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Kommunaler Vergleich zwischen Österreich und Italien

„Die kommunale Landschaft in Italien ist derzeit völlig im Umbruch“, berichtet der Präsident des italienischen Gemeindebundes ANCI, Piero Fassino. Der 65jährige Vollblutpolitiker ist zugleich auch Bürgermeister von Turin, der viertgrößten italienischen Stadt. Derzeit unterteilt sich Italien in rund 8.100 Gemeinden. „In wenigen Jahren werden es deutlich weniger sein“, sagt Fassino beim Gedankenaustausch mit den heimischen Gemeindevertretern. „Die Vorgabe ist, dass es nach der Reform keine Gemeinde mehr unter 10.000 Einwohnern geben soll. Diese Regional- und Gemeindereform sehen wir von ANCI auch unter dem Aspekt, dass wir wieder mehr Autonomie zurückholen wollen. Immerhin sind wir die sparsamste und erfolgreichste Ebene des italienischen Gesamtstaates.“
So liegt etwa der Anteil der Gemeinden an den gesamtstaatlichen Schulden bei nur 2,5 Prozent, berichtet der Turiner Bürgermeister. „Unser Ausgabenvolumen ist aber bei 7,5 Prozent aller staatlichen Ausgaben. Das ist schon ein gehöriger Unterschied, der zeigt, wie sparsam die italienischen Gemeinden wirtschaften.“ Auch zum Versuch, den italienischen Staatshaushalt zu sanieren, haben die Kommunen ihren Anteil geleistet, rund 17 Mrd. Euro kamen aus den kommunalen Kassen, um Defizite abzufedern. Insgesamt seien die kommunalen Ausgaben aber auch in Italien rückläufig. „Die Krise hat uns schwer getroffen, natürlich haben darunter auch unsere Einnahmen gelitten“, so Fassino.

Italienische Gemeinden haben eigene Polizei

Das Bündel an Aufgaben ist bei den italienischen Gemeinden sehr ähnlich den österreichischen Kommunen. Wasser, Abwasser, Müll, Straßenerhaltung, Schulerhaltung, u.v.m. zählen zu den Standardaufgaben. Die Qualitätsstandards sind jedoch kaum vergleichbar, wie die österreichischen Bürgermeister feststellten. „Jeder von uns kennt die Schauergeschichten über die Müllentsorgung in Italien“, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, der mit seinen Vizes Alfred Riedl und Rupert Dworak die Delegation anführte. „Im Entsorgungs- und Umweltbereich sind wir fast allen europäischen Ländern um Lichtjahre voraus.“

Eine Kompetenz haben die italienischen Gemeinden aber dann doch, die sie von den österreichischen Kommunen unterscheidet. Sie unterhalten in der Regel eine eigene Polizeieinheit, die „Polizia Municipale“. „Es gibt bei uns zwar auch da oder dort Gemeindewachkörper, aber nur in einigen wenigen Gemeinden“, so Mödlhammer. Die Finanzierung der italienischen Gemeinden erfolgt zu rund 40 Prozent aus eigenen Steuern und Abgaben. Die lokale Grundsteuer, Umwidmungsabgaben, Wasser- und Abfallgebühren sowie ein lokaler Aufschlag auf die Einkommenssteuer bilden die Basis der kommunalen Budgets. Dazu kommen noch die Einnahmen aus einem höchst komplexen Finanzausgleich, der aufgabenorientiert funktioniert. Seit 2010 müssen sich Gemeinden zur Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben zu Verbänden zusammenschließen, die mindestens 5.000 Bewohner versorgen. „Ein System, das sich bei uns in Österreich seit Jahrzehnten bewährt“, so Mödlhammer.

Tivoli: Eine Gemeinde erfindet sich neu

Eine ganz besondere Gemeinde besuchte die österreichischen Delegation dann rund eine Autostunde außerhalb von Rom. Die Stadt Tivoli, Heimat von rund 50.000 Einwohnern, wagt derzeit ein hochinteressantes Experiment. Bei der Wahl im Mai 2014 wurde in der Direktwahl erstmals ein Bürgermeister aus der Zivilgesellschaft und ohne Parteienhintergrund gewählt. Giuseppe Proietti, ein pensionierter Professor der Archäologie und einer der prominentesten Kämpfer für kulturelles Erbe in Italien, steht nun an der Spitze der Gemeinde. Er gewann die Wahl durchaus überraschend und stellte ein ausnahmslos junges Regierungsteam an die Spitze der Stadt. „Es handelt sich durchwegs um junge Frauen und Männer, die auf ihrem Gebiet absolute Experten sind und nicht ständig Rücksichten auf Parteien nehmen müssen“, berichtet Mödlhammer. Mit dieser jungen Expertentruppe will Proietti seine Heimatgemeinde nun umkrempeln. „Wir müssen hier teilweise ganz von vorne anfangen“, sagen die jungen Stadträt/innen. „So etwas wie Mülltrennung ist hierzulande weitgehend unbekannt bislang. Wir führen derartige Systeme nun Schritt für Schritt ein, ohne die Menschen zu überfordern“, erzählt Maria Luisa Innocenti, die für Umweltagenden verantwortlich ist. „Wir haben uns bei allen unseren Handlungen zwei Maßstäbe gesetzt: Zum einen prüfen wir alles, was wir tun auf Umweltverträglichkeit und zum anderen tun wir nichts, ohne die Bevölkerung einzubinden.“ Das sei der einzige Weg, wie man dieses Experiment erfolgreich in nachhaltige Kommunalpolitik verwandeln könne, ergänzt Irene Vota, Vizebürgermeisterin der Stadt.

Wie ungewöhnlich Tivoli ist zeigte auch die völlige Uneitelkeit des Bürgermeisters. Er nahm die österreichische Delegation mit großer Herzlichkeit in Empfang, das Reden und Referieren überließ er aber seinem Team. „Ich muss hier nicht im Mittelpunkt stehen, die Zukunft gehört diesen jungen Leuten“, sagt Proietti. „Meine größte Aufgabe ist es, dass ich für das, was wir hier planen und tun, im Gemeinderat auch Mehrheiten finde.“

Insgesamt, so resümierte Mödlhammer, „sehen wir bei jeder Reise ins Ausland, wie erfolgreich unsere Gemeindestrukturen arbeiten und auf welch hohem Niveau wir unsere Leistungen erbringen. Ob in der Kinderbetreuung oder Altenpflege, fast nirgends in Europa werden Leistungen in der Qualität erbracht, die wir in Österreich haben.“ Begleitet wurde  die Bürgermeisterdelegation von Mag. Gerda Vogl, der Geschäftsträgerin an der Österreichischen Botschaft in Rom, die mit viel Engagement und Akribie die politischen Termine für die Ortschefs organisierte.

Im Rahmen der Fach- und Bildungsreise trafen die heimischen Bürgermeister mit kommunalen Vertretern Italiens zusammen.