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60 Jahre SPÖ-Vorherrschaft von Bürgerliste gebrochen

23.4.2015 – Bei den steirischen Gemeinderatswahlen im März 2015 musste die SPÖ eine harte Niederlage in der 4.500-Einwohner-Gemeinde Hart bei Graz einstecken: Von über 60 Prozent der Stimmen bei der Wahl 2010 konnten nur rund 32 Prozent gehalten werden. Nach 60 Jahren im Bürgermeisterbüro und an der Spitze der Gemeinde, hat eine Bürgerliste, die erst ein Jahr zuvor als Initiative gegründet wurde, die SPÖ vom Thron zu stoßen. Am 17. April wurde in der konstituierenden Gemeinderatssitzung Jakob Frey von der „Bürgerliste für ein lebenswertes Hart bei Graz“ zum Bürgermeister gewählt.

Bürgerliste wollte ursprünglich keine Liste sein

Dass Jakob Frey nun im Bürgermeisterbüro hinter dem Schreibtisch sitzt und mit unternehmerischen Geschick die Amtsgeschäfte leiten will, hatte vor einem Jahr niemand geahnt. Es war die Art wie die Gemeinde mit Bürgersorgen umging, die ihn und viele andere dazu veranlasste, zuerst eine Bürgerinitiative und später eine Bürgerliste zu gründen. Ursprünglich war die Gründung einer Bürgerliste nur eine Drohung: „Im März 2014 haben wir gemeinsam mit 800 Bürgerinnen und Bürgern, die mehr Transparenz von der Gemeinde forderten, eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Wir waren damals so naiv zu glauben, dass uns die Gemeindeführung ernst nimmt und auf unsere Anfragen reagiert. Als das nicht passierte, haben wir mit der Gründung einer Liste gedroht. Wir dachten selbst nicht, dass das wirklich nötig sein würde. Aber in der Gemeinde hat man sich dazu entschlossen, das auszusitzen und sich weiterhin geweigert auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen“, so Frey zu Kommunalnet.

Gemeinsam für ein lebenswertes Hart bei Graz

Das Blatt hat sich nach der Gemeinderatswahl 2015 in Hart gewendet: Die SPÖ (7 Mandate) hält nicht mehr die Zweidrittel-Mehrheit, sie kann nicht mehr alleine entscheiden. Die Zweidrittel-Mehrheit wird nun durch eine Kooperation der Bürgerliste (7 Mandate), ÖVP (3 Mandate), Grüne und NEOS (je 1 Mandat) gehalten. Auch die FPÖ (2 Mandate) hat ihre Unterstützung zugesichert. Jakob Frey kündigt jedoch an, nicht in der selben Manier regieren zu wollen wie die SPÖ: „Wir wollen auch mit den Roten zusammenarbeiten. Wenn sie gute Vorschläge zum Wohle der Bevölkerung machen, dann werden wir diese natürlich annehmen und diskutieren. Ich finde gerade auf der Ebene der Gemeindepolitik hat Parteipolitik nichts verloren. Die Interessen der Bürger sollen immer im Vordergrund stehen.“

Frey bezeichnet sich selbst als „Nockabazl“, sieht darin aber Chance

Seit seiner Wahl zum Ortschef von Hart am 17. April hat er wenig geschlafen und sich gleich an die Arbeit gemacht. Der 51-Jährige hat viel Aufholbedarf: „Ich bin sozusagen ein Nockabazl in der Gemeindepolitik, das Feld ist neu für mich. Das sehe ich aber als Chance, dadurch habe ich einen anderen Blickwinkel. Außerdem bin ich Unternehmer, da gehe ich auch anders an Probleme heran. In unserer Gemeinde ist vieles unprofessionell organisiert, aber ich habe schon gesehen, dass man nur an wenigen Schrauben drehen muss, um die Effektivität zu verbessern.“ Die Mitarbeitergespräche, die der Steirer bereits geführt hat, haben seine Zuversicht nochmal erhöht: „Die Gemeindebediensteten sind extrem motiviert und sprühen vor Ideen. Ich werde auch Verantwortung abgeben. Ich möchte nicht alles alleine entscheiden, sondern die gesamte Mannschaft einbinden. Ich muss noch sehr viel lernen, aber ich habe keine Scheu, meine Mitarbeiter zu fragen.“

In der Bürgerliste hat man nicht geglaubt, jemals in die Position zu kommen, den Bürgermeister stellen zu können. Eigentlich trat bei der Wahl im März Karl Raggam als Spitzenkandidat auf. Er hat aber von vornherein gesagt, dass er das Amt nicht übernehmen kann, weil es mit seinem Beruf nicht zu vereinbaren ist. „Ich habe mich aus der Verantwortung gegenüber unseren Wählern dazu entschieden, obwohl ich als Unternehmer eigentlich schon mehr als hundert Prozent meiner Zeit in meine Firma stecke. Es ist eine große Herausforderung für mich, aber ich freue mich darauf und bin zuversichtlich, die Gemeinde dorthin zu bringen, wo sie sein soll“, erklärt der Agenturinhaber, Jakob Frey. Das bedeutet für ihn vor allem transparent zu sein.

Vom Schauspielstudenten und Agenturchef zum Bürgermeister

Jakob Frey wurde 1963 in Graz geboren und ist in Hart bei Graz aufgewachsen. Er besuchte eine Volksschule in England, verschiedene Gymnasien in Österreich und absolvierte ein Schauspielstudium am Mozarteum in Salzburg. Darüber hinaus hat er internationales Marketing in Graz studiert. Das neugewählte Oberhaupt von Hart ist Eigentümer einer Marketingagentur für spielerisches Lernen und Obmann des gemeinnützigen Vereins Schoolgames. Er ist seit 27 Jahren verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Jakob Frey wollte vor der Wahl nicht Bürgermeister werden. Nun nimmt er die Verantwortung gegenüber den Wählern wahr und möchte einen neuen Stil einführen. Bild: ZVG