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Wenn Bäume Menschen verletzen

Bäume verbessern das Kleinklima, sie reduzieren Treibhausgase und Straßenlärm. Bäume tragen zum Wohlfühlfaktor in unseren Dörfern und Gemeinden bei. Manchmal werden sie allerdings zum Problem. Der Fall von St. Pölten im Jahr 2008, bei dem eine Person durch einen herabfallenden Ast auf das parkende Auto getötet wurde, hat hohe Wellen geschlagen. Laut Schiedsspruch des OGH von 2011, haftet die Stadt St. Pölten für das Unglück und ist für Schmerzensgeldforderungen zu belangen. Die Begründung des Urteils: Man war der Kontrollpflicht, die man als Baumeigentümer hat, nicht ausreichend nachgekommen. Für Gemeinden – die naturgemäß Besitzer von vielen Bäumen sind – bedeutet das, dass man nicht nur für die Sicherheit der Sachen und Personen im Umfeld eines Baumes sorgen muss, sondern im Ernstfall beweisen können muss, dass man das getan hat. Viele Kommunen setzen zu Dokumentationszwecken auf Baumkataster.

Dokumentation der „Wartung“ hilfreich

Bäume sind rechtlich gesehen Sachen. Sie sind immer Bestandteil eines Grundstücks und haben somit Besitzer. Alle Baumbesitzer sind dazu verpflichtet für die Sachen und Personen, die sich im Umfeld des Baumes aufhalten, Vorkehrungen für ihre Sicherheit zu treffen. Die sogenannte Verkehrssicherheitspflicht für Bäume leitet sich aus § 1319 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ab: Hier heißt es, dass der Besitzer dann für Schäden haftet, wenn Mängel am Baum erkennbar sind und er nicht alle Sorgfalt aufgewendet hat, die dadurch entstehende Gefahr abzuwenden.

Gefahren gehen in der Regel nur dann von Bäumen aus, wenn ein Bruch des Stammes, Entwurzelungen oder das Herabfallen eines Astes drohen. Beeinträchtigungen der Baumsicherheit werden durch das Alter, durch Außeneinwirkungen wie Wetter und Unfälle sowie durch Schädlings- bzw. Pilzbefall hervorgerufen. Eine Haftung tritt aber nur dann ein, wenn die Gefahr erkennbar oder vorhersehbar war. Wenn „höhere Gewalt“, zum Beispiel Schneefall, geltend gemacht werden kann, endet die Haftungspflicht des Besitzers, vorausgesetzt der Baum war zum Zeitpunkt des Schadens nicht mangelhaft. Deshalb empfiehlt sich eine Dokumentation der Wartung.

Freispruch durch Baumkataster

Um die Vitalität der Bäume in den Gemeinden sicherzustellen, setzt man vielerorts auf Baumkataster. Im Kataster werden die Bäume im öffentlichen Bereich, samt ihren Eigenschaften, erfasst. Nach der Erfassung werden jährliche Kontrollen durchgeführt, damit Mängel erkannt und gegebenenfalls bereinigt werden können. Die Wege, die die Gemeinden in der Erstellung und Betreuung der Baumkataster gehen, sind verschieden.

Loretto betraut externen Sachverständigen

In der burgenländischen Gemeinde Loretto wurde 2013 ein Kataster für die 444 Bäume im Gemeindeeigentum erstellt. Der Auftrag wurde an einen externen Sachverständigen vergeben. Auf einer CD-Rom ist jeder einzelne Baum des Wallfahrtsortes registriert, mit Vermerken dazu, ob der Baum Mängel aufweist und welche Maßnahmen zu treffen sind. Jahr für Jahr kontrolliert dieser Baum-Sachverständige den Bestand und erstattet Bericht an die Gemeinde. Die Gemeindearbeiter führen die Sicherheitsmaßnahmen aus. Dazu gehören das Entfernen toter Äste, ebenso wie das Fällen von Bäumen. Manche Arbeiten, wie Kronenreduktionen, gehen über den Kompetenzbereich der Gemeindearbeiter hinaus und müssen durch externe Dienstleister erledigt werden.

Die Gemeinde hat für die Erstellung des Baumkatasters rund 2.500 Euro aufgewendet. Die Kosten für die jährliche Kontrolle liegen bei 400 Euro. Die Investition hat sich bereits rentiert. „In zwei Versicherungsfällen konnten wir nachweisen, dass die Verkehrssicherheit der Bäume gegeben war. Im konkreten Fall wurde ein Ast durch einen LKW vom Baum abgerissen. Wir mussten den entstandenen Schaden am LKW nicht bezahlen, sondern bekamen von der Versicherung den Schaden am Baum rückerstattet“, erklärt Lorettos Bürgermeister Markus Nitzky.

Mödling beschäftigt eigenen Baumbeauftragten

Mödling führt bereits seit 2003 einen Baumkataster, der alle 6.000 Bäume der niederösterreichischen Gemeinde verzeichnet. Der Kataster wird als digitale Datenbank geführt. Die Gemeinde beschäftigt einen Baumbeauftragten, der ausschließlich für die Kontrolle der Bäume, die Systempflege und die Einteilung der Maßnahmenverrichtung verantwortlich ist. Er arbeitet mit einem tragbaren digitalen Gerät, dadurch kann er gleich vor Ort Vermerke eintragen. Wenn man sich bei einem Baum nicht sicher ist, welche Maßnahme die Richtige ist, wird eine externer Gutachter hinzugezogen.

In Mödling gibt es einen 350 ha großen Stadtwald, auch hier ist man für die Sicherheit der öffentlichen Wege verantwortlich. Entlang dieser Wege wird nicht jeder Baum einzeln erfasst und kontrolliert, sondern nur Baumgruppen von Zeit zu Zeit begutachtet. Die Stadtgemeinde beschäftigt insgesamt 20 Leute in der Gärtnerei, drei widmen sich fast ausschließlich der Baumpflege, immerhin fallen jährlich zirka 3.000 Maßnahmen an.

In Mödling gab es einen konkreten Anlassfall, der die Einführung eines Baumkatasters 2003 beschleunigt hat. An einem sonnigen, windstillen Tag stürzte ein 40 cm Ast mit von einem 200 Jahre alten - gesunden Baum im Museumspark herab. ©blew i/iStock