möglichkeit zur freiwilligen berufliche Tätigkeit im höheren Alter. Den Gemeinden kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Dafür braucht es jedoch eine ambitionierte Senioren- und Altenpolitik vor Ort.

Leitbilder für eine kommunale Altenpolitik

Die Bertelsmann Stiftung führte vor einigen Jahren in sechs deutschen Kommunen ein Pilotprojekt unter dem Titel „Neues Altern in der Stadt“ durch. Ziel war es, gemeinsam mit den politischen Vertretern und Bürgern ein Leitbild für eine kommunale Senioren- und Altenpolitik zu konzipieren. „Wichtig ist dabei, dass man nicht nur die politischen Verantwortungsträger, sondern auch andere relevante lokale Akteure und die Zivilgesellschaft einbindet“, so Rothen. In den Pilotkommunen standen unterschiedliche Handlungsfelder im Vordergrund, berichtete der Wissenschaftler: In der einen war der Bedarf an Wohnkonzepten besonders groß, in einer anderen fehlte es am generationsübergreifenden Dialog. „Ziel aber in allen Kommunen war es, vor allem das bürgerschaftliche Engagement und die Nachbarschaftshilfe zu fördern.“

Bonussystem für freiwilliges Engagement

Doch genau darüber klagten Gemeindevertreter in der Forumsdiskussion: Trotz Anstrengungen sei es vielfach schwierig, Freiwilligenarbeit, die über die traditionellen Vereinsstrukturen hinausgeht, langfristig aufrecht zu erhalten. Um dem entgegenzuwirken schlug Markus Hengstschläger, Vorstand des Institutes für Genetische Medizin der Medizinischen Universität Wien, ein Bonussystem vor, etwa in Form eines „Incentive-Passes“: Stellt ein Gemeindebewohner seine Expertise, Arbeitskraft und Zeit zur Verfügung, bekommt er etwas von der Kommune zurück. „Die Gemeinde könnte für eine erbrachte Leistung zum Beispiel den Gemeindesaal für eine Feier zur Verfügung stellen oder einen extra Baumschnitttag organisieren.“ Solche Bonussysteme könnten zugleich den Generationendialog stärken, indem etwa jüngere Gemeindebewohner Fahrtendienste für Ältere übernehmen und Senioren im Gegenzug Betreuungszeiten von Kindern.

Zentrale Datenbank zur Förderung des interkommunalen Austauschs

Grundlegend für eine erfolgreiche Altenpolitik in den Gemeinden sei zudem der interkommunale Austausch – dem stünde jedoch häufig Konkurrenzdenken gegenüber, so Rothen: „Dabei stehen viele Kommunen vor selben Herausforderungen und könnten von einander profitieren.“ Hengstschläger schlug in diesem Zusammenhang eine Art Transparenzdatenbank vor, die es ermöglicht, bestehendes Know-How besser zu nutzen. „Jede Idee, die schon irgendwo einmal ausprobiert worden ist – sowohl erfolgreiche Projekte, als auch gescheiterte – müssten dort erfasst werden.“ Grundlegend für solch eine Datenbank sei jedoch, dass sie sowohl leicht zugänglich ist, als auch professionell betreut wird: „Es braucht natürlich eine Stabstelle, die die Daten regelmäßig einspeist und aktualisiert.“

Neue Technologien und Digitalisierung nutzen

Auch neue Technologien und Digitalisierung könnten unterstützend eingesetzt werden, um die Autonomie und soziale Integration der Bevölkerung bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Dafür ist es notwendig, Vorbehalte gegenüber digitaler Medien abzubauen und die digitalen Kompetenzen im Alter zu stärken. „Active and Assisted Living“-Technologien (AAL), die etwa in der Schweiz bereits in umfangreichen Pilotprojekten getestet werden, kommen in Österreich noch kaum zum Einsatz. Die FH Joanneum Graz hat in einem kürzlich veröffentlichten Forschungsbericht neun Handlungsfelder für die Steiermark identifiziert, um das gesunde und aktive Altern nachhaltig zu unterstützen. Die Wissenschaftler sahen unter anderem die Notwendigkeit, die Wirksamkeit von AAL-Technologie weiter zu erforschen bzw. nachzuweisen, um etwa eine Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger, sowie die Integration der neue IT-Technologien in Wohnbauförderungen zu ermöglichen.

Impulsgeber waren Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger (Genetiker Med Uni Wien) und Hans-Jörg Rothen (Bertelsmann Stiftung). ©event-fotograf/Gemeindebund