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Pflichtfeuerwehren als letzter Ausweg bei Mitgliederschwund?

23.10.2014 – Was passiert, wenn ein Haus brennt, es aber zu wenige Feuerwehrmitglieder gibt, um den Brand zu löschen? Mit dieser Frage muss sich derzeit Christian Albertsen aus dem deutschen Friedrichstadt auseinandersetzen. 53 Mitglieder sollte die Feuerwehr haben, derzeit sind es nur etwa halb so viele. „Das sind zu wenige Leute, um ein Feuer zu löschen“, erzählt Albertsen in den Abendnachrichten des deutschen Senders RTL.

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Derzeit gibt es in Deutschland nur vier Pflichtfeuerwehren. Besagte in Friedrichstadt ist noch nicht umgesetzt.

Einberufungsbescheide an Bürger zwischen 18 und 55 Jahren

Im Notfall sind nie alle Mitglieder verfügbar, manche sind krank, andere im Urlaub und wieder andere können aus der Arbeit nicht weg. Deshalb brauchen Feuerwehren immer eine gewisse Reserve an Mitgliedern. Weil neue Mitglieder zur Unterstützung nicht in Sicht sind, erwägt Bürgermeister Eggert Vogt eine drastische Maßnahme: die Pflichtfeuerwehr. Dieses Instrument, das in den deutschen Feuerwehrgesetzen verankert ist, ermöglicht es dem Bürgermeister der 2.500 Einwohner umfassenden Stadt in Schleswig-Holstein, Einberufungsbescheide an Bürger im Alter zwischen 18 und 55 Jahren zu verschicken und diese als Feuerwehrmitglieder zu verpflichten.

Nur wer einen triftigen Grund, wie gesundheitliche Bedenken oder mangelnde Kinderbetreuung aufweisen kann, entgeht der Pflicht. Wer keinen Grund aufweisen kann und sich weigert, muss mit Ordnungsgeldern in Höhe mehrerer hundert Euro rechnen.

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Wieviele Feuerwehren gibt es in Österreich? (Sehen Sie die gesamte Grafik auf www.gemeindebund.at/Zahlen-Fakten)

Eher Ausnahme als Regel

Derzeit gibt es vier Standorte, in denen diese eingeführt wurde, in Friedrichstadt wird derzeit noch überlegt, ob man zur Pflichtmaßnahme greifen soll. Laut dem Deutschen Feuerwehrverband sind Pflichtfeuerwehren die ultima ratio. „Meist sind es exponierte Lagen wie Inseln, wo es diese Pflichtfeuerwehren gibt“, erzählt Silvia Darmstädter vom Deutschen Feuerwehrverband. Bürgermeister sehen sich aber hin und wieder auch aufgrund von Streitereien innerhalb der Feuerwehr zu dieser Maßnahme gezwungen.

Sind Pflichtfeuerwehren auch in Österreich gesetzlich möglich?

Das österreichische und deutsche Feuerwehrsystem lassen sich leicht miteinander vergleichen. In beiden Ländern gibt es wenige Berufsfeuerwehren und viele Freiwillige Feuerwehren. In den Feuerwehrgesetzen der Bundesländer sind die Gemeinden – sofern es keine Berufsfeuerwehr gibt – auch in Österreich verpflichtet, leistungsfähige und den örtlichen Verhältnissen entsprechend ausgerüstete Freiwillige Feuerwehren aufzustellen. Oft ist der Bürgermeister in der Pflicht, die Bürger zum Beitritt zur Freiwilligen Feuerwehr aufzufordern. Als Richtwert steht in einigen Gesetzen, dass zumindest die Mannstärke für einen Löschzug erreicht werden muss, um eine Feuerwehr bilden zu können.

Im Westen möglich

Auch in Österreich lassen sich Bestimmungen für Pflichtfeuerwehren finden: Tirol sieht in seinem Feuerwehrgesetz einen eigenen Paragraphen für Pflichtfeuerwehren (§5) vor: In Gemeinden ohne Berufsfeuerwehr, in denen es nicht gelingt, durch freiwilligen Beitritt der Gemeindebewohner Freiwillige Feuerwehren nach § 2 Abs. 3 zu bilden, hat der Gemeinderat die Bildung von Pflichtfeuerwehren zu beschließen. Zu Mitgliedern einer Pflichtfeuerwehr hat der Bürgermeister Gemeindebewohner, die zum Feuerwehrdienst geeignet sind, zu bestellen. Geeignet sind hier Bürger im Alter zwischen 18 und 50 Jahren. Ausgenommen sind grob gesagt Landes- und Bundesbedienstete, Personen, die in öffentlichen Verkehrs- oder Versorgungsunternehmen beschäftigt sind, sowie Pfarrer.

Vorarlberg verpflichtet FeuerwehrMÄNNER

Auch in §36 der Vorarlberger Feuerpolizeiordnung darf der Bürgermeister die notwendige Ergänzungsmannschaft, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden, mit schriftlichem Bescheid zum Feuerwehrdienst heranziehen. Zum Dienst in der Feuerwehr sind nach Bedarf die in ihrem örtlichen Wirkungsbereich ständig wohnhaften Männer vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr, die jüngeren vor den älteren und zunächst je einer aus jedem Haushalt der Hausbesitzer verpflichtet.

Kooperation ist gelebte Praxis

In Kärnten ermöglicht es das Feuerwehrgesetz zwar dem Gemeinderat sofern sich nicht genug Freiwillige für eine Feuerwehr finden lassen, Bürger für den Brandschutzdienst zu verpflichten, in der Praxis zählt jedoch die Zusammenarbeit unter den Feuerwehren, wie Andreas Rieger vom Österreichischen Bundesfeuerwehrverband gegenüber Kommunalnet erklärt: „In kleineren Gemeinden haben auch in Österreich die Feuerwehren mit zu wenigen Mitgliedern zu kämpfen, allerdings hilft im Notfall automatisch die Freiwillige Feuerwehr der Nachbargemeinde. Kooperation gehört ohnehin zum Alltag, weil nicht jede Feuerwehr mit allen Gerätschaften ausgerüstet werden kann.“

Auch beim Nachwuchs wachsen den Verantwortlichen in der Bundesfeuerwehr keine grauen Haare: Bei Österreichs Jugendfeuerwehr gibt es 25.000 Mitglieder (10-16 Jahre). Eine Veralterung ist deshalb in der größten Einsatzorganisation Österreichs nicht spürbar. Auch die Zahl der Frauen, die sich für das Löschen von Bränden und das Retten von Katzen auf Bäumen interessieren, ist in den letzten Jahren stark angestiegen: Waren 2008 noch 12.400 Feuerwehrmitglieder weiblich, so sind es 2013 bereits 17.300 gewesen.