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Vorarlberger Gemeinden fordern Belastungsstopp

15.11.2017 – Pflege, Bildung, medizinische Versorgung und die Aufgabenverteilung waren die Hauptthemen des Vorarlberger Gemeindetags in Hittisau. Gemeindebund-Chef Alfred Riedl forderte die Gemeinden auf, Resolutionen für einen vollen Kostenersatz bei der Abschaffung des Pflegeregresses zu beschließen.

82 Bürgermeister waren am 13. November 2017 in den vollbesetzten Saal des Vorarlberger Gemeindetags in Hittisau gekommen, um sich auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Anlass war die alle zwei Jahre stattfindende Vollversammlung der Mitglieder des Vorarlberger Gemeindeverbands. Vorarlbergs Gemeindeverbands-Präsident Bgm. Michael Köhlmeier und Österreichs Gemeindebund-Chef Bgm. Alfred Riedl warnten: Eine der größten Herausforderungen sind Gesetzesbeschlüsse, die auf Bundesebene erfolgen, deren Kosten aber die Gemeinden zu tragen haben.

Abschaffung des Pflegeregresses: Gemeinden wehren sich

„Die zentrale Forderung von uns ist ein Belastungsstopp für die Gemeinden, insbesondere keine weitere Erhöhung der bürokratischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards sowie ein voller Kostenausgleich aufgrund der Abschaffung des Pflegeregresses“, erkläre Köhlmeier. Anstatt zu überlegen, wie es mit der Pflege der Zukunft weitergehen soll und wie das notwendige Personal rekrutiert werden kann, habe der Bund – ohne jegliche Not- den Pflegeregress abgeschafft.

„Es ist legitim, dass der Bund sein Recht auf Gesetzgebung wahrnimmt, aber es kann nicht sein, dass wir dafür die Rechnung tragen“, so Riedl. Der Gemeindebund rechnet mit Mehrkosten in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro. Daher ruft er Städte und Gemeinden auf, Resolutionen zu beschließen, um auf diesen Umstand hinzuweisen. „Wir brauchen ein starkes Signal, das in Wien gehört wird“, betont der Gemeindebund-Chef.

Kompetenzwirrwarr im Bildungsbereich

Eine weitere zentrale Herausforderung liegt im Bildungsbereich. Die zunehmende Verschränkung von Unterricht und Freizeit führt zu einem Kompetenz- und Förderwirrwarr. „Anstatt dies alles unter dem Titel „Schule“ zu organisieren, überträgt der Bund den Gemeinden die Freizeitgestaltung und versucht durch kaum administrierbare Vereinbarungen zwischen den Bund und den Ländern den Gemeinden mit einer sogenannten Anschubfinanzierung die Kosten aufs Auge zu drücken“, so Köhlmeier verärgert.

Zusätzlich definiert der Bund die Qualitätsanforderungen an das Personal, die in vielen Gemeinden aufgrund des Mangels an Personal einfach nicht erfüllbar sind. Unattraktiv machen den Job des Freizeitpädagogen vor allem die unregelmäßigen Arbeitszeiten und die Anforderung einer Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule. Aus Sicht des Gemeindeverbandes kann dieses Problem nur gelöst werden, wenn das gesamte Thema Schule inklusive Freizeit aus einer Hand organisiert wird.

Mangel gibt es auch beim ausreichend ausgebildeten Personal für Kindergärten, berichtet Köhlmeier, der Bürgermeister der Bodenseegemeinde Hard ist. Um dieses Problem zu lösen, plädiert er dafür, „vorübergehend auch andere geeignete Personen für die Betreuung einstellen zu dürfen, bis wieder genügend Kindergartenpädagoginnen zur Verfügung stehen“. Als Erfolg wertete er hingegen die Vereinheitlichung der Tarife mit sozialer Staffelung bei den Kindergärten.

Ärztemangel: Attraktivierung des Berufs

Einen zumindest zukünftigen Personalmangel ortete Köhlmeier auch bei den niedergelassenen Ärzten. Daher ist der Vorarlberger Gemeindeverband gemeinsam mit der Ärztekammer aktiv, um junge Ärzte für den Beruf des Allgemeinmediziners zu gewinnen. „Wichtig scheint vor allem, dass es freiberuflichen Ärzten, wie in allen anderen Berufen, erlaubt wird, andere Ärzte in ein Anstellungsverhältnis auszunehmen.“ Hintergrund ist, dass es Ärzte gibt, die bereit wären, auf Basis einer Anstellung den Beruf auszuüben, sei dies Voll- oder Teilzeit. „Zudem ist es wichtig, die Ausbildung zum Allgemeinmediziner so zu gestalten, dass er nicht Mediziner zweiter Klasse ist“, fordert Köhlmeier.

Raumplanung: Tiroler Modell bevorzugt

Für Vorarlberg sieht Köhlmeier auch dringend Handlungsbedarf in der Raumplanung: „Vor allem der gemeinnützige Wohnbau wird verstärkt in den Vordergrund der örtlichen Raumplanung rücken müssen.“ Um gegen Baulandhortung vorzugehen, würde Köhlmeier gerne den Tiroler Weg einschlagen. Beginnt ein Käufer eines Baugrundstücks nicht innerhalb von zehn Jahren mit der Bebauung, so wird das Grundstück öffentlich versteigert. Auch die Bürger müssten sich aufgrund der steigenden Bodenpreise an eine Erhöhung der Baunutzungszahlen gewöhnen, so Köhlmeier.

Der Gemeindeverbands-Präsident warnt auch davor, wie beim Vorarlberger Gemeindegesetz beabsichtigt, den gesetzlichen Spielraum einzuengen: „Die Zukunft unserer Gemeinden liegt nicht in der überbordenden Nachkontrolle von Entscheidungen, sondern in mutigen und weitblickenden Menschen, denen es aber erlaubt sein muss – wie es im Leben überall der Fall ist – Fehler machen zu dürfen.“

Für die Datenschutzgrundverordnung, die im Mai 2018 wirksam wird, appelliert er, eine praxisnahe Umsetzung zu finden: „Es ist sicherlich noch allen die Debatte um die Gratulationen zu Geburtstagen oder sonstigen persönlichen Ereignissen in Erinnerung.“

Der Vorarlberger Gemeindetag: Österreichs Gemeindebund-Chef Alfred Riedl, Vizebpräsidentin des Vbg. Gemeindeverbands Andrea Kaufmann, Gemeindeverbands-Chef Harald Köhlmeier und LH Markus Wallner. ©Dietmar Mathis