– Nein, aber es braucht flexible Rahmenbedingungen, Innovationsfreudigkeit und Partnerschaften
Nachlese zur Tagung am 13. Mai 2025 im Haus der Industrie
In knapp einem Drittel aller Gemeinden gibt es keinen Nahversorger mit Vollsortiment mehr. Seit 2010 ist die Zahl der Nahversorger um weitere elf Prozent gesunken. Dafür greift eine andere Entwicklung Platz: Die Teilsortimenter (Tankstellenshops, bäuerliche Direktvermarkter und diverse Automatenshops) werden mehr. Ist das die Lösung für die Zukunft? Müssen die Gemeinden oder private Initiativen, Vereine und Genossenschaften übernehmen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist? Diese Fragen waren Thema einer Tagung, die unter dem Titel „Hat die Nahversorgung ausgesorgt?“ am 13. Mai 2025 im Haus der Industrie stattfand. Der Österreichische Gemeindebund lud die wichtigsten Stakeholder der österreichischen Nahversorgung, Gemeinden und neue Anbieter zu einer offenen Diskussion über die Zukunft der Nahversorgung.
Problemaufriss: Spielraum fehlt
Nach der Begrüßung durch Gastgeber Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl, der kurz ins Thema einführte, indem er die aktuelle Ausgangslage schilderte und Verbesserungen bei gesetzlichen Regularien einforderte – dazu zählt etwa die Erweiterung der gesetzlich zugelassenen Öffnungszeiten von Nahversorgern – gaben auch der BILLA-Vorstand Robert Nagele sowie Post-Generaldirektor Walter Oblin einen Einblick in die Sicht der Wirtschaft und aktuelle Projekte. So will die Post beispielsweise Selbstbedienungs-Stellen und Post-Partnerschaften verdichten. Auch BILLA setzt stark auf Digitalisierung, um personalfreie, hybride Lösungen ausbauen zu können.
Panel 1: Rahmenbedingungen
Im ersten Diskussions-Panel ging es vor allem um die aktuellen Rahmenbedingungen für Nahversorger und Gemeinden. Am Podium diskutierten Wolfgang Richter, Geschäftsführer von RegioData Research, Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums des Lebensmittelhandels in der WKÖ & Geschäftsführer von Prauchner, Werner Pamminger, der Geschäftsführer von Business Upper Austria und Christian Rosenwirth vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft. Die Diskussion zeigte die Problemstellen auf:
„Insgesamt 580 Gemeinden in Österreich haben keinen Vollversorger“, so Wolfgang Richter vom Unternehmen RegioData. Es sind tatsächlich weniger Gemeinden als früher, die keinen Vollversorger haben. Das liege zwar auch an den Gemeindezusammenlegungen, ändere aber nichts an dem Zustand der Versorgung. Wolfgang Richter von Regio Data rechnet vor: „Durchschnittlich gibt eine Person rund 3.200 Euro pro Jahr für Grundversorgung im Vollsortiment aus. Der Erhalt von Verkaufsflächen kostet um ein Vielfaches mehr. Für einen Quadratmeter Verkaufsfläche sind mindestens 6.000 Euro Umsatz jährlich notwendig. Sprich, es braucht ein bis zwei Haushalte, um rund einen Quadratmeter der Verkaufsfläche zu erhalten. Rein betriebswirtschaftlich gesehen, braucht es also rund 1.200 Einwohner im Einzugsbereich, um ein Geschäft mit Vollsortiment ertragreich betreiben zu können.“
Es braucht flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten
In Österreich gibt es aber auch sehr viele Gemeinden unter 1.200 Einwohnern. Dort ist der Erhalt von Verkaufsflächen sehr schwierig – oftmals ist kein Nachfolger für ein kleines Geschäft zu finden. In anderen Ländern, so Richter, sei es rechtlich viel einfacher. Es brauche Anpassungen und Unterstützung, fordert der Regionalexperte. Gemeinden oder Bundesländer könnten etwa Förderungen zuschießen oder Flächen bereitstellen, um Nahversorgung zu unterstützen. „Die Zukunft der Nahversorgung braucht andere Bedingungen“, so der Regio Data-Chef.
Auch Christian Prauchner konstatierte: „In kleinen Gemeinden kann Nahversorgung mit Lebensmittelhandel nicht wirtschaftlich geführt werden. Da darf man sich keine Illusionen machen.“ Auch er plädierte für eine Liberalisierung der Öffnungszeiten. Außerdem müsse man sich vermehrt Partner suchen, um ein vielfältigeres Angebot bieten zu können. Prauchner findet, man müsse Nahversorgung breiter denken: Er zeichnet ein Bild von einem Nahversorger-Modell, das neben Lebensmitteln auch Medikamente, Tabak- und Schreibwaren führt und Postversand besorgt und fordert eine Liberalisierung und Öffnung von Nahversorgern. Das Öffnungszeitengesetz ist nicht nur Thema des Lebensmittelhandels – es betrifft den gesamten Handel. Prauchner sieht in der generellen 24/7-Öffnung auch ein Problem: Er befürchtet eine Monopolisierung der großen Player und dadurch eine weitere Ausdünnung der Regionen. Zudem steigen bei Sonntagsöffnungen auch die Preise. Gleichzeitig ist Nahversorgung auch ein Dienst am Menschen und sollte nie völlig digital stattfinden. Sein Plädoyer: „Es braucht in der Praxis mehr Differenzierung und Flexibilität.“
Brachflächen und Leerstand im Ort nutzen
Wie man Tragflächen und Leerflächen alternativ nutzen kann, um nicht große Flächen für neue Geschäftsbauten zu verbrauchen, hat sich Business Upper Austria angesehen. „Der soziale Kontakt ist eines der wichtigsten Dinge für Gemeinden. Der Nahversorger im Ort ist auch wichtiger sozialer Treffpunkt. Fehlt ein Nahversorger in der Gemeinden, führt das unter anderem zu Vereinsamung im Alter“, ist sich Werner Pamminger von Business Upper Austria sicher.
Gleichzeitig betonte Werner Pamminger in seinem Redebeitrag, dass die Wirtschaftlichkeit nicht negiert werden dürfe. Er sieht sehr große Chancen in der Belebung von Leerstand bzw. in der Revitalisierung von Brachflächen – auch für den Lebensmitteleinzelhandel. „Nicht jede Kommune weiß, welche Fläche eine Brachfläche ist und wie diese verwendet werden kann – sogenannte Leerstandsdatenbanken könnten hier als Hilfestellung dienen“, so Pamminger.
Eigenverantwortung: Lokale Wirtschaft unterstützen
Das Regionenministerium hat eine Strategie für ländliche Regionen entworfen. Christian Rosenwirth vom BML spricht von 5 kaskadischen Dimensionen, anhand derer die Nahversorgung beurteilt wird:
- Vorhandensein – Gibt es überhaupt Angebote?
- Erreichbarkeit
- Leistbarkeit
- Qualität
- Vielfalt
„In vielen Regionen gibt es nur Mindeststandards oder überhaupt keine Angebote“, so Rosenwirth. Das BML plant ein Pilotprojekt zur Nahversorgung in einzelnen Regionen und will Änderungspotenziale ausmerzen. Wichtig ist hier der oder die betroffene Bürger:in, die die Nahversorgung nutzt. Hier appellierte Rosenwirth an die Eigenverantwortung. „Bürgerinnen und Bürger sollten den Nahversorger vor Ort auch nutzen, und nicht in größere Einkaufszentren ausweichen“. Dafür brauche es Bewusstseinsbildung. Ein guter Ansatz für die Zukunft sind regionale Kooperationen und gemeinschaftliche Projekte in Gemeinden mit Bürger:innen, Anbietern aus der Wirtschaft und der Gemeinde. Bürger:innen sind in diesem Modell nicht nur Konsument:innen, sondern übernehmen auch Verantwortung. Als Beispiel nannte er kooperative Multifunktionshäuser, wo auch der Nachhaltigkeits- und der soziale Aspekt nicht zu kurz kommen.
Panel 2: Wirtschaftlichkeit
In der zweiten Diskussionsrunde, an der die Vertreter der größten Nahversorgungs-Ketten teilnahmen, ging es darum, wie weit Wirtschaftlichkeit geht und an welchen Zukunfts-Lösungen die Anbieter aktuell arbeiten.
Spar-Geschäftsführer Alois Huber stellte dem Thema Wirtschaftlichkeit die Frage voraus, was eigentlich die Kunden wollen. „Man kann nicht am Kunden vorbeiarbeiten. Wir müssen den Kundenwunsch an die Spitze stellen“, so Huber. Er erläuterte zudem mehrere Widersprüche: Die Zahlen zeigen demnach, dass ein für Kundinnen und Kunden idealer Supermarkt 750 Quadratmetern groß ist, über ein großes Angebot und Parkplätze verfügt. „Gleichzeitig braucht es eine moderne, aber dem Ortsgebiet angepasste Architektur und die Raumordnung untersagt es mittlerweile, auf der grünen Wiese zu bauen. Überbauten funktionieren zwar, wobei gemischte Bauten schwierig sein können. Wohnungen über dem Supermarkt werden nicht verkauft, weil keiner auf einen Parkplatz schauen will.“ Sonntagsöffnungen sind bei den Kunden beliebt, verursachen aber zusätzliche Personalkosten.
Gleichzeitig brach er eine Lanze für kreative Ansätze: Huber nannte das Positiv-Beispiel Prinzersdorf, wo mitten im Ortszentrum auf einer Fläche von 4.000 Quadratmetern ein neuer Supermarkt in einem ehemaligen Bauernhaus entstanden ist. „Der Bürgermeister weiß meistens, wo ein tauglicher Standort für den Supermarkt ist“, so Huber.
Zukunft: Selbstbedienungsläden und kooperative Multifunktionslösungen
Billa-Vorstand Robert Nagele warf auch das Thema Gastronomie in die Diskussion ein –multifunktionale Nahversorger könnten beispielsweise auch Kaffee und kleinere Speisen bieten. Durch die Digitalisierung ergeben sich viele Chancen, die auch erweiterte Öffnungszeiten rentabel machen – etwa automatisierte Kassen ohne Personal. Nagele sprach sich für Kooperationen und kreative, multifunktionale Modelle für die Nahversorgung aus, für die auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden sollten.
Die Kastner Großhandelsgruppe, zu der unter anderem Nah&Frisch gehört, hat viel Erfahrung mit individuellen Lösungen, besonders für kleine Gemeinden unter 2.000 Einwohner. Elmar Ruth, Bereichsleiter von Nah&Frisch, spricht in der Nahversorgung von Gütern des täglichen Bedarfs. Nah&Frisch bietet auch multifunktionale Nahversorgung, wie etwa Post, Gastronomie, Tabakwaren, Fotoservice, Putzerei-Angebote und weitere. Gleichzeitig sind die Filialen auch sozialer Treffpunkt in der Gemeinde. Im Vordergrund steht auch hier der Kundenwunsch. Ruth: „Wir können mit der Nahversorgung nicht 100 Prozent des Bedarfs abdecken. Aber wir können rund 30 Prozent des Potenzials für Produkte des täglichen Bedarfs abschöpfen. Das ist für uns wirtschaftlich.“ Es komme oftmals auf die Gemeinde an, wie und ob ein Modell funktioniere, so Ruth.
„Kastner hat aktuell 150 Standorte im Hybridbetrieb – hier gibt es Lösungen mit automatisierten Bankterminals ohne Personal mit ausgeweiteten Öffnungszeiten, wie z.B. sonntags, was die Personalkosten senkt.“
Kleine Nahversorger gezielt unterstützen
Das Modell MiniM ist eine innovative Abwandlung des Nahversorgers MPreis. Es handelt sich um Verkaufsflächen von 150 bis 350 Quadratmetern. Auch hier werden neben Lebensmitteln auch Zusatzservices angeboten wie Post, Bank, E-Ladestationen und Apotheken. David Mölk von MPreis sieht die Politik gefordert, um gewisse Regelungen anzupassen, wie etwa die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten oder das Tabakmonopol zu liberalisieren. Weitere Stellschrauben sind laut MPreis-Chef einfachere Widmungsmöglichkeiten für Verkaufsflächen, Bürokratieabbau, die Senkung von Abgaben und erleichterte Förderungen. Fazit: Die Wirtschaftstreibenden wünschen sich Unterstützung durch die Politik.
Schulterschluss von Politik und Wirtschaft
In der anschließenden Diskussion kristallisierte sich heraus, dass Politik und Wirtschaft wohl beim Thema Nahversorgung auf einander angewiesen sind und es eine enge Zusammenarbeit und Differenzierung der Gegebenheiten brauche.
Erich Trummer, Präsident des GVV Burgenland und Vizepräsident im Österreichischen Gemeindebund, führt mit seiner Gemeinde Neutal einen Nah&Frisch-Markt. Er schilderte die problematische Ausgangssituation, die wiederum zu einer kreativen Lösung geführt hat: „Die großen Einkaufszentren in der Region haben zur Ausdünnung der Nahversorgung in der Gemeinde geführt.“ Heute gibt es in Neutal einen multifunktionalen Hybridmarkt mitten im Ortszentrum, der sehr gut angenommen wird und als Pilotbeispiel vorangeht. Eigentümer ist zu 50 Prozent die Gemeinde. In Bezug auf die Ausweitung der Öffnungszeiten forderte Trummer mehr Flexibilität: „Wir sollten die kleinen Nahversorger unterstützen, nicht die großen Einkaufszentren.“
Panel 3: Neue Wege der Nahversorgung – Chancen und Risiken
Das dritte Panel beschäftigte sich mit innovativen Lösungen der Nahversorgung für die Zukunft. Dabei zeigte sich, dass auch die großen Player an Innovationen und Weiterentwicklungen arbeiten, die künftig Erleichterungen für ländliche Gemeinden bringen könnten: Walter Oblin, CEO der Österreichischen Post AG, betonte, dass der Onlinehandel für die Post einen immer größeren Stellenwert einnimmt. In Zukunft solle immer mehr des Versands automatisiert ablaufen.
Foodora ist einer der größten Lieferservice-Anbieter Österreichs. Neben fertigen Speisen liefert Foodora auch Lebensmittel in Kooperation mit REWE. Gerade beim großen Wocheneinkauf bestellen immer mehr Menschen ihre Lebensmittel, anstatt selbst einkaufen zu gehen. Alexander Gaied, Geschäftsführer von Foodora, sieht darin auch eine Chance für Orte ohne Nahversorger und unterstützt ebenfalls eine Erweiterung gesetzlichen Öffnungszeiten.
Braucht der Nahversorger der Zukunft kein Personal mehr?
Weitere Beispiele für innovative Nahversorger-Lösungen, die völlig ohne Personal auskommen, sind die sogenannte BistroBox sowie Rosy’s, deren Vertreter ebenfalls am Podium mitdiskutierten. Die Bistro Box bietet automatisierte 24-Stunden Services, wo sich Kunden ihre eigene Pizza digital zusammenstellen können, die innerhalb weniger Minuten frisch gebacken bereitsteht. Rosy’s ist ein innovativer Anbieter von personalfreien Abholstationen für frische Lebensmittel und ersetzt so den fehlenden Nahversorger. Möglich wird das unter anderem durch automatisierte Bezahlabwicklung, wie sie etwa von Apro-Kassensysteme ermöglicht wird.
In der anschließenden Diskussionen wurden mehrere Beispiele für innovative Nahversorger-Lösungen als auch damit verbundene Schwierigkeiten von den Publikumsteilnehmer:innen genannt. Für Diskussion sorgten unter anderem Paket-Abholstationen, da bei manchen Modellen die Zuständigkeit bei der Instandhaltung der Räumlichkeiten nicht völlig geklärt ist.
Panel 4: Die Gemeinde mit Nahversorger als sozialer Treffpunkt und Wohlfühlort
Der soziale Aspekt stand im Mittelpunkt der vierten Diskussionsrunde, bei der Vertreter aus Gemeinden am Podium saßen und von ihren Projekten erzählten. Anton Kasser ist Bürgermeister der Gemeinde Allhartsberg. Er unterstrich in seinem Redebeitrag, was es für eine Gemeinde und das Lebensgefühl bedeutet, wenn es innerorts einen kleinen Nahversorger im Vergleich zum großen Supermarkt außerhalb des Zentrums gibt.
„Mit der Schließung des letzten Nahversorgers geht das Leben in den Gemeinden verloren“, so Kasser.
Ein weiteres Beispiel ist. St. Koloman: St. Koloman ist eine kleine Gemeinde in Salzburg und grenzt an die Zentren Hallein und Bad Vigaun, die mit vielen größeren Unternehmen eine starke Zugkraft haben. Zum Vergleich: Der größte Arbeitgeber in St. Koloman ist die Gemeinde selbst. Für eine strukturschwache Gemeinde wie diese ist es schwer, einen Versorgung für die Bürger:innen zu erhalten. Der Lagerhaus-Verbund hatte vor wenigen Jahren geschlossen, Nahversorger gab es auch keinen. Bürgermeister Herbert Walkner erzählte in der Podiumsdiskussion von kreativen Wegen, die die Gemeinde beschreitet, um ihre Bürger:innen mit Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs zu versorgen. So etwa durch gemeinschaftliche Fahrten zum Einkaufen für weniger mobile Personen oder die Umfunktionierung von Betriebsflächen. Auch Walkner sieht den Nahversorger als wichtigen sozialen Treffpunkt in der Gemeinde. Mittlerweile hat man es geschafft, einen Pächter für einen neuen Nahversorger für St. Koloman zu finden – nach großen Bemühungen der Gemeinde.
Bürgermeister Herbert Walkner: „Als Gemeinde sind wir dafür zuständig, dass wir Lösungen finden.“
Wirtschaftlichkeit und Zusammenkünfte
Mit am Podium saß auch Josef Ofner, Bürgermeister der Marktgemeinde Hüttenberg in Kärnten. Er erzählte von ähnlichen Herausforderungen: Als die Mittelschule in Hüttenberg geschlossen wurde, wurde plötzlich nur mehr im Nachbarort eingekauft. Hier versucht die Gemeinde Bewusstseinsbildung zu betreiben, um die örtlichen Betriebe zu unterstützen. So gibt es etwa ein Gutscheinsystem für die heimische Wirtschaft. Trotz aller Bestrebungen, Gastronomie und Nahversorgung zu erhalten, gibt es laut Ofner eine große Hürde: Die Vorfinanzierung. Will man als kleiner Nahversorger ein breites Warenangebot schaffen, so kostet das viel Geld.
Von der Metaebene aus betrachtet Christian Haider von der Dorf- und Stadterneuerung die Entwicklung in den Gemeinden. Er sieht die Multifunktions-Lösung als positives, zukunftsträchtiges Modell. Die Digitalisierung eröffnet Haider zufolge viele neue Chancen für abgelegene Regionen. Doch bei allen digitalen Lösungen müsse man den sozialen Aspekt unbedingt mitdenken, beispielsweise über digitale Austauschplattformen. Als Prozessbegleiter ermutigte er die Gemeinden auch zu Kooperationen mit der Forschung: Etwa bei der Frage, wie man die Menschen zu den Nahversorgern bringen kann. Nahversorgung an Ehrenamtliche auszulagern, sieht er hingegen kritisch.
Ein Positivbeispiel mit kreativer Lösung stellt die Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt dar. Bürgermeister Thomas Heissenberger erzählte von dem Modell eines genossenschaftlich betriebenen Wirtshauses, nachdem sich kein Pächter für das Gemeinde-Wirtshaus gefunden hatte. Mittlerweile ist das Modell in Hochneukirchen-Gschaidt sehr erfolgreich und über Bundesländergrenzen hinweg bekannt. Es zeigt, dass man mit viel Vorüberlegung, Kreativität und Bürgerbeteiligung nachhaltige Lösungen finden kann.
Fazit: Es gibt nicht DIE LÖSUNG
Abschließend fasste Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl die Veranstaltung mit wenigen Schlusssätzen zusammen und betonte, dass es beim Thema Nahversorger offensichtlich nicht „die eine Lösung“ gebe. Klar ist, die Gemeinden brauchen Nahversorgung. Kooperationen und Partnerschaften sind ein Schlüssel zum Erfolg, ebenso wie zielgerichtete Förderungen. Besonders wurden Multifunktionale Lösungen hervorgehoben – Nahversorger in Kombination mit digitalen Kassen, personalfreien Zeiten und Zonen, gastronomischen, sozialen und postalischen Angeboten auf einem Raum.
Doch dafür müssen bestimmte Regularien geändert werden: Es braucht eine Ausweitung der gesetzlichen Öffnungszeiten – aber ohne Sonntagsöffnung. Auch beim Thema Postmarktgesetz, Apothekenwaren und Tabakmonopol soll es Lockerungen geben. Gleichzeitig müsse man bestehende Potenziale leichter zugänglich machen, indem Denkmalschutz, Leerstände und baurechtliche Vorgaben realistisch geprüft werden.
Es zeigte sich auch deutlich, dass die Wirtschaftlichkeit trotz allem nicht das A und O ist. Ein Nahversorger ist weit mehr als ein paar Produkte des täglichen Bedarfs. Hier braucht es ein enges Miteinander zwischen den verschiedenen Stakeholdern, um ein bedarfsorientiertes Angebot zu schaffen – egal ob Politik, Wirtschaft oder Zivilgesellschaft.
Wie geht’s weiter?
Als Ergebnis der Tagung erarbeitet der Österreichische Gemeindebund ein Positionspapier zum Thema Nahversorgung, das die wichtigsten Forderungen der Gemeinden zusammenfasst und als Grundlage für Verhandlungen mit dem Gesetzgeber dienen soll, um die Nahversorgung in den Gemeinden langfristig zu sichern.
Hilfestellungen wie Leitfäden und Best-Practice-Beispiele zum Thema Nahversorgung finden Sie unter den Links anbei.