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Unzulässige Zinsanpassung: Sind auch die Gemeinden betroffen?

21.12.2017 – Die einseitige Einführung der Zinssatzuntergrenze durch die Banken widerspricht dem Konsumentenschutzgesetz. Haben die jüngsten des Obersten Gerichtshofs auch Auswirkungen auf die Gemeinden und was sollte man beachten?

In mehreren Entscheidungen (4 Ob 60/17b, 8 Ob 101/16k, 8 Ob 107/16, 9 Ob 35/17p, 3 Ob 88/17p, 6 Ob 51/17v) hat der Oberste Gerichtshof (OGH) im Verlauf des heurigen Jahres festgestellt, dass die einseitige Einführung einer Zinssatzuntergrenze durch die Banken als Reaktion auf die negativen Zinsen dem Konsumentenschutzgesetz widerspricht.

Ausgangslage und Rechtsprechung

Zahlreiche Kreditverträge (aber auch Leasingverträge etc.) nehmen als Grundlage für den Sollzinssatz einen bestimmten Zinsindikator (z.B. EURIBOR oder CHF-LIBOR) plus einen Aufschlag (Marge). Ende 2014 war der CHF-LIBOR erstmals negativ, ab Jänner 2015 folgten dann nach und nach auch die anderen Indikatoren, wie z.B. der 1-Monats-EURIBOR.

In einer seiner Entscheidungen beurteilte der Oberste Gerichtshof beispielsweise den Sachverhalt, dass bei einem Fremdwährungskredit ein variabler Zinssatz vereinbart wurde, konkret Zinsen von 0,875 Prozent p.a. über dem zum quartalsweisen Zinsanpassungstermin maßgeblichen, Indikatorwert (3-Monats-CHF-LIBOR). Mitte Dezember 2014 rutschte der Indikator erstmals ins Negative, auch 2015 hielt diese Entwicklung an. Die Bank berechnete die zu entrichtenden Zinsen zunächst noch vom negativen Indikatorwert und gelangte so für die Quartalszinszahlung 01/2015 zu einem anwendbaren Zinssatz von 0,75 % und für die Quartalszahlung 02/2015 zu einem anwendbaren Zinssatz von 0,0 Prozent. Dann reagierte die Bank und teilte dem Kreditnehmer im Wege einer „ergänzenden Vertragsauslegung“ mit, dass sie die ihrer Ansicht nach vorliegende „Vertragslücke“ so zu schließen gedenke, dass sie zukünftig als geringsten Indikatorwert „0 %“ ansetzt – dies auch dann, wenn der LIBOR negativ sein sollte.

In der Entscheidung des OGH wurde das einseitige „Einfrieren“ des Indikators durch die Bank bei „Null“ als unzulässig gesehen. Er hat seine Entscheidung u.a. damit begründet, dass eine ergänzende Auslegung des Vertrags durch die Bank im Sinne einer Zinsuntergrenze nicht möglich ist, weil Bank und Kreditnehmer eine eindeutige Regelung über die Zinsgestaltung im Vertrag getroffen haben und deshalb eine „Vertragslücke“ fehlt. Eine Auslegung der Vertragsklausel dahingehend, dass der Indikator einseitig mit Null angesetzt werde, stehe im Widerspruch zu § 6 Abs 1 Z 5 Konsumentenschutzgesetz (KSchG).

Weiterhin keine Rechtssicherheit für die Gemeinden

Für jene Darlehensverträge, die dem Konsumentenschutzgesetz unterliegen, besteht zwischenzeitlich eine gesicherte Rechtsprechung, nicht so für den Bereich der „Nichtverbraucher“ (d.h. auch der Gemeinden). Während insbesondere die Bankenseite aus der bisherigen Judikatur kein Verbot des Einziehens einer Untergrenze bei Unternehmens- bzw. Kommunalkrediten ableitet, sehen andere Rechtsexperten durchaus Argumente (bspw. den Aspekt, dass den Verträgen eine eindeutige, Zinsregelung zugrunde gelegen ist, die eine Zinsuntergrenze nicht vorsieht) warum auch Nicht-Konsumenten Rückforderungen an die Kreditinstitute stellen könnten.

Für die Gemeinden ergibt sich auf Grund der noch offenen inhaltlichen Rechtslage, solange der OGH nicht auch über einen unternehmerischen oder kommunalen Kredit entschieden hat, eine schwierige Situation, was auch noch einige Monate fortdauern dürfte, da bisher noch kein solcher Fall beim Höchstgericht anhängig ist:

Auf der einen Seite möchte man eine gute und oft langjährige Vertragspartnerschaft mit dem Kreditinstitut nicht mit einer gerichtlichen Klage – noch dazu mit offenem Ausgang – in Frage stellen, andererseits drängt die Zeit, um Rückzahlungsansprüche vor der Verjährung zu schützen.
Die Verjährungsfrist bei Zins(rück)forderungen beträgt grundsätzlich drei Jahre. Zu der Frage, ab wann diese Frist zu laufen begonnen hat (Zinsanpassungstermin, Zahlung des überhöhten Betrages, Mitteilung des Einziehens einer Zinsuntergrenze durch die Banken, Bekanntwerden der höchstgerichtlichen Judikatur zur Zinsuntergrenze etc.) gibt es ebenfalls unterschiedliche Sichtweisen.

Verjährungsverzicht als zwischenzeitliche Lösung

Am ehesten nachvollziehbar ist die Rechtsmeinung des Städtebundes zu entnehmende Rechtsmeinung, dass die Verjährungsfrist bereits mit der Leistung des zuviel bezahlten Betrages (aufgrund des zu hohen Soll-Zinssatzes) zu laufen beginnt. Konkret bedeutet dies, dass die Verjährungsfristen betr. Kreditverträge mit Bezugnahme bspw. auf den CHF-LIBOR und den EURIBOR in vielen Fällen in den kommenden Wochen und Monaten ablaufen, wenn der Anspruch nicht gerichtlich geltend gemacht wird – oder die Bank auf den Einwand der Verjährungseinrede verzichtet.

Ein Verzicht der Banken wäre nach aktuellem Stand und im Hinblick auf die zahlreichen offenen Rechtsfragen ein sinnvoller und sicherer Weg, um Banken und Gemeinden einen unnötigen Prozessaufwand zu ersparen. Eine unnötige Klagsflut belastet weit mehr als nur das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien und ist auch volkswirtschaftlich überaus kritisch zu sehen.

Eine sorgfältige fachliche Befassung mit der Thematik ist unbedingt zu empfehlen. Da nicht alle Kreditvereinbarungen gleichermaßen betroffen sind und möglicherweise nicht alle Banken dieselbe Vorgangsweise gewählt haben, ist es jedenfalls empfehlenswert, mit der eigenen Bank Kontakt aufzunehmen und eine Portfolioanalyse durchzuführen, ob und in welcher Höhe sich rechnerisch ein Rückzahlungsanspruch ergeben könnte. Droht die Verjährung, wäre ein mit der Bank vereinbarter Verjährungsverzicht die beste Lösung, um bis zum Ergebnis einer höchstgerichtlichen Entscheidung zu einem Unternehmen oder einer Gemeinde Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Für die Konsumenten hat der Oberste Gerichtshof bereits entschieden, für kommunale Kredite stehen Entscheidungen noch aus. ©nmann77 – Fotolia.com