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Zwischen Gesetzesverstoß und Amtsmissbrauch: Wo liegt die Grenze?

„Ich habe gehandelt, wie es in unserer Gemeinde Praxis ist“, erklärt Wilhelm Auzinger, Bürgermeister der Gemeinde St. Georgen im Attergau, gegenüber Kommunalnet. Er muss sich aktuell in zwei Fällen vor der Staatsanwaltschaft Wels verantworten, weil er zum einen eine Berufung sowie zum anderen einen Bescheid des Landes nicht in der vorgeschriebenen Frist dem Gemeinderat vorgelegt haben soll. Die angeforderten Gutachten sind laut dem Bürgermeister nicht fristgerecht eingetroffen. „Der Gemeinde ist dadurch kein Schaden entstanden“, beteuert Auzinger. Sollte das Gericht Amtsmissbrauch feststellen, drohen ihm sechs Monate bis fünf Jahre Haft.

Was ist eigentlich „Amtsmissbrauch“?

Der „Missbrauch der Amtsgewalt“ ist das zentrale Delikt bei den Amtsdelikten im österreichischen Strafrecht schlechthin. Der Begriff wird in vielerlei Zusammenhängen gern und oft „strapaziert“, unter welchen Voraussetzungen ein solcher tatsächlich vorliegt, definiert § 302 des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB).

Amtsmissbrauch liegt dann vor, wenn „ein Beamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht“. Beamter im Sinne des Strafgesetzbuches ist „jeder, der bestellt ist, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes, ausgenommen einer Kirche oder Religionsgesellschaft, als deren Organ allein oder gemeinsam mit einem anderen Rechtshandlungen vorzunehmen, oder sonst mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut ist“. Unter diese Bestimmung fallen aber auch etwa Bürgermeister, Gemeindevertreter (bspw. wenn sie als Kollegialorgan über eine Berufung entscheiden oder Verordnungen erlassen), Mitglieder einer Wahlbehörde oder Vertragsbedienstete. Der Tatbestand kann auf Grund der gesetzlichen Definition („in Vollziehung der Gesetze“) nur dann erfüllt sein, wenn das Amtsgeschäft im Rahmen der Hoheitsverwaltung (bzw. Gerichtsbarkeit) vorgenommen wurde. Bereits einige Male sind Organwalter davon ausgegangen, dass sie „lediglich eine Verwaltungsübertretung“ begehen, tatsächlich wurde aber der Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllt.

Diversion ist seit kurzem zulässig

Die Strafdrohung reicht von sechs Monaten bis fünf Jahren, unter bestimmten Voraussetzungen sogar bis zu zehn Jahren (§ 302 Abs. 1 und 2 StGB). Anders als bei anderen schwerwiegenden Straftaten, die in die Zuständigkeit der Schöffengerichte fallen, ist seit wenigen Jahren beim Delikt des Amtsmissbrauchs gem. § 302 Abs. 1 StGB die Diversion grundsätzlich möglich. Dies allerdings nur, soweit der Beschuldigte „durch die Tat keine oder eine bloß geringfügige oder sonst unbedeutende Schädigung an Rechten herbeigeführt hat“. Die Diversion scheidet aus, wenn in Zusammenhang mit dem Amtsmissbrauch auch der Tatbestand des § 304 StGB (Bestechlichkeit) erfüllt wurde (§ 198 Abs. 3 der österreichischen Strafprozessordnung – StPO).

Baurecht, Raumordnung und Melderecht sind besonders „heikle“ Vollzugsbereiche

Die Gefahr, in der kommunalen Alltagsarbeit gegen gesetzliche Bestimmungen zu verstoßen, ist auf Grund der ungebremsten Flut an neuen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien in den letzten Jahren stetig gewachsen. Verurteilungen politischer Mandatsträger oder Bediensteter auf Gemeindeebene wegen des Deliktes des Amtsmissbrauchs sind – zumal für die Erfüllung des Tatbestandes die Wissentlichkeit des Amtsmissbrauchs gegeben sein muss – aber selten. Wenn man die unterschiedlichen Entscheidungen durchgeht, erhält man den Eindruck, dass auf Gemeindeebene Amtsgeschäfte (bzw. Unterlassungen) in Zusammenhang mit dem Bau- und Raumordnungsrecht sowie auch dem Melderecht häufiger Gegenstand von einschlägigen Gerichtsverfahren sind, als andere Vollzugsbereiche. Es hat in den letzten Jahren einige – teilweise auch durch die Medien bekannt gewordene – Verfahren gegeben, die sich etwa auf die Unterlassung der Anzeigepflicht durch die Baubehörde bei Bekanntwerden einer „konsenslosen Bauführung“ oder die gesetzwidrige Vollziehung des Meldegesetzes bezogen haben.

Sogar die Nichteinberufung einer Gemeinderatssitzung kann zu einer Verurteilung führen – im Jahr 2004 hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidung eines Landesgerichtes bestätigt, wonach ein Bürgermeister deshalb verurteilt wurde, da er es – entgegen der einschlägigen Bestimmung der Gemeindeordnung – unterließ, eine Sitzung auf Grund eines Antrages mehrerer Gemeinderäte einzuberufen.

Autoren: Dr. Martin Huber, Mag. Carina Rumpold